Landtagswahl

Vorläufiges Endergebnis: Grüne triumphieren - CDU stürzt ab

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Stuttgart.

Die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann haben die Landtagswahl in Baden-Württemberg mit einem bundesweiten Rekordergebnis gewonnen und können sich die Koalitionspartner aussuchen. Die bisher mitregierende Südwest-CDU stürzte am Sonntag in ihrer einstigen Hochburg auf das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte. Die grün-schwarze Koalition könnte zwar weiterregieren, die Grünen haben aber auch die Möglichkeit, mit SPD und FDP ein Ampel-Bündnis zu bilden. Für eine Neuauflage von Grün-Rot reichte es knapp nicht.

Nach dem vorläufigen Endergebnis schaffen die Grünen 32,6 Prozent, ein Plus von 2,3 Punkten. Die CDU verliert fast 3 Punkte und landet bei nur noch 24,1 Prozent. Die AfD büßt am meisten ein im Vergleich zu der Wahl vor fünf Jahren und landet nur auf Platz fünf. Sie bekommt 9,7 Prozent, das ist ein Minus von 5,4 Prozent. Die SPD liegt mit schwachen 11,0 Prozent auf Platz drei vor der FDP, die sich auf 10,5 Prozent steigern kann - ein Plus von 2,2 Prozent. Die Linke verfehlt mit 3,6 Prozent klar den Einzug in den Landtag.





Grün-Schwarz oder Ampel?

Für den 72 Jahre alten Kretschmann wäre es schon die dritte Wahlperiode an der Macht. Er nehme den Auftrag zur Bildung einer Regierung mit "Dankbarkeit und Demut" an, sagte er. Er werde mit CDU, SPD und FDP Gespräche führen. Zunächst will er mit der CDU sprechen, dies sei aber nicht als Zeichen zu werten. Sowohl Grün-Schwarz als auch eine Ampel hätten stabile Mehrheiten. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz formulierte schon Bedingungen für eine Koalition: "Die Umsetzung eines Klimaschutzsofortprogramms steht für uns an erster Stelle", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Das müsse beinhalten: "Mehr Strom aus Sonne und Wind in Baden-Württemberg, mehr umweltfreundliche Mobilität und ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz."

FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke setzt auf eine Ampel. "Nun gibt es zwei Optionen: Weiter so mit Grün-Schwarz oder zu neuen Ufern mit einer Reformkoalition", sagte er der dpa. Dabei erhielt er Unterstützung von ungewohnter Seite. Die Grüne Jugend im Südwesten erklärte, "die Plan- und Visionslosigkeit der CDU" disqualifiziere sie als erneuter Koalitionspartner. "Wir wollen eine progressive Regierung", sagte Sarah Heim, Sprecherin der Grünen Jugend. Dafür brauche es Mehrheiten jenseits der CDU.

So verteilen sich die Sitze in Stuttgart

Die 154 Sitze im Stuttgarter Landtag verteilen sich wie folgt: Die Grünen kommen auf 58 Sitze, die CDU auf 42, die SPD schafft 19, die FDP 18 und die AfD 17. Grün-Rot kommt auf 77 Mandate, die Mehrheit liegt aber bei 78. Grün-Rot kam auf 43,6 Prozent, die anderen drei Parteien zusammen auf 44,3 Prozent. Rechnerisch könnte damit die neu gegründete Klimaliste den Grünen und der SPD eine Regierungsbildung vermasselt haben. Die neue Partei kam auf 0,9 Prozent der Stimmen.

Susanne Eisenmann vor dem politischen Aus

Bei der CDU steht Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann vor dem politischen Aus. Es sei ein "enttäuschendes und desaströses Wahlergebnis", sagte die 56-jährige Kultusministerin. "Natürlich übernehme ich die Verantwortung." Sie strebe keine führende Rolle in der Partei an. Landeschef Thomas Strobl will Grün-Schwarz unbedingt fortsetzen: "Es gibt keine Wechselstimmung im Land."

Kretschmann sagte, Baden-Württemberg brauche eine "verlässliche und stabile Regierung" die einen klaren Kompass habe. Am Abend sagte er im ZDF-"heute-journal", er werde "sehr ernsthafte Gespräche" führen. Es werde nicht "irgendwelche Scheintreffen" geben. Die Grünen wollen am Mittwoch zuerst mit der CDU sprechen und am Freitag dann separat mit SPD und FDP. SPD-Generalsekretär Sascha Binder sagte: "Die CDU ist abgewählt."

CDU-Generalsekretär Manuel Hagel erklärte: "Das ist ein ganz bitterer Abend für die CDU Baden-Württemberg." Man drücke sich nicht davor, weiter zu regieren. Aber der Ball liege nun bei den Grünen. Strobl soll federführend mit den Grünen sondieren, ob eine Neuauflage der grün-schwarzen Koalition möglich ist. Eine Deutschland-Koalition mit SPD und FDP komme nicht infrage, erklärte er. Strobl gilt als Vertrauter von Kretschmann. Die CDU will unbedingt verhindern, neben der AfD in der Opposition zu landen. Sowohl Eisenmann als auch Strobl verloren in ihren Wahlkreisen klar gegen die grünen Kandidaten.

Erster Stimmungstest für Bundestagswahl

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind der erste Stimmungstest vor der Bundestagswahl am 26. September gewesen. Für die Union, die bundesweit in den Umfragen weit vor den Grünen liegt, sind die Resultate der CDU in beiden Ländern ein schwerer Rückschlag. In Rheinland-Pfalz landete die CDU deutlich hinter der SPD von Regierungschefin Malu Dreyer. Das Top-Ergebnis der Südwest-Grünen dürfte der Bundespartei Rückenwind geben.

Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag bei 63,8 Prozent. Das ist deutlich niedriger als 2016, als 70,4 Prozent der Berechtigten zur Wahl gegangen waren. Dafür war die Zahl der Briefwähler diesmal corona-bedingt weit höher als in den Jahren zuvor. Insgesamt waren 7,7 Millionen Menschen aufgerufen, über einen neuen Landtag abzustimmen.

Der Wahlsieg der Grünen festigt die Vormachtstellung der Ökopartei in Baden-Württemberg, die Wahlforscher vor allem an der starken Stellung des Landesvaters Kretschmann festmachen. Dieser sei bei der Landtagswahl ein "überragender Faktor" gewesen. Ihm bescheinigten 80 Prozent aller Menschen im Land eine gute Arbeit. Er verkörpere wie kaum ein anderer den "idealtypischen Landesvater", analysierte die Forschungsgruppe Wahlen. Dagegen hat sich die über fast sechs Jahrzehnte dominierende CDU innerhalb von 15 Jahren fast halbiert, im Jahr 2006 lag sie noch bei 44,2 Prozent.

Vor zehn Jahren war Kretschmann zum ersten grünen Ministerpräsidenten gewählt worden, nachdem Grün-Rot die schwarz-gelbe Koalition des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) überholt hatte. 2016 wurden die Grünen dann erstmals stärkste Partei, allerdings reichte es nicht mehr für eine Koalition mit der SPD. Kretschmann ging ein Bündnis mit der CDU ein.



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