Viernheim. Im Zusammenhang mit dem Weltfrauentag fand auf dem Apostelplatz eine Erzählrunde statt unter dem Motto: „Ich bin e Vernemer Fraa“. In einem Zelt und bei Kaffee und Kuchen konnten interessierte Frauen – und natürlich auch Männer – den Lebensgeschichten von vier Viernheimerinnen lauschen. Viernheim Connected, ein Kooperationsprojekt der Stadt Viernheim und dem Lernmobil, lud gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten Maria-Lauxen-Ulbrich und dem Museum zu dieser Veranstaltung ein.
„Mit dieser Veranstaltung möchten wir den Kreis zum Frauenmonat schließen. Es geht um die Sichtbarkeit von Frauen“, sagte Lauxen-Ulbrich. „Wir möchten einen Bogen in die Gegenwart spannen. Wie können Frauen aus der Vergangenheit Vorbilder sein? Wir wollen bewusst machen, was Frauen leisten“, so Elke Leinenweber, Leiterin der Abteilung Stadtgeschichte. „Wir haben mit vielen Personen aus Viernheim diskutiert und uns für vier Frauen entschieden“, sagte Dilek Ökmener-Sülük, Lernmobil.
Historikerin moderiert
Die Moderation übernahm die Historikerin Annick Benz: „Jeder kennt die männlichen Repräsentanten aus Viernheim, doch die Frauen prägten ebenfalls die Stadtgeschichte, man sieht es nur weniger.“
Zeit, dass sich da etwas ändert. Die erste Frau war Erna-Maria Geier (1923 bis 1994). Vorgestellt wurde sie von Michaela Mann vom Familienbildungswerk, das Geier 1964 gegründet hatte. „Wer kennt sie noch?“, fragte Mann in die Runde, und es gingen einige Finger hoch. „Sie ist noch immer eine Größe in Viernheim.“
Sie war Haushalts- und Wirtschaftslehrerin, Mitglied der CDU und eine engagierte Katholikin. Gemeinsam mit ihrem Mann Erwin war sie politisch aktiv, auch dann, als sie bereits sechs Kinder hatte. In Viernheim war sie Stadträtin, später Mitglied des hessischen Landtags, von 1976 bis 1983 im Bundestag. Nach der Familie Geier ist in Viernheim der Geierbuckel benannt. „Sie war kämpferisch, sie hätte für ihre Ideen alles gegeben“, zitierte Mann eine Tochter der Politikerin.
Die jüngste Frau des Quartetts
Die zweite Dame ist Jahrgang 1997 und damit die jüngste der vier: Lena Dieter, Para-Triathletin und Teilnehmerin an den Europameisterschaften 2017 und 2019, mehrfache Deutsche Meisterin. „Ich bin geburtsblind, nur hell und dunkel kann ich unterscheiden“, sagte Dieter, die in Viernheim aufwuchs und mit fünf Jahren mit dem Triathlon begann.
Zurzeit studiert sie an der Uni Mannheim auf Gymnasial-Lehramt, dabei kommt ihr die Digitalisierung sehr entgegen. „Ich habe einen Laptop mit Lesegerät, damit kann ich die Inhalte der Vorlesungen mitlesen. An der Uni gibt es nur geringe Barrieren“, so Dieter. Zurzeit stehe das Studium an erster Stelle, daher trainiere sie „nur noch 15 bis 20 Wochenstunden“. Über ihren Verein, den TSV Amicitia, meinte sie: „Die Trainer waren aufgeschlossen, ich wurde sehr gut inkludiert.“
Eine weitere Kämpfernatur
Um eine Kämpfernatur handelte es sich auch bei Merâl Candan Durakçay, DGB-Mitglied und Mitgründerin des Viernheimer Ausländerbeirats. „Ich kam mit meiner Mutter in den 1960er Jahren nach Deutschland. Ich wollte studieren.“ Ihre Familie war politisch engagiert, was Candan Durakçay stark beeinflusst hat. Die anfänglichen Probleme wie Wohnungssuche, Sprache und Geldmangel motivierten sie, etwas für nachkommende Migranten zu tun. 22 Jahre lang arbeitete sie bei der US Army, bis sie krankheitsbedingt aufhören musste. „Ich fühle mich nicht als jemand Besonderes, sondern bin eine von euch“, sagte sie zu den anwesenden Frauen, die daraufhin applaudierten.
Im Dritten Reich im Widerstand
Bei der vierten Frau handelte es sich um die Kommunistin und Widerstandskämpferin Maria Mandel (1905 bis 1965), vorgestellt von Annick Benz. „Mandel war KPD-Funktionärin und Mitglied der Roten Hilfe. Als die Partei von den Nazis verboten wurde, machte die Rote Hilfe als Untergrundorganisation weiter.“ Mandel traute sich so einiges. Im Keller ihres Viernheimer Elternhauses richtete sie eine „Vervielfältigungszentrale“ ein, wo sie illegale Flugblätter druckte, mit denen sie über den NS-Terror aufklärte. Zum Verteilen gab es im Untergrund ein ganzes Netzwerk, mit einer Verteilungsstelle in Mannheim. Mandel überlebte die Nazizeit, war allerdings mehrere Male in so genannter „Schutzhaft“ – eines der perfiden Machtinstrumente der Nazis. Nach dem Krieg engagierte sich Mandel im Viernheimer Gemeinderat.
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