Viernheim. Herr Surblys, bei Ihnen sind an den Armen viele Tätowierungen zu sehen. Wann ließen Sie sich Ihr erstes stechen?
Kay Surblys: Ich wollte schon mit 14 eins haben, aber bei meinen Eltern war klar, das ich darüber erst gar nicht diskutieren muss. Drei Tage nach meinem 18. Geburtstag war es soweit.
Was war das Motiv?
Surblys: Sonnensymbol in Schwarz-Weiß. Heute ist es größer und besser ausgestaltet, aber sonst ist bei mir nichts übertätowiert.
Ich überlege seit 30 Jahren, ob ich mir ein Tattoo stechen lassen soll. Aber ich kann mich nicht für ein Motiv entscheiden, deshalb habe ich noch keins.
Surblys: Das war die richtige Entscheidung.
Gibt es Kunden, die es bereuen, ein bestimmtes Motiv auf dem Körper zu haben?
Surblys: Die meisten Leute bereuen es nicht, da sind die Motive wie ein Tagebuch. Eine Lebensetappe ist ein Motiv, das in dem Moment das richtige ist. Bei meinen ist es wie in meinem Leben: Heute hätte ich es anders gemacht, aber ich bereue die Entscheidungen nicht. Bei manchen Kunden mache ich Cover, also überarbeite vorhandene Tattoos mit einem neuen Motiv.
Haben Sie Ihre eigenen selbst gemacht?
Surblys: Ein farbiger Pilz am Bein war das erste, ich habe mehrere selbst gemacht. Die anderen sind von Künstlern, die mir gefallen.
Auf einem Handrücken ist bei Ihnen ein Herz zu sehen, auf dem anderen ein Gehirn. Was bedeutet das?
Surblys: Folge dem Herzen, aber nimm dein Hirn mit. Bei mir sind noch Totenköpfe zu sehen, für mich nur Symbole der Endlichkeit, ich liebe sie. Und eine Dämonenfrau, schön, aber böse, und ein Engel.
Wie entscheiden sich die Kunden für ein bestimmtes Motiv?
Surblys: Manche kommen mit Vorlagen, bei anderen entwickeln wir das zusammen im Beratungsgespräch. Oft geht es um emotionale Momente. Ich hatte zum Beispiel eine junge Frau hier, deren Oma gestorben war. Sie wollte ein Gedenktattoo. Die Oma liebte Vivil-Bonbons, und ihre Lieblingsblumen waren Orchideen. Das Motiv ist eine Orchidee, die aus einem Bonbon wächst, eine schöne, individuelle Erinnerung.
So viele Menschen in Deutschland sind tätowiert
- Kay Surblys hat kürzlich Licht und Schatten Tattoo in Viernheim in der Wasserstraße 26 a eröffnet.
- Der 42-Jährige wuchs in Mannheim auf und ist gelernter Friseur und Visagist.
- Seit sieben Jahren tätowiert er, sechs Jahren arbeitete er als Selbständiger in zwei Tattoo-Studios.
- In Deutschland ist gut ein Viertel der Bevölkerung tätowiert, Tendenz steigend. Bei den unter 35-Jährigen sind es bereits 40 Prozent. Der Trend entstand erst spät, vorher hatten vor allem Seeleute und Häftlinge Tattoos.
- Tätowierungen sind aus der ganzen Welt bekannt: Es wurden über 5000 Jahre alte Mumien mit Tattoos gefunden, und die Gletschermumie Ötzi hatte 61. Auch bei frühchristlichen Sekten waren sie üblich. Eine lange Tradition haben sie in Japan und Polynesien.
Welche Motive stechen Sie nicht?
Surblys: Faschistische, fanatische, rassistische und frauenfeindliche.
Seit einiger Zeit wird über kulturelle Aneignung diskutiert. Bei Ihrem Beruf geht es zum Beispiel um die traditionellen Tattoos der Ureinwohner von Neuseeland.
Surblys: Auf einer Convention habe ich mich darüber lange mit einem Künstler aus Neuseeland unterhalten. Er findet es nicht gut, wenn wir ihre Kultur auf dem Körper tragen. Es sind schöne Schmucktribals, symmetrische Muster. Die Nachfrage dafür ist aber bei mir nicht mehr so groß.
Wie läuft eine Tätowierung bei Ihnen ab?
Surblys: Die Beratung ist wichtig, erst wird das Was und Wie geklärt. Dafür sollte man sich Zeit nehmen. Wenn zum Beispiel ein Kunde einen Totenkopf haben möchte, bereite ich den stilistisch auf und mache eine Vorlage in Originalgröße. Die kann man auch dreidimensional am Bildschirm zeigen, dafür gibt es spezielle Programme. Die Tätowierung eines Unterarmmotivs in der Größe zehn mal 20 Zentimeter dauert ungefähr vier bis sechs Stunden und kostet ungefähr 450 bis 900 Euro, das hängt vom Aufwand und von der Zeit ab.
Haben Sie Lieblingsmotive?
Surblys: Nein. Ich habe viele Ideen und Entwürfe, doch es ist mir wichtig, dass es für die Person perfekt passt.
Stichwort Gesundheit: Die Farben sind in Verruf geraten.
Surblys: Vor drei Jahren mussten EU-weit verschiedene Inhaltsstoffe raus aus den Farben. Ich habe bis heute keine Studie gefunden, die die Schädlichkeit bestätigt hat. Jetzt ist die Haltbarkeit der Farben reduziert, und sie sind teurer geworden. Wichtig ist nach dem Stechen die Pflege, ich nehme für die ersten Tage zum Schutz eine „Zweite Haut Folie“ aus dem Medizinbereich und nicht billige Frischhaltefolie. Mit der funktioniert es auch, aber es ist eine andere Abheilungsmethode.
Gibt es nicht mittlerweile ein Überangebot an Tätowierstudios?
Surblys: Definitiv. Allerdings erhöht das Angebot auch die Vielfalt. Bei mir waren die ersten Wochen richtig gut. Ich bin auch spezialisiert auf Cover und Nippelrekonstruktion nach Brustkrebserkrankungen. Dabei wird eine Brustwarze optisch so wie die andere gestaltet. Tätowierer ist in Deutschland leider kein Lehrberuf. Zum Beispiel in Italien müssen bestimmte Seminare besucht worden sein, bevor man arbeitet. Das fände ich auch hier super.
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