Viernheim. Passiert ist zum Glück nichts. Dennoch wirkt die nunmehr gut zwei Wochen zurückliegende Begegnung von zwei Schülern der Friedrich-Fröbel-Schule (FFS) mit einem weißen Lieferwagen nach: Bei den Eltern, die sich Sorgen machen, dass ihre Kinder von Fremden angesprochen werden könnten. Und bei der Polizei. Bernd Hochstädter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Südhessen, berichtet auf Anfrage dieser Redaktion von zusätzlichen Streifenfahrten im Umfeld der Grund- und Mittelstufenschule in der Viernheimer Weststadt. Die Kollegen hätten sich vor Ort genauer umgesehen. „Uns ist nichts Verdächtiges aufgefallen“, lautet nun sein Fazit.
Auffällig war indes die unterschiedliche Darstellung dessen, was sich am 22. Oktober zugetragen haben soll. In Briefen an Klassenlehrer und Schulelternbeirat hatte die Schulleitung kurz nach dem Vorfall mitgeteilt, zwei Kinder seien auf dem Nachhauseweg von einem Lieferfahrzeug bedrängt worden.
Der unbekannte Fahrer habe sie aufgefordert einzusteigen. Daraufhin hätten die Schüler laut um Hilfe gerufen. Ein Passant sei zur Unterstützung hinzugekommen, bevor der Wagen schließlich wegfuhr. Die Polizei beschrieb den Sachverhalt nach ihren Ermittlungen allerdings weniger dramatisch: Ein Lieferwagen sei langsam an den Kindern vorbeigefahren, der Fahrer habe einen der Schüler angesehen, hieß es damals. „Es wurde so interpretiert, dass er böse geguckt hat“, fügt Hochstädter noch hinzu.
Nachrichten erzeugen Verunsicherung bei Eltern
Wie es zu den voneinander abweichenden Beschreibungen kam, bleibt unklar. Die Schulleitung äußerte sich trotz mehrfacher Anfrage nicht zu dem Fall. Und das Staatliche Schulamt verwies gegenüber der Redaktion auf die Verantwortung der Polizei. Hochstädter sagt dazu: „Ich weiß nicht, woher die Informationen aus erster Hand waren.“ Möglicherweise seien die Erzählungen der Kinder von den Eltern und schließlich von der Schule ungefiltert übernommen worden. Vielleicht habe auch die Aufregung der Beteiligten dabei eine Rolle gespielt, mutmaßt er. „So kommt eine solche Diskrepanz zustande.“ Er habe nicht die Befugnis, die FFS-Leitung zu kritisieren, erklärt der Beamte. Gleichwohl sagt er: „Ich kann nur davor warnen, gleich mit Statements rauszugehen.“
Die über die sozialen Medien verbreiteten Nachrichten sorgten jedenfalls für große Verunsicherung bei den Eltern. Vermutlich um ihnen etwas die Angst zu nehmen, wandte sich Rektor Markus Taube dann nochmals direkt an die Erziehungsberechtigten. Das Rundschreiben, das dem „Südhessen Morgen“ vorliegt, deckt sich weitgehend mit den ersten Veröffentlichungen. Allerdings fehlt darin der Satz, dass die Kinder in den Lieferwagen gelockt wurden. Dieser spätere Brief sei mit der Polizei abgestimmt gewesen, bestätigt deren Sprecher.
Nach Angaben von Bernd Hochstädter erreichen die Polizei zahlreiche Meldungen, wonach sogenannte Kinderansprecher in der Region unterwegs seien. Man nehme diese Fälle ernst und ermittele – in der Regel ohne Ergebnis. Sollten Kinder auf solche Ereignisse aufmerksam machen, so der Beamte, komme es auf die richtige Fragetechnik des Gegenübers an. „Wichtig ist es, unaufgeregt mit den Kindern zu sprechen und ihnen keine Antworten vorzugeben.“
Die Betroffenen sollten ihre Sätze selbst formulieren und nicht nur mit Ja oder Nein antworten. Es sei unbedingt zu vermeiden, dass der Fragesteller durch sogenannte Suggestivfragen eine Richtung vorgibt. „Wir wollen in Erfahrung bringen: Was steckt dahinter? Welche Informationen sind gesichert?“, sagt Hochstädter. Um einen Sachverhalt aufzuklären, müsse man möglichst neutral bleiben. Genau so gingen seine Kollegen immer bei den Ermittlungen vor – unabhängig davon, wie alt ein Gesprächspartner sei.
Unterschiedliche Interpretation der Erlebnisse
Die Polizeibeamten machen Hochstädter zufolge häufig die Erfahrung, dass Kinder bestimmte Erlebnisse anders interpretieren als Erwachsene. Entscheidend könne auch sein, ob das Thema Kinderansprecher zuvor im Unterricht behandelt wurde. „Das spielt den Kindern danach manchmal einen Streich“, weist der Experte auf die beim Nachwuchs noch recht stark ausgeprägte Fantasie hin. Ob dies im konkreten Fall so war, kann der Pressesprecher nicht sagen.
Allerdings sollten die Lehrer den Vorfall mit dem weißen Lieferwagen im Nachgang mit den Schülern besprechen. In seiner ersten Nachricht bat Schulleiter Taube die Kollegen, die Kinder für solche Situationen zu sensibilisieren – altersgerecht und „ohne Panik zu verbreiten“. Dazu gab er den Pädagogen konkrete Verhaltensregeln für die Kinder an die Hand.
Hochstädter ist vor allem wichtig: „Wenn Kinder den Eindruck haben, da stimmt etwas nicht, dann müssen sie es auch sagen dürfen.“ Dabei sei die Polizei erster Ansprechpartner. Sie könne verifizieren, was hinter dem Fall steckt. Und dann gebe es immer noch die Möglichkeit, die Elternschaft gezielt zu informieren. Nicht hilfreich sei es, wenn bereits veröffentlichte Nachrichten wieder zurückgenommen werden müssten, erklärt der Beamte. „Das macht die Sache schwieriger.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Fröbelschule hat zu früh reagiert