Viernheim. „Jede Woche einen Süßigkeiten-Tag!“ Dieser Wunsch einer Grundschülerin der Schillerschule wird wohl in der Ganztagsbetreuung nicht erfüllt, aber vielleicht solche, die Kinder der Felsenmeerschule Lautertal-Reichenbach äußerten: eine Koch-AG, eine Riesenrutsche, eine Wander-AG und ein Wasserspielplatz. Bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen des „Pakts für Ganztag“ im Kreis Bergstraße durften sich in der Viernheimer Schillerschule auch Kinder äußern. Die schilderten vor geladenen Vertretern von Schulen, Behörden und Bildungsträgern auch, was ihnen bereits geboten wird: Ballspiele, Bibliothek, Malen, Häkeln, mit Lego bauen, Psychomotorik-AG, Yoga, Rollenspiele und Theater sind Beispiele und zeigen, dass Ganztagsbetreuung mehr ist, als bloß eine Mahlzeit und eine Verwahrstelle für Kinder.
Landrat Christian Engelhardt (CDU) sagte in seiner Rede, dass von Anfang an auf Qualität Wert gelegt worden sei: Zwei Stellen pro Gruppe in den Grundschulen, mindestens eine pädagogische Fachkraft und –was hessenweit einzigartig sei – der Standort des IHK-Lehrgangs „Fachpädagogische Ganztagsbildung“. Sein Credo: „Ganztag soll ein pädagogisch hochwertiges Bildungsangebot sein, nicht bloß Betreuung!“ Dazu gehöre auch Verlässlichkeit, also fünf Tage die Woche bis 17 Uhr, auch während der Ferien.
Kreis Bergstraße: 29 Schulen haben „Pakt für den Ganztag“ geschlossen
Das kostet: Aus Landesmitteln werden 76 Stellen finanziert, macht rund 3,8 Millionen Euro. Der Kreis gibt zusätzlich 2,6 Millionen jährlich dazu: „Wir investieren kräftig in die Zukunft“, sagte Engelhardt. Gestartet hatte der „Pakt für den Ganztag“ im Kreis zum Schuljahr 2015/16 mit sechs Schulen, darunter die Schillerschule in Viernheim. Mittlerweile sind 29 Schulen dabei, weitere haben Anträge gestellt. Betreut werden aktuell 3.332 Kinder. In Hessen gibt es laut Kultusministerium mittlerweile an zwei Dritteln der Grundschulen Ganztagsangebote.
Bei der Finanzierung der Gebäude und der Ausstattung helfen Land und Bund. Für die Eltern ist die Ganztagsbetreuung von Grundschülern ein freiwilliges Angebot, nach Anmeldung allerdings verbindlich. Bereits vor fünf Jahren hatte die Universität Kassel die Wirkung der Ganztagsbetreuung auf Grundschüler untersucht. Demnach nennen fast 100 Prozent der befragten Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als wichtigen Anmeldegrund. Weiter heißt es, dass die Kinder ein Mitspracherecht haben und sich aus ihrer Wahrnehmung freiwillig zur Teilnahme am Pakt entscheiden. Fazit: „Die teilnehmenden Kinder fühlen sich in der Schule wohl.“
„Gut vorbereitet auf den Rechtsanspruch ab 2026“
Wichtig ist für den Landrat, dass die Kinder individuell gefördert werden können und später bessere Chancen haben. Eltern bekämen Kinder und Berufstätigkeit besser unter einen Hut, was auch die Region als Lebens- und Wirtschaftsstandort attraktiver mache: „Bildungspolitik ist immer auch Standortpolitik“, sagte Engelhardt.
Dass der „Pakt für den Ganztag“ ein Erfolg wurde, sei der engen Zusammenarbeit von Schulen, Ganztagsträgern, Schulamt und Kreisverwaltung zu verdanken: „All das entwickelt sich aufgrund Ihres Einsatzes und Ihrer Kompetenz!“, lobte Engelhardt. Namentlich erwähnte er Claudia Blume vom Eigenbetrieb Schule und Gebäudewirtschaft Kreis Bergstraße, die sich „mit sehr scharfem Blick für das Bestmögliche eingesetzt“ habe. Das Pilotprojekt in der Schillerschule sei mit erheblichen Herausforderungen verbunden gewesen, auch, weil das Gebäude denkmalgeschützt sei. Der Landkreis sei nun, so Engelhardt, gut aufgestellt und damit vorbereitet auf den bundesweiten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026.
Einführung an Grundschulen war „Pionierarbeit“
Kerstin Schnalle, Referatsleitung Ganztägig arbeitende Schulen im Kultusministerium, erklärte, dass es hessenweit vor zehn Jahren lediglich sechs Pilotschulen beim „Pakt für den Ganztag“ gegeben habe: „Der Kreis Bergstraße hatte eine Vorreiterrolle, einige andere Kreise haben die Entwicklung verschlafen.“ Das Thema Ganztagsbetreuung sei sehr komplex, der Bedarf dafür steige kontinuierlich. Ziel sei, „eine zeitgemäße Lernumgebung zu bieten“. Der „Pakt für den Ganztag“ werde in anderen Bundesländern „etwas neidvoll“ gesehen.
Michael Schmitt, Leitung „Serviceagentur Ganztag Hessen“, erklärte, dass es vor 2015 Ganztagsbetreuung fast nur an weiterführenden Schulen angeboten wurde, dies an Grundschulen einzuführen, sei Pionierarbeit gewesen. Steuergruppen wie im Landkreis Bergstraße habe es in Hessen nicht überall gegeben, „das wurde dann auch andernorts eingeführt“. Dies frühzeitig initiiert zu haben, drücke die Weitsicht im Landkreis aus. Künftig, so betont er, werden die Schüler diverser und die Betreuung anspruchsvoller.
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