Hochwasser

Viernheim hat Lehren aus Starkregenereignissen gezogen

Von 
Karin Urich
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Viernheim. Wenn die Viernheimer Bürger in diesen Tagen die Bilder von den Fluten im Ahrtal sehen, werden Erinnerungen wach. Auch die Bruntlandstadt hat Starkregenereignisse erlebt - und zwar in den Jahren 2007, 2008, 2009 und 2010 . Dabei sind erhebliche Sachschäden entstanden, glücklicherweise aber keine Menschen gestorben. Wir haben im Archiv geblättert.

Am 12. Juni 2007 entlädt sich erstmals der Starkregen über Viernheim. Am frühen Nachmittag fällt so viel Niederschlag wie sonst durchschnittlich in einem knappen Monat. Hunderte von Kellern stehen unter Wasser, ganze Straßenzüge gleichen einer Seenlandschaft. Innerhalb eines halben Tages müssen 370 Einsätze gefahren werden. Die Viernheimer Feuerwehr bekommt die Lage nicht mehr in den Griff, sie alarmiert Kollegen aus der gesamten Umgebung.

Rhein-Neckar-Zentrum betroffen

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Betroffen sind nicht zuletzt zahllose Geschäfte und Betriebe, in der Innenstadt, aber auch im Rhein-Neckar-Zentrum. Dort kommen die Wassermassen sowohl aus Kanalisation als auch durch die Lichtschächte über der Ladenstraße. Einige Läden müssen schließen und sich ans Aufräumen machen. Volle Keller und nasse Räume melden unter anderem Krankenhaus, Hallenbad,Kulturscheune und fünf Tiefgaragen.

Am 26. Juli 2008 heißt es in ganzen Straßenzügen der Stadt erneut „Land unter“. Teilweise fallen in einer guten Stunde an die 60 Liter pro Quadratmeter - vor allem in der Weststadt, wo das Tiefpumpwerk Saarlandstraße völlig überlastet ist. Zudem legt ein Blitzeinschlag am Hauptabwasserwerk für einige Minuten die riesigen Pumpen lahm, die das Regenwasser fortschaffen sollen. Die Folge: Es staut sich in Nord- und Nordweststadt zurück. Zahllose Keller stehen unter Wasser. Und die Rettungskräfte sind erneut bis spät in die Nacht im Einsatz, um zu pumpen, was das Zeug hält.

Zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren laufen am 30. Juni 2009 die Keller in Viernheim voll. Wieder wird die Weststadt von einem Stark-regenereignis getroffen. Innerhalb einer knappen halben Stunde regnet es fast 40 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Im Rhein-Neckar-Zentrum helfen Schieber und Sandsäcke, das Schlimmste zu verhindern. Vom Unwetter betroffen sind dort die Umkleideräume, der Aufzugschacht und der Keller einer Arztpraxis. Verstärkung bekommen die Viernheimer Brandschützer aus Lampertheim, Hüttenfeld, Weinheim und Birkenau. Der Ortsverband des Technischen Hilfswerks kann auf die Kollegen in Lampertheim, Heppenheim und Bensheim bauen. Inklusive Sanitätern und Versorgungsleuten sind laut Wehrsprecher Michael Gastreich weit über 200 Personen an mehr als 130 Stellen des Stadtgebiets gefordert.

2010 macht der Starkregen den Viernheimern erneut zu schaffen. In der Nacht des 9. Juni prasseln zwischen 15 und 50 Millimeter Regen pro Quadratmeter auf Viernheim herunter. In der Weststadt saufen mehrere dutzend Keller ab. Das Rhein-Neckar-Zentrum schützt sich mit Sandsäcken gegen die Wassermassen, die da vom Himmel kommen. Die Feuerwehr eilt zu gut 75 Einsatzstellen. Mit den Pumpwerken der Stadt gibt es dieses Mal keine Probleme. Es sei gelungen, die Wassermassen zu bewältigen, auch wenn in einzelnen Straßen die Kanäle übergelaufen seien, bilanzierte der damalige Erste Stadtrat Martin Ringhof.

Bürger drohen mit Klage

Viernheim hat seine Lehren aus den Fluten gezogen und kräftig ins Kanalnetz investiert, um die Situation vor allem in der Weststadt und der Innenstadt zu entschärfen. Das geschieht allerdings nicht ohne Druck. Nach dem zweiten Starkregenereignis Ende Juni 2008 haben einige Flut-Geschädigte die Nase voll und kündigen Klagen gegen die Stadt an. Da trifft es sich gut, dass ein Fachbüro gerade den „Generalentwässerungsplan“ überarbeitet. Es schlägt Eingriffe ins Kanalnetz vor, die sich die Stadt in den kommenden Jahren etwa zehn Millionen Euro kosten lassen will. Dadurch steigen allerdings auch die Abwassergebühren.

Fünf Millionen Euro investiert

In einem ersten Schritt investiert die Stadt im Zeitraum von 2009 bis 2012 fünf Millionen Euro in neue Kanäle, die von der Beethovenstraße über Königsacker, Mönchhof- und Mannheimer Straße zum Kapellenberg laufen. Ihr Durchmesser ist in der Regel doppelt so dick wie vorher. Damit wird die Weststadt entlastet, wo das Pumpwerk in der Saarlandstraße mitunter an seine Grenzen stieß.

Rund ein Viertel des Gebiets wird über die „Südspange“ an die Heidelberger Straße angeschlossen. Dort liegt ein riesiger Sammelkanal, der mit einem Durchmesser von drei Metern in West-Ost-Richtung verläuft und 8200 Kubikmeter fasst.

Aber nicht nur die Kanalsanierung ist wichtig. Viernheim setzt als Brundtlandstadt auch auf die Entsiegelung von Flächen und bezieht dies in die Stadtplanung mit ein. Auch der BUND engagiert sich vor Ort und klärt Hausbesitzer auf, wie sie durch Sickermulden oder Sickerbeete ihren Beitrag leisten können. Die Maßnahmen erregen auch internationale Aufmerksamkeit. So ist im Februar 2012 eine brasilianische Delegation zu Gast, die sich im Bannholzgraben zum Thema Entwässerungskonzepte informiert.

2017 beschließt die Stadtverordnetenversammlung einen zweiten Sanierungsschritt. Es wird mit den Planungen für einen Entlastungssammler im Bereich Karl-Marx-Straße, Kreuzstraße, Siegfriedstraße, Illertstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Industriestraße bis auf Höhe der Einfahrt zum städtischen Bauhof begonnen. Das Pumpwerk Saarlandstraße wird einbezogen. Der Magistrat hat jetzt den Auftrag in Höhe von 17,2 Millionen Euro vergeben.

Im kommenden September sollen die langjährigen Planungen nun endlich in die Tat umgesetzt werden. Die Bauarbeiten werden abschnittsweise stattfinden. Die Details dazu stellt die Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken an diesem Freitag, 23. Juli, der Öffentlichkeit vor.

Redaktion Redakteurin im Produktionsteam

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