Bürstadt. Die Speisestärke verfärbt sich in Sekunden, auch das Mehl. Aus weißem Pulver wird eine violett-glänzende Masse. Die Neuntklässler schauen sich den Versuch verblüfft an. Die Verwandlung klappt mit einem einzigen Tropfen Jodlösung. Beim Puddingpulver erfahren sie zudem auf der Verpackung, dass es aus 16 Gramm Kohlehydrate besteht, davon allein elf Gramm Zucker. Dass sie genau hinsehen, mehr über Lebensmittel erfahren und nebenbei eine Menge über chemische Prozesse lernen, ist das Ziel ihrer Lehrerin Dr. Elke Killer.
„Kulinarische Chemie“ nennt Killer dieses Fach, das sie im Wahl-Pflicht-Unterricht anbietet. „Mein Steckenpferd“ sagt sie und grinst. Denn die Lehrerin der Erich Kästner-Schule (EKS) in Bürstadt wurde bereits mehrfach dafür ausgezeichnet. Am Wochenende präsentiert sie das Projekt beim bundesweiten „Science on Stage Festival“ im sächsischen Radebeul. Die Power-Point-Präsentation muss die 62-Jährige kurz halten: Auf der Bühne hat sie nur vier Minuten Zeit. „Das ist nur dazu da, die Leute neugierig zu machen, damit sie an den Stand kommen“, sagt Killer.
„Wir sind wahnsinnig stolz“, sagt Schulleiterin Stephanie Dekker
Die Kisten für den Ausflug sind schon gepackt, die Präsentation fertig. Am Donnerstag fährt sie mit ihrer Kollegin Kathrin Duckheim in Richtung Dresden, erst am Sonntagmittag geht‘s wieder zurück. Dann hoffentlich mit zig Eindrücken und neuen Ideen im Gepäck. Denn beim Festival stehe der Austausch der Kollegen im Vordergrund. Pädagogen verschiedener Schulformen werden die beiden Bürstädter Lehrerinnen dort treffen - aber alle aus dem Bereich MINT, also aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Ziel ist es zu erfahren, wie andere Pädagogen ihre Themen möglichst interessant für die Schüler aufbereiten.
Von Bürstadt nach Radebeul
Das Festival „Science on Stage “ läuft von 26. bis 28. September im sächsischen Radebeul . Die Bildungsinitiative, die es veranstaltet, möchte damit praxisnahe, zukunftsorientierte Projekte fördern und die Arbeit der Lehrkräfte würdigen. An Ständen, in Workshops und Kurzvorträgen erhalten Pädagogen, die Naturwissenschaften unterrichten, neue Anregungen.
Lehrerin Dr. Elke Killer von der Erich Kästner-Schule (EKS ) in Bürstadt stellt am Wochenende ihr Projekt „kulinarische Chemie“ vor: mit einem Kurzvortrag sowie einem Stand . Mit Kollegin Kathrin Duckheim wird sie zudem Workshops und die Stände der Kollegen besuchen, um neue Ideen zu sammeln. cos
„Wir sind wahnsinnig stolz!“ Das sagt Schulleiterin Stephanie Dekker über die Teilnahme der EKS-Lehrerinnen in Radebeul. „Die dort ausgewählten Unterrichtskonzepte zeichnen sich durch ihre Kreativität, ihren starken Praxisbezug und ihren innovativen Charakter aus.“ Immerhin ist allein die Einladung eine Ehre, denn Killer hat das Bewerbungsverfahren erfolgreich durchlaufen. Am Ende könnten sogar Preise winken. Die Besten dürfen auf europäischer Bühne auftreten. Quasi wie bei Jugend forscht, wo es immer eine Runde weitergeht - was die Chemikerin nur zu gut weiß, weil sie den EKS-Nachwuchs seit vielen Jahren auf diesen Wettbewerben begleitet.
Klebstoff oder Biofolie aus Kartoffeln herstellen
Stefanie Schlunk, Geschäftsführerin des Festivals, ist schon jetzt voll des Lobes für das innovative Projekt aus Bürstadt: „Angesichts des akuten Lehrkräftemangels brauchen wir Formate, die engagierten Pädagoginnen und Pädagogen Raum für Austausch und neue Impulse bieten. Wir sind begeistert von den Ideen, die Lehrkräfte wie Dr. Elke Killer und Kathrin Duckheim bei unserem Festival präsentieren werden.“ Nicht nur den Schulen nutze dieser Austausch, sondern auch den Jugendlichen, die bei vielen Unternehmen mit Grundkenntnissen in Chemie punkten können, betont Killer. „Im Bereich der Lebensmittel sind so viele verschiedene Berufe möglich.“
Wobei Chemie im Ranking der Lieblingsfächer nicht gerade oben steht, das ist der Naturwissenschaftlerin klar. Aber mit Cornflakes, Gummibärchen oder Kartoffeln kann jeder etwas anfangen - und damit experimentiert die Lehrerin der EKS. Selbst Pausenbrote oder Kekse können die Schüler näher untersuchen. Für größere Versuche nutzen sie übrigens Produkte, die ihr Haltbarkeitsdatum überschritten haben. „Das kommt aus der Schulküche und ist nicht mehr verwendbar - aber für unsere Zwecke noch wunderbar.“
Mit jüngeren Schülern stellt Killer sogar Klebstoff aus Kartoffeln her. „Wie Tapetenkleister wird das durch die Stärke.“ Selbst eine Biofolie, die kompostierbar ist, und in der Industrie schon verwendet wird, kann sie mit dem Nachwuchs produzieren. Und ihnen dabei gleich noch etwas über mehlig- und festkochende Sorten beibringen. Das helfe schließlich auch im Alltag. Denn dass sich die einen nicht für Bratkartoffeln und die anderen nicht für Klöße eignen, ist beim Kochen wichtig zu wissen.
„Wie kommt der Zucker eigentlich aus der Rübe?“ Diese Frage will Killer sogar in Radebeul erörtern - mit einer echten Zuckerrübe aus der Region. Mit Schulklassen war sie auch schon in der Zuckerfabrik in Offstein, um das im großen Stil zu sehen. Und aus Äpfeln von ihrer Streuobstwiese im Odenwald stellt sie mit den Schülern Saft her. Dass der ganz anders schmeckt als jener aus dem Supermarkt und ruckzuck braun wird, verblüffe die Jugendlichen immer wieder, sagt sie lächelnd. „Um ihn haltbar zu machen, kochen wir Gelee - oder wir lassen ihn gären.“ Dabei wendet sie zwei verschiedene Verfahren an: mit oder ohne Sauerstoff, für Essig oder Apfelwein. Chemie kann eben faszinierend sein.
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