Mannheim. Nach Öl-Vorfall und Prügelattacke gegen Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ hat die Debatte spätestens jetzt die Kommunalpolitik erreicht. So fordert die Mannheimer Liste (ML) die Grünen dazu auf, sich von der Klimabewegung zu distanzieren. Gleichzeitig verurteilen Grüne, Grüne Jugend und Jusos in mehreren Mitteilungen die Angriffe gegen die „Letzte Generation“ - und erheben selbst Forderungen an Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) und die anderen Parteien.
Als „alarmierend“ bezeichnet die Gemeinderatsfraktion der Grünen die jüngsten Ereignisse. Vor fast zwei Wochen schüttete eine Polizistin einer Aktivistin auf der Konrad-Adenauer-Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen Pflanzenöl über Kopf und Nacken, das die Einsatzkräfte nutzen, um die festgeklebten Hände vom Asphalt zu lösen. Polizeipräsident Siegfried Kollmar sprach hinterher genauso von einem Fehlverhalten wie Grüne Jugend und Jusos jetzt in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Verhalten „nicht akzeptabel“
Wenige Tage danach überschlugen sich die Ereignisse dann. Am Vormittag veröffentlichte die „Letzte Generation“ eine Stellungnahme, in der sie den Ablauf der Festnahme und der Leibesvisitation nach der Brücken-Blockade als „unnötig“ und „demütigend“ anprangerte. Und bei einem Protestmarsch am Abend prügelte schließlich ein mittlerweile ermittelter Autofahrer aus Ludwigshafen auf der Helmut-Kohl-Straße auf Aktivistinnen und Aktivisten ein.
Momentan überprüft das Polizeipräsidium den Öl-Vorfall straf- und disziplinarrechtlich. Die Grünen erwarten eine „sorgfältige Aufarbeitung“. Christina Eberle, sicherheitspolitische Sprecherin der Fraktion, wird in einer Mitteilung zitiert: „Ganz klar ist, dass ein unverhältnismäßig hartes oder gar strafrechtlich relevantes Verhalten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nicht akzeptabel ist und konsequent geahndet werden muss.“
OB Specht zum Handeln aufgefordert
Kritik äußert Eberle auch an Aussagen vom Vorsitzenden der Landespolizeigewerkschaft, Ralf Kusterer. Er habe Verständnis dafür, sagte er nach dem Vorfall auf der Brücke, wenn Kolleginnen und Kollegen „mal die Hutschnur reißt“. Solche Aussagen seien „hochproblematisch“ und stärkten das Vertrauen in die Polizei nicht.
Auch beim Einsatz auf der Konrad-Adenauer-Brücke war zu beobachten, dass die Polizei viel damit zu tun hat, aufgebrachte Autofahrer und wütende Passanten während der Aktionen der „Letzten Generation“ zu beruhigen. Grüne Jugend (GJ) und Jusos sprechen von „roher Gewalt gegen Demonstrierende“ und „unverhältnismäßigen Aggressionen“.
Verantwortlich machen die Jugendorganisationen dafür das konservative Lager. „Bemerkenswert ist insbesondere, dass konservative Kräfte wie die CDU keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um die durchaus auch kritisch zu bewertenden Proteste der ‚Letzten Generation‘ zu instrumentalisieren und die Klimabewegung im Allgemeinen zu diskreditieren. Das dürfen wir nicht zulassen“, so Hamun Zourmand, Co-Vorsitzender der Jusos und Mitglied des SPD-Kreisvorstandes.
Seine Co-Juso-Kreisvorsitzende Klara Scheffler und die Co-Sprecherin der Grünen Jugend, Céline Carnarius, unterstreichen diese Forderung. Sie erwarten von allen demokratischen Akteuren ein klares Bekenntnis zum Rechtsstaat. „In diesem Zuge fordern wir Oberbürgermeister Christian Specht auf, klare Worte für die illegitime Gewalt gegen Protestierende zu finden. Die Strategie des Schweigens muss endlich ein Ende finden“, sagen die beiden.
Sind die Grünen Verbündete?
Jusos und GJ wünschen sich einen Schulterschluss aller politisch Verantwortlichen für den Klimaschutz anstatt „hasserfüllter Debatten“. Direkt greift Wanja Pasdzierny, Co-Sprecher der Grünen Jugend, eine Partei an: „Anstatt konstruktive Konzepte für den Klimaschutz zu entwickeln, versteckt sich die CDU hinter leeren Worten und Hetze.“
Unterdessen fordert die Mannheimer Liste sowohl die Grünen-Fraktion als auch den Vorstand auf, sich von den „extremen Aktionen“ der „Letzten Generation“ zu distanzieren. Die Partei solle ihren Einfluss „auf die extremistische Gruppe“ nutzen, um sie von demokratischen Mitteln für ihre Ziele zu überzeugen. Für die ungenehmigten Proteste der Klimabewegung würden sehr viele Polizei- und Ordnungskräfte gebunden, die andere wichtige Aufgaben dafür zurückstellen müssten, argumentiert die ML. „Das Einwirken einer der ‚Letzten Generation‘ nahestehenden Partei könnte sicherlich auch zur Beruhigung der Lage beitragen“, heißt es weiter.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.
Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier weist den Vorwurf der Nähe zur „Letzten Generation“ für sich persönlich zurück. Er sei, sagt er dem „MM“, gemeinsam mit Fraktionskollegin Angela Wendt als „parlamentarischer Beobachter“ bei einer Aktion der Klimabewegung am 17. Juni am Wasserturm vor Ort gewesen. „Die ML kann sicher sein, dass wir im Gespräch sind und die ‚Letzte Generation‘ auf die möglichen demokratischen Mittel hinweisen und uns kritisch mit den Aktionen auseinandersetzen“, sagt er.
Und Eberle ergänzt als sicherheitspolitische Sprecherin: „Gerade Politik, Presse und auch die Polizei als Teil unseres demokratischen Rechtsstaats haben nun die Aufgabe, verbindend zu wirken, mit gutem Beispiel voranzugehen und den Dialog zu suchen.“ Im Zentrum müsse aber die Bekämpfung der Klimakrise stehen, so die klimapolitische Sprecherin und Fraktionsvorsitzende der Grünen, Nina Wellenreuther.
Stimmung immer aggressiver
Eberle sieht die Fronten zwischen Demonstranten und Autofahrern sich weiter verhärten. Diesen Eindruck hatte in der vergangenen Woche bereits der Mannheimer Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Thomas Mohr, bestätigt. Und auch die ML sieht das so. Sie spricht davon, dass die Bevölkerung in den vergangenen Tagen zahlreiche Aktionen der „Letzten Generation“ habe ertragen müssen. „Die Stimmung unter den Betroffenen, insbesondere bei Rad- und Autofahrern wird immer aggressiver, wie auch die zunehmenden Übergriffe zeigen.“
Zum Beispiel die Prügelattacke vergangene Woche auf der Helmut Kohl-Straße. „Wir als Grüne-Fraktion sind erschüttert über diesen Vorfall und verurteilen jede Form der Selbstjustiz“, sagt Eberle. Der Vorfall zeige auch, dass die Klimakrise zu einer gesellschaftlichen Krise geworden sei. Auch Gerhard Fontagnier verurteilt den Angriff. „Es handelt sich“, sagt er über die Demonstrantinnen und Demonstranten, „nicht um Verbrecher oder Gewalttäter“. Er würde es begrüßen und vermitteln, wenn der neue Oberbürgermeister Christian Specht mit der „Letzten Generation“ ins Gespräch kommen wollen würde.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-aggression-bei-strassenblockaden-steigt-jetzt-streiten-mannheimer-stadtraete-_arid,2125154.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-autofahrer-pruegelt-auf-klimaprotestler-in-mannheim-ein-_arid,2122985.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-leibesvisitation-und-oelattacke-viele-vorwuerfe-gegen-mannheimer-polizistin-_arid,2122691.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-oelattacke-auf-klimaaktivistin-das-sagt-der-polizeipraesident-zu-den-vorwuerfen-_arid,2123315.html