Öffentlicher Nahverkehr

Viernheimer Busse oft leer – „eine Momentaufnahme“?

Große Stadtbusse fahren häufig beinahe ohne Fahrgäste durch Viernheim. Der Aufsichtsratschef der Stadtwerke hält mit Statistik dagegen.

Von 
Martin Schulte
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Der Viernheimer Stadtbus ist am Bannholzgraben unterwegs. Im Fahrgastraum befinden sich nur wenige Personen. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. Wohnsitz Viernheim, Bannholzgraben, eine Bushaltestelle unmittelbar vor der Haustür. Die Beobachtung: Außerhalb der Zeiten von Schulbeginn und -ende sind diese großen Busse hier in der Regel spärlich besetzt – wenn überhaupt. Bürgermeister Matthias Baaß ist Aufsichtsratschef der Stadtwerke, die den externen Dienstleister beauftragen. Er meint, das seien „Momentaufnahmen“ eines Einzelnen. Doch dieser Einzelne macht diese Aufnahmen bei intensiver Beobachtung auch an vielen anderen Haltestellen quer durch die Stadt. Laut Baaß könnte sich am viele Jahre lang praktizierten System in Kürze etwas ändern. Könnte.

Die Stadtbusse in Viernheim haben Sitzplätze für 40 Passagiere, 60 Stehplätze kommen laut Stadtwerken dazu. Macht zusammen 100. Ein solcher Bus schluckt laut Stadtwerken auf 100 Kilometer bis zu 35 Liter Diesel. Ist er voll belegt, also mit 100 Fahrgästen, sind das 0,35 Liter Diesel pro Kopf auf 100 Kilometer. Das ist im ökologischen Sinn wunderbar – in dieser Betrachtung. Nur sind diese Busse außerhalb der Schulzeiten chronisch unterbesetzt. Sie erscheinen dem Beobachter einfach zu groß für die paar Leute.

Nimmt man an, die 40 Sitze wären besetzt, kämen schon 0,9 Liter Diesel pro Kopf heraus. Bürgermeister Baaß entgegnet, laut Statistik der Stadtwerke seien die Busse mit durchschnittlich 22 Menschen besetzt. Jetzt sind wir schon bei 1,6 Litern pro Passagier.

Ist das nicht ökonomisch und ökologisch einfach schlecht?

35 Liter Treibstoff, statistisch 22 Fahrgäste von 100 möglichen, in den Durchschnitt von 22 fließen auch die vollen Busse zu Schulanfang und -ende ein. Die drei Zusatz-Fahrzeuge zu diesen Zeiten bleiben hier außen vor. Ist das ökologisch (Abgase, Verbrauch fossiler Brennstoffe) und ökonomisch nicht einfach nur schlecht? Von den Schäden auf den Straßen, die diese schweren Fahrzeuge verursachen, sprechen wir gar nicht.

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Auf die Fragen dieser Redaktion antwortet der Bürgermeister unter anderem: „Derzeit fahren in Viernheim zwischen 5.30 Uhr und 20 Uhr wochentags drei Busse im 30-Minuten-Takt und am Wochenende zwei Busse im Stundentakt auf zwei Linien. Dazu kommen drei Verstärkerbusse zum Schulbeginn und Schulende sowie Ruftaxis auf zwei Ruftaxilinien.“

Durch die Tickets der Fahrgäste kann das Angebot wohl kaum kostendeckend funktionieren. Baaß: „Das Defizit steigt regelmäßig aufgrund steigender Personal- und Energiekosten an, konnte jedoch bisher unter 400.000 Euro pro Jahr gehalten werden.“

In Lampertheim fahren Busse jetzt auf Abruf

Der Kreis Bergstraße hat im benachbarten Lampertheim gerade den „Bus on demand“, den Bus auf Abruf, eingeführt. Das sind kleinere Fahrzeuge, die auf Nachfrage kommen. Überlegungen, den in Viernheim weniger genutzten Sonntagsverkehr mit Kleinbussen abzuwickeln, hätten gezeigt, dass dann seitens des Unternehmers sowohl Normalbusse als auch Kleinbusse vorgehalten werden müssen, sagt der Bürgermeister. Dies treibe die Kosten deutlich nach oben und übersteige die Einsparungen bei den Treibstoffkosten. An den dominierenden Personalkosten ändere sich durch die Größe des Busses nichts.

Baaß gibt weiter zu bedenken, dass die Viernheimer Stadtbusse zu den Stoßzeiten oft mehr als 20 Personen gleichzeitig transportierten, ein Einsatz von Kleinbussen zu diesen Zeiten nicht ausreichend sei. Außerdem würden auch außerhalb der Stoßzeiten öfter größere Gruppen transportiert, etwa Kindergartengruppen, für die in Kleinbussen keine Kapazitäten gegeben seien.

Hinzu komme der Transport von Kinderwagen, Rollstühlen und Rollatoren, für diese Fahrgäste weite die Stadt die geeigneten Flächen in den Bussen aufgrund des steigenden Bedarfes gerade aus. Kleinbusse böten hier meist nur einen Platz für maximal einen Rollstuhl oder Kinderwagen.

„Wir sind gespannt auf die Erfahrungen in Lampertheim“

„Wir sind aber gespannt auf die Erfahrungen aus Lampertheim. Ein On-Demand-System ist sehr viel komplexer. Nach einem Betriebsjahr sollte sich zeigen, ob das Angebot genauso oder besser angenommen wird und welche Probleme damit verbunden sind. Leider sind die damit verbundenen Kosten öffentlich nicht verfügbar“, so Baaß.

2019 seien insgesamt 560.000 Nutzer der Stadtbusse gezählt worden, so der Aufsichtsratschef der Stadtwerke weiter. Der Zuschuss pro Fahrgast liege unter einem Euro. Noch einmal Statistik: „Bei den 87 Fahrten am 11. Mai 2023 stiegen insgesamt 1.920 Personen in die Busse ein. Dies ergibt einen Schnitt von 22 Personen pro Fahrt.“

Wegen der unterschiedlich starken Auslastung des Stadtbusses erwägt die Stadt Viernheim, ein On-Demand-System einzuführen. © Bernhard Kreutzer

Diese Redaktion hatte vor gut einem Jahr die hier beleuchtete Frage schon einmal an die Stadtverwaltung gerichtet. Damals hieß es, man wolle das mit einbeziehen, wenn die Dienstleistung neu ausgeschrieben wird. Diese Ausschreibung ist gerade im Gange. Baaß auf die Frage, warum Viernheim auf Lampertheims Erfahrungen warte, und nicht selbst proaktiv vorgehe: „Wir haben erdenkliche Alternativen in die Ausschreibung aufgenommen. Nur darf es am Ende nicht teurer werden als jetzt.“

Und: „Sobald autonomes Fahren möglich wird, könnte dies auf ein künftiges Stadtbussystem erhebliche Auswirkungen haben.“

Redaktion Reporter.

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