Viernheim. Wie hat der Fußboden unter dem Verkaufsstand auszusehen? Welche Angaben zu den Inhaltsstoffen der Lebensmittel gehören auf die Speisekarte? Was ist bei der Kühlung zu beachten? Und wie oft muss sich das Personal die Hände waschen? Diese und unzählige weitere Fragen beantwortet ein Merkblatt zur Hygiene, das der Kreis Bergstraße Vereinen an die Hand gibt, wenn sie Feste veranstalten und ihre Gäste dabei kulinarisch verwöhnen wollen. Die Liste der Anforderungen geht über vier Seiten, an die sieben Hauptbereiche schließen sich noch viele Unterpunkte an. So manchem Vorstandsmitglied vergeht vermutlich schon beim Lesen die Lust, die Einladung zu verschicken – bei dem Aufwand, den die fortschreitende Bürokratisierung mit sich bringt. Doch damit nicht genug. Findet das Ereignis im öffentlichen Raum statt, erwartet die Stadt Viernheim ein Konzept, das die Sicherheit der Besucher gewährleistet. Dabei geht es zum Beispiel um die Zufahrt für Rettungsfahrzeuge. Aber auch um die Terrorabwehr, weshalb nun spezielle Poller angeschafft werden.
„Die Vereine schlucken erstmal“, sagt Erster Stadtrat Jörg Scheidel. Es sei schon sehr viel, was den Ehrenamtlichen bei der Vorbereitung zugemutet werde. Gleichwohl betont er, fast alle Vorgaben ergäben sich aus Landes- und Bundesgesetzen beziehungsweise der Hygieneverordnung der EU. Die Stadt sei letztlich nur für die Umsetzung verantwortlich – und helfe den Veranstaltern, die das Risiko tragen. Ansprechpartner vor Ort sind das Ordnungs- sowie das Kultur- und Sportamt. Wenn ein Klub die Durchführung eines Festes beantragt, bekommt er neben dem Dokument des Kreises die Erlaubnis zur „vorübergehenden Führung eines Gaststättenbetriebs“. Umgangssprachlich sei das die Schankgenehmigung, erklärt der zuständige Dezernent. Darüber hinaus seien grundsätzlich keine Auflagen zu erfüllen – es sei denn, die Art der Veranstaltung oder der Ort erforderten zusätzliche Schutzmaßnahmen.
Veranstaltungsort spielt bei der Bewertung eine wichtige Rolle
Scheidel nennt Beispiele: „Beim Sommerfest des CdG sowie beim Siedlerfest haben wir ein Sicherheitskonzept verlangt.“ Es beschreibt zunächst einmal die Wege für Rettungsdienst und Feuerwehr. Außerdem geht es darum, durch einen sogenannten Zufahrtsschutz zu verhindern, dass etwa ein Terrorist mit einem Lkw in die feiernde Menge rast. Beim Gartenfest des MGV seien solche Vorkehrungen hingegen nicht erforderlich gewesen. Die Einfriedung des vereinseigenen Geländes biete genug Sicherheit für die Gäste, erklärt der Erste Stadtrat. „Es hängt schlicht und einfach auch ein Stück weit vom Veranstaltungsort ab, welche Nachforderungen seitens der Stadt kommen“, fasst er die Rahmenbedingungen zusammen.
„Das Thema Sicherheit hat sich leider in den letzten Jahren durch die Anschläge verschärft“, sagt Scheidel. Früher habe man sich bei der Vorbereitung damit beschäftigt, eine ausreichende Anzahl an Toiletten bereitzustellen und eventuell Straßen abzusperren sowie Umleitungen einzurichten. „Aber das reicht heute nicht mehr“, erklärt der Erste Stadtrat. Brandschützer und Polizei seien bei größeren Veranstaltungen immer beteiligt, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein. Dabei räumt er ein: „Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht.“ Es bleibe zu hoffen, „dass sich die Lage entspannt, weil keine Anschläge mehr passieren“.
Mobile Sicherheitspoller
Öffentliche Veranstaltungen gelten als mögliches Ziel von Terroranschlägen oder Amokfahrten. Um die Besucher von Volksfesten, Märkten und Demonstrationen vor potenziellen Angreifern zu schützen, setzen Kommunen auf Zufahrtssperren.
Zum Einsatz kommen unter anderem Betonelemente und Sicherheitspoller. Die Stadt Viernheim setzt auf das Modell City-Safe . Dabei handelt es sich um jeweils drei miteinander verbundene überdimensionale Poller, die mit einem Hubwagen leicht zu versetzen sind.
Die Elemente sind 2,30 Meter lang und 1,10 Meter hoch. Das Gewicht pro Modul beträgt 900 Kilogramm .
Beim Aufprall eines Fahrzeugs verkeilen sich die Säulenspitzen und die Bodenplatte laut Hersteller unter dem Fahrzeug und bringen es in kurzer Zeit zum Stillstand. Selbst für Lkw sollen die Poller ein unüberwindliches Hindernis darstellen. wk
Aktuell aber spielen die sogenannten Zufahrtssperren eine wichtige Rolle bei der Planung. Klare Vorgaben dazu gibt es laut Scheidel aber nicht. Auch die Landespolizei mache keine eindeutigen Ansagen. Der Erste Stadtrat weist auf einen Erlass des Innenministeriums hin, der die Kommunen anhält, ein „gesundes Augenmaß“ walten zu lassen. Begründet worden sei dies mit der insgesamt geringen Wahrscheinlichkeit eines Anschlags, und weil es in der Regel „keine konkreten Anhaltspunkte einer solchen Gefahr“ gebe.
Kommune investiert 30.000 Euro in Schutzvorrichtungen
Die Stadt handele immer nach bestem Wissen und Gewissen, betont Scheidel. Um potenzielle Angreifer abzuhalten, wurden zuletzt größere Fahrzeuge als Hindernis aufgestellt. Bei der Straßenfastnacht im Frühjahr kamen von einer Firma ausgeliehene Betonelemente zum Einsatz. Doch jetzt stellt sich die Verwaltung noch besser auf: Nach einem entsprechenden Magistratsbeschluss wurden fünf zertifizierte Überfahrsperren bestellt. Die Module des Modells City-Safe bestehen aus drei nebeneinander stehenden überdimensionalen Pollern. Laut Scheidel bringen sie Fahrzeuge mit bis zu 7,5 Tonnen Gewicht „in relativ kurzer Zeit“ zum Stehen. Als Vorteil bezeichnet er es, dass sie mit kleinem Gerät zu versetzen sind. Darüber hinaus schafft die Verwaltung Betonblöcke an, um Veranstaltungen abzusichern. Die Kosten belaufen sich auf insgesamt rund 30.000 Euro. Ziel der Maßnahme sei es auch, für die eigenen Mitarbeiter „eine gewisse Sicherheit in juristischer Hinsicht zu bekommen“, erklärt der Erste Stadtrat.
Die Metropolregion Rhein-Neckar versucht derzeit, eine Kooperation der Kommunen bei der Anschaffung und der Lagerung der Sperren in die Wege zu leiten. Für Viernheim sei das bislang nicht in Betracht gekommen, sagt Scheidel dazu. Er erklärt dies damit, dass sich die Veranstaltungen, für die sie gebraucht werden, auf die wenigen warmen Monaten konzentrieren – und gleichzeitig alle Städte und Gemeinden darauf zugreifen wollten. Möglicherweise entstehe dann ein Engpass. Wenn die Stadt künftig weiteren Bedarf an Pollern habe, werde sie in den Nachbarstädten nachfragen, erklärt der Ordnungsdezernent.
„Mir ist völlig bewusst, dass es für viele Vereine erst einmal eine zusätzliche Last ist, wenn beispielsweise ein Sicherheitskonzept verlangt wird“, sagt der Erste Stadtrat. Andererseits dürfe man nicht vergessen, dass sie als Veranstalter in die Haftung genommen werden könnten. Somit dienen die Vorgaben laut Scheidel letztlich auch dem Schutz der Ehrenamtlichen vor Ort. „Dass wir uns überhaupt über solche Themen uns Gedanken machen müssen, ist eine andere Diskussion.“
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