Interview

FDP-Politiker Rülke geißelt "grünen Quatsch"

Hans-Ulrich Rülke drischt auf die Grünen ein, die angeblich der Mehrheit vorschreiben wollen, wie die Mehrheit leben soll. Warum der FDP-Fraktionschef die Südwest-Regierungspartei für noch schlimmer als die im Bund hält

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Karsten Kammholz und Walter Serif
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Teilt kräftig gegen die Grünen aus: FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. © Thomas Tröster

Herr Rülke, Sie haben ziemlich barsch eine Ampel im Südwesten bis Ende der Legislaturperiode ausgeschlossen. Warum?

Hans-Ulrich Rülke: Ich wollte einen klaren Kontrapunkt setzen. Die FDP in Baden-Württemberg trägt die Ideologie der Grünen nicht mit, die als Minderheit der Mehrheit vorschreiben will, wie sie zu leben hat.

Glauben Sie das wirklich?

Rülke: Diesen Eindruck habe nicht nur ich, sondern viele Menschen, darunter auch welche, die ich zur FDP-Wählerschaft zählen würde. Die beklagen sich darüber, dass man sich in Deutschland zwar mittlerweile das Geschlecht, aber nicht die Heizung aussuchen kann. Dass auf Druck der FDP das Heizungsgesetz verbessert wurde, zählt für sie nicht. Sie sagen: Ihr habt es wie die SPD mitbeschlossen und damit die Ideologie der Grünen zugelassen. Deshalb würden sie jetzt AfD wählen.

Die Kritik der von Ihnen zitierten Menschen richtet sich doch an die Bundes-FDP und nicht an die Südwest-Liberalen.

Rülke: Das stimmt. Ich habe den Kontrapunkt aber auch deshalb gesetzt, weil die Grünen in Baden-Württemberg noch schlimmer sind als die im Bund.

Hans-Ulrich Rülke

Hans-Ulrich Rülke wurde am 3. Oktober 1961 in Tuttlingen geboren. Nach dem Abitur studierte er Germanistik, Geschichte und Soziologie an der Universität Konstanz und arbeitete zunächst als Lehrer.

Der baden-württembergische Landtagsabgeordnete (Wahlkreis Pforzheim) ist seit 2009 Fraktionschef der FDP.

Rülke ist bekannt für seine bissigen Attacken. Die Grünen gehören zu seinen Lieblingsgegnern. Aber nicht nur sie bekommen ihr Fett weg. Alt-Kanzlerin Angela Merkel nennt er eine „historisch gescheiterte Gestalt“. Ihren Nachfolger Olaf Scholz mag er dagegen. was

Wirklich?

Rülke: Es gibt ja eine landläufige Erzählung, wonach Ministerpräsident Winfried Kretschmann besonders konservativ und bürgerlich sein soll.

Ist er das nicht?

Rülke: Nein, schauen Sie sich doch mal die Realität an. In Baden-Württemberg gibt es die Solarpflicht auf Dächern bereits. Im Bund nicht. Das haben die Grünen in der Ampel vorgetragen, aber die FDP hat es verhindert. Die CDU in Baden-Württemberg hat es jedoch abgenickt. Aber auch beim Heizungsgesetz hat Kretschmann scheinheilig agiert. Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Probleme mit seinem Gesetz bekam, stellte sich Kretschmann hin und meinte, man dürfe die Menschen nicht überfordern.

Was soll daran scheinheilig sein?

Rülke: Das Land Baden-Württemberg hatte ja viel früher ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, das die Kommunen zu einer Wärmeplanung zwingt, und zwar schon bis Ende 2023. Diese Wärmeplanung orientiert sich an Habecks ursprünglichen Forderungen. Kretschmann hat also im vorauseilenden Gehorsam gehandelt. Und dennoch sagen die Leute: Der Kretschmann ist gemäßigt, weil er den Habeck bremst.

In der jüngsten Umfrage für Baden-Württemberg liegt die FDP nur noch bei sieben Prozent. Wenn wir Sie richtig verstehen, liegt das daran, dass die FDP in der Ampel zu wenig verhindert – und das fällt Ihnen dann in Baden-Württemberg vor die Füße.

Rülke: Das ist nicht meine Meinung. Aber es ist schon auffällig, dass wir in der Mai-Umfrage noch bei zehn Prozent lagen. Die Menschen werfen uns vor, wir würden zu viel grünen Quatsch mitmachen, und laufen deshalb zur AfD über. Gegen diese Entwicklung stemme ich mich.

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Der Abwärtstrend der Südwest-FDP geht also klar vom Bund aus.

Rülke: Ja, das sagen mir die Wähler.

Offensichtlich wird die FDP wahrgenommen als eine Partei, die das Schlimmste in der Ampel verhindert, aber keine prägende Kraft in der Regierung ist.

Rülke: Es gelingt der FDP tatsächlich nicht, eigene Inhalte durchzusetzen, denn das lassen die Grünen eben nicht zu. Das ist nun einmal das Wesen einer Dreier-Koalition: Wenn sie gestalten wollen, brauchen sie alle drei Partner. Zur Blockade reicht dagegen nur eine Partei.

In der öffentlichen Wahrnehmung, die sich in den Umfragen niederschlägt, gelten die Grünen und die FDP als die Krawallmacher in der Koalition. Das spielt auch wieder der AfD in die Karten.

Rülke: Ohne Zweifel. Die Zerstrittenheit beschädigt zusätzlich das Ansehen dieser Koalition. Deshalb geht es uns in der Südwest-FDP darum, klarzustellen, dass wir hier Landespolitik machen und nicht wie in Berlin in einer Koalition mit den Grünen sind. Wir haben hier ja auch Alternativen, die es im Bund nicht gibt.

Welche denn?

Rülke: Neben der regierenden grün-schwarzen Koalition gibt es auch die theoretische Alternative einer Deutschland-Koalition im Landtag. CDU, SPD und FDP hätten auch eine Mehrheit.

Das ist Ihr Ziel, weil es für Schwarz-Gelb nicht reicht.

Rülke: Das habe ich nicht gesagt. Wofür es reicht, werden wir nach der nächsten Wahl sehen. Wir reden ja jetzt darüber, was passieren könnte, falls Grün-Schwarz vor der nächsten Landtagswahl 2026 scheitert oder Kretschmann frühzeitig zurücktritt.

Für wie wahrscheinlich halten Sie beide Szenarien?

Rülke: Das weiß ich nicht, aber bei einem 75-jährigen Ministerpräsidenten kann man sich diese Frage schon stellen.

Ihre Absage an die Ampel gilt nur für diese Legislaturperiode?

Rülke: Ja. Dadurch ist auch klar, dass wir keinen Kretschmann-Nachfolger mit unseren Stimmen ins Amt hieven würden.

Wer trägt denn die Hauptschuld am Umfragehoch der AfD. Kretschmann meint, die Grünen seien da außen vor.

Rülke: Im Gegenteil – die Grünen tragen die Hauptschuld daran. Die Bürger haben den Eindruck, dass eine Minderheit der Mehrheit vorschreibt, was sie essen darf, wie sie zu sprechen hat und welche Heizung sie nutzen soll. Begründet wird alles mit dem Klimaschutz. Doch wenn man sich das genauer anschaut, steckt pure Ideologie dahinter. Das ärgert die Menschen.

Das hatten wir schon.

Rülke: Das ist ja der Punkt. Wenn die Grünen die Wahl haben zwischen Kohlekraft- und Atomkraftwerken, dann entscheiden sie sich für die klimaschädliche Energie. Das ist doch gar kein Klimaschutz.

Wie will die FDP im Südwesten die von der Ampel frustrierten Wähler zurückgewinnen?

Rülke: Indem wir eine klare Gegenposition formulieren zur Politik, die die Grünen in Baden-Württemberg durchdrücken. Also beispielsweise Leitungsausbau statt Solarpflicht auf den Dächern.

Die gibt es jetzt ja schon.

Rülke: Ja. Aber das ist nicht unsere Politik. Die Grünen glauben, wir könnten durch Windräder energieautark werden. Wir brauchen aber einen Ausbau der Leitungsnetze und Importe von Strom und Wasserstoff. Wir dürfen auch nicht allein auf die batterieelektrische Mobilität setzen, sondern benötigen eine technologieoffene Lösung. Denn ohne synthetische Kraftstoffe kann die Bestandsflotte der Automobile in Baden-Württemberg nicht klimaneutral werden.

Wer wählt denn die AfD? Sind das Rechte oder Protestwähler?

Rülke: Ich schätze, dass in Baden-Württemberg rund ein Viertel der AfD-Wähler Menschen mit einem rechtskonservativen bis rechtsradikalen Hintergrund sind. Die anderen sind ein Stück weit frustriert, viele wissen, dass die AfD keine Probleme löst und ihr Personal unsäglich ist. Sie wollen auch nicht, dass die AfD politische Verantwortung bekommt, aber sie wollen die AfD wählen, damit sich die Politik der anderen Parteien ändert. Und die Leute haben ja die Erfahrung gemacht, dass das durchaus funktionieren kann. Angela Merkel hat ja ihre Flüchtlingspolitik aufgrund der Wahlerfolge der AfD nach 2015 faktisch geändert, obwohl sie das natürlich nie zugegeben hat.

Passiert das jetzt wieder? Der baden-württembergische CDU-Politiker Thorsten Frei will das individuelle Asylrecht abschaffen.

Rülke: Das ginge nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die sehe ich nicht. Und ich will auch nicht das Grundrecht auf Asyl abschaffen. Der Vorstoß von Thorsten Frei ist aber ein Beispiel dafür, dass der Druck der Wählerinnen und Wähler auf die etablierten Parteien in der Flüchtlingspolitik wirkt.

Kann man die radikale Politik der AfD wirklich damit bekämpfen, indem man sich selbst radikalisiert, wie es Herr Frei gemacht hat?

Rülke: Ich glaube jedenfalls nicht, dass solche Vorschläge hilfreich sind. Klar ist aber: Wir müssen das Problem lösen, es geht nicht nur um die AfD. Die Kommunen sind überlastet. Ich glaube, dass der Beschluss der EU in die richtige Richtung geht, wonach diejenigen Flüchtlinge bereits in Ankunftszentren an den Außengrenzen abgewiesen werden sollen, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Aber das bekämpfen die Grünen bis aufs Messer. Sie tun nichts, um das Migrationsproblem zu lösen. Es gibt also noch einen Weg zwischen der AfD und den Grünen, und den beschreibe ich.

CDU-Chef Friedrich Merz hat mit seinem Sommer-Interview im ZDF Zweifel daran ausgelöst, dass die Brandmauer zur AfD wirklich feuerfest ist.

Rülke: Ich glaube schon, dass die Gefahr groß ist, dass diese Brandmauer im Osten irgendwann fällt. Der Osten war schon immer das Experimentierfeld. Nach der Wende gab es eine knallharte Abgrenzung zur PDS beziehungsweise der Linkspartei. Dann wurde das sogenannte Magdeburger Modell installiert, als sich in Sachsen-Anhalt die SPD-geführte Minderheitsregierung von Reinhard Höppner von der PDS tolerieren ließ. Das war 1994. Danach gab es dann sogar Koalitionen.

Kommen Sie bitte auf den Punkt.

Rülke: Ich schließe nicht aus, dass das irgendwann auch mit der AfD so abläuft. Möglicherweise war das am Sonntag der Testballon von Merz. Nach dem Motto, jetzt probieren wir es mal mit der Kommunalpolitik und schauen, wie die Reaktionen ausfallen. Je nachdem können wir vielleicht die Brandmauer ein wenig lockern. Ein klügerer Parteivorsitzender hätte da vielleicht seinen Generalsekretär vorgeschickt. Man ist ja nicht sein eigener Minenhund.

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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