Viernheim. Wer Michael Silva begegnet, spürt sofort seine Begeisterung für Bücher, Bildung und den digitalen Wandel. Mit dem neuen Leiter der Stadtbibliothek Viernheim wird die Einrichtung weiterhin „Bücher zum Anfassen“ bieten, will aber auch mit neuen Entwicklungen der Wissensvermittlung vertraut machen. Silva (47) sagt: „Wer sich mit diesen Entwicklungen beschäftigt, braucht keine Angst davor zu haben.“
Silva ist mit der Neugierde auf zwei Welten groß geworden: Sein Vater kam als Schreiner aus Portugal nach Deutschland. Als er in seine Heimat zurückkehren wollte, bat ihn sein Chef: „Bitte bleib und hole deine Frau nach.“ So folgte seine Frau aus Lissabon nach Weinheim. In Weinheim sind Michael und sein Bruder geboren und aufgewachsen. Bis heute besucht Michael Silva jedes Jahr Portugal. Er hat noch erlebt, wie Verwandte auf dem Land die Steine für ihren Hausbau auf Kühen und über ungeteerte Wege aus den Bergen geholt haben. Er sagt: „Meine Eltern haben mir Werte wie Respekt, Engagement und Offenheit vermittelt – vor allem aber die Überzeugung, dass Bildung der Schlüssel für eine bessere Zukunft ist.“
Bibliotheken als Orte des technischen Wandels
Nach der Realschule entschied sich Silva für die Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste in der Weinheimer Stadtbibliothek. „Ich habe mich für den technischen Wandel interessiert. Ich wusste: Die Bibliotheken gehören zu den Orten, in denen dieser Wandel stattfand.“ Er half in der Zweigstelle der Weinheimer Bibliothek in der Weststadt bei der Umstellung auf digitale Systeme. „Plötzlich konnten Bücher elektronisch erfasst und direkt am Computer ausgeliehen werden. Für mich ist die Bibliothek nie nur ein Ort der Bücher, sondern immer auch ein Labor für Neues – ein Tor zur Welt des Wissens“, sagt er.
Nach einer Station in der Mannheimer Universitätsbibliothek kam Silva 1999 zur Viernheimer Stadtbibliothek, deren Leitung er zum 1. September übernommen hat. Hier begleitete er die Nutzer beim nächsten großen Schritt der digitalen Revolution: Er entwickelte Konzepte, organisierte Internet-Kurse für Senioren, leitete Workshops zur Nutzung von Suchmaschinen und machte Menschen aller Generationen mit den neuen Möglichkeiten vertraut.
Der nächste Meilenstein folgte: die Einführung des E-Books. Silva trug dazu bei, dass die Bibliotheksnutzer nicht mehr nur auf gedruckte Bücher zugreifen konnten, sondern Literatur und Sachmedien auch digital ausleihen konnten. Parallel engagierte er sich im hessischen Online-Verbund der Bibliotheken, vor allem in der Arbeitsgruppe „Support“, um den Ausbau von E-Medien in ganz Hessen voranzutreiben. Er sagt: „Wir haben nicht jedes Buch, aber wir können häufig den Online-Zugang zu E-Books anbieten.“
Neben dem Beruf absolvierte Silva eine Weiterbildung zum Fachwirt im Bibliothekswesen. Für seine Hausarbeit untersuchte er, ob und wie neue Angebote wie Robotik-Projekte oder 3D-Druck-Workshops angenommen werden. In einem Projekt durften Kinder mit Lego-Baukästen Roboter bauen. „Das Projekt förderte das Miteinander“, erklärt Silva. „So hat ein Mädchen aus Afghanistan Hilfe von anderen Kindern erhalten, bis sie sich mehr traute.“ Er fügt hinzu: „Das zeigt, dass Bibliotheken Orte sein können, an denen Tradition und Innovation Hand in Hand gehen.“
Traditionelle Bücher sollen in der Bücherei nicht vergessen werden
Vor rund einem Jahr hat Silva beim Bibliotheksleitertag einen Wettbewerb gewonnen. Er präsentierte ein KI-generiertes Bild, das seine Vision einer Bibliothek der Zukunft zeigt: „Ein Ort, an dem analoge und digitale Welten miteinander verschmelzen, an dem Wissen vermittelt wird, Orientierung gegeben wird und dem der Menschen Vertrauen schenkt.“
Trotz aller Digitalisierung werden Silva und sein Team die traditionellen Bücher nicht aus dem Blick verlieren. Er sagt: „Kinder und Jugendliche müssen wieder erleben, wie spannend es ist, ein Buch in die Hand zu nehmen. Lesen fördert nicht nur die Fantasie und die Allgemeinbildung, sondern auch Rechtschreibung. Das sind Kompetenzen, die in Zeiten von Smartphones und sozialen Medien oft zu kurz kommen.“
Veranstaltungen, Kurse und Vorträge sollen die Bibliothek zum Treffpunkt machen
So werden in Zukunft im Eingangsbereich der Bibliothek nicht nur die Bestseller der Spiegelliste, sondern auch Jugendbuchtrends, zum Beispiel aus der BookTok-Community präsentiert werden. „Wir wollen auch die Leseförderung in Kindergärten, Schulen und Jugendeinrichtungen fördern“, sagt Silva.
Der neue Leiter hat große Pläne: Die E-Learning-Angebote sollen ausgebaut und neue Formate für digitale Bildung und Integration entwickelt werden. Silva denkt hier an Sprachkurse, Online-Weiterbildungen und Lernangebote speziell für Familien und Jugendliche. Kulturelle Veranstaltungen, Robotik-Kurse oder Vorträge sollen die Bibliothek zu einem Treffpunkt machen. In 3D-Druck-Workshops sollen die Teilnehmer zum Beispiel lernen können, wie man ein Ersatzteil herstellen kann. Er sagt: „All diese Pläne werden wir gemeinsam im Team schaffen.“
Silva ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Sein Hobby ist das Kochen, auch Gerichte aus Portugal. Vor allem aber widmet er seine Freizeit gerne seiner Familie. Aber er engagiert sich auch im Ehrenamt für einen geistig behinderten Jugendlichen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/viernheim_artikel,-viernheim-das-plant-der-neue-buecherei-chef-in-viernheim-_arid,2329203.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/viernheim.html