Schriesheim. Dienstagmittag. Der Weinladen der Winzergenossenschaft Schriesheim macht Mittagspause. Nur Manuel Bretschi, der Geschäftsführer, ist noch bei der Arbeit. Und erspäht aus dem Fenster seines Büros vor dem Eingang eine Gruppe von fünf Herren. Sichtlich beratend, gestikulierend, Handy am Ohr. Bretschi geht hinaus.
Und trifft auf Amerikaner - Gastronomen aus Washington, Florida und der Karibik, auf Wein-Erkundungstour in Deutschland. Der Schriesheimer ergreift die Gelegenheit, kredenzt Proben seiner besten Tropfen, marschiert mit den Gästen durch die Weinberge. „Die waren ganz schön angetan“, erzählt er und lacht: „Jetzt bin ich mal gespannt. Bei den Amis weiß man ja nie.“
Ganz ausgeschlossen also nicht, dass demnächst eine Bestellung von der anderen Seite des Atlantiks kommt. Es wäre ein weiterer Erfolg für Bretschi, der in den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit schon so Einiges auf den Weg gebracht hat.
Weinabsatz gesunken: Schriesheimer Winzer setzen auf Marketing statt Billigpreise
Insofern scheint er der richtige Mann zur richtigen Zeit. Denn nötig sind derartige Innovationen allemal. In den zurückliegenden Monaten ist der Weinabsatz in Deutschland um 14 Prozent gesunken, nicht zuletzt auf Grund der verschlechterten ökonomischen Rahmenbedingungen für viele Verbraucher. Die Schriesheimer WG konnte sich von diesem Trend jedoch abkoppeln: „Wir hatten noch nie so gute Zahlen.“
Gleichwohl für Bretschi kein Anlass, die Hände in den Schoß zu legen. „Der Markt verändert sich massiv und rasant“, weiß er. Es gilt, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Mit einer Billigpreis-Politik geht das nicht: „Dazu sind unsere Produktionskosten angesichts der Rahmenbedingungen wie den Steillagen zu hoch.“ Bleiben Qualität - die ist schon lange Ziel bei der WG - und intelligentes Marketing. „Es muss eine emotionale Bindung zwischen Produkt und Kunden geschaffen und langfristig aufrechterhalten werden“, formuliert Bretschi als Ziel.
Das neue Erscheinungsbild ist dabei ein kleiner, aber wichtiger und auf den ersten Blick sichtbarer Baustein. So werden die schlanken Bordeaux-Flaschen durch eher „bauchige“ Burgunder-Flaschen ersetzt: „Die sind jetzt allgemein angesagt“, weiß Bretschi. Und sie alle erhalten ein einheitliches Erscheinungsbild, neudeutsch Corporate Design genannt.
Nachdem die Strahlenburg bereits vor einiger Zeit deutlicher stilisiert wurde, wird die Farbe der Etiketten fortan lila, je höher die Qualität des Weins im Innern desto dunkler. Die Ecken der Etiketten sind abgeschnitten, symbolisieren damit die Steillagen, die für Schriesheims Weinbau so charakteristisch sind.
Schriesheimer Wein: Schriesecco gibt es jetzt mit Drehverschluss
Damit nicht genug mit Neuerungen: Der Schriesecco, traditioneller Verkaufsschlager der WG, ist fortan in Flaschen mit Drehverschluss. Das hat zwar den Vorteil, dass der Inhalt frischer bleibt, aber einen ganz anderen, eher praktischen Grund: „Es gibt nur noch zwei Firmen, die dafür die Korken herstellen.“
Zugleich intensiviert die WG ihre Marketing-Aktivitäten im Internet, und dies aus gutem Grund: „Bereits heute werden zehn Prozent des Absatzes online erzielt“, berichtet Bretschi: „Und das wird weiter zunehmen.“ Auch die Vertriebswege werden sich damit ändern: „Da kommen die Leute nicht mehr in den Laden, sondern erhalten den Wein nach Hause“. Entweder normal über DHL oder mit eigenen Wagen der WG ausgefahren. „Ab zwölf Flaschen ist das übrigens versandfrei“, sagt Bretschi.
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Auch die Internetseite der WG sowie ihre Präsenz auf den Kanälen verschiedener Sozialer Medien wurden verbessert. „Mit unserem Produkt können wir ja schöne Bilder zeigen, Geschichten erzählen.“ Und die positiven Folgen sind bereits sichtbar: „Die Zahlen unserer Follower steigen stetig.“
Stand auf der Buga hat Geschäft angekurbelt
Wichtig bleiben dennoch die Aktivitäten vor Ort: „Sichtbarkeit ist ein ganz wichtiger Punkt.“ Und dabei wird Mannheim ein noch größerer Schwerpunkt als bisher schon: „Mannheim ist für uns ein wichtiger Markt“, begründet Bretschi. Auch wenn ihm natürlich bewusst ist, dass die Quadratestadt weinmäßig noch sehr Pfalz-orientiert ist: „Aber das muss ja nicht so bleiben“, schmunzelt er.
Eine Erfolgsgeschichte auf diesem Weg ist der Auftritt der WG bei der Buga. „Wie ein Sechser im Lotto“, bekennt Bretschi: „Unser Stand dort hat voll eingeschlagen.“ Auch das finanzielle Engagement hat sich damit voll gelohnt - nicht nur beim Absatz von Wein: „Die Dubbegläser gehen weg, so dass wir mit dem Bestellen gar nicht nachkommen.“
Nach fünf Jahren Pause ist die WG außerdem bei der Messe „Wein und Genuss“ in der Mannheimer Innenstadt wieder mit dabei: „Viele kommen, weil sie uns auf der Buga kennengelernt haben“, berichtet Bretschi von dem Schneeball-Effekt.
Kooperation mit Kultureinrichtungen
Hinzu treten inzwischen Kontakte zu verschiedenen kulturellen Einrichtungen wie den Reiss-Engelhorn-Museen und dem Nationaltheater. „Unsere Zielgruppen sind ja nahezu identisch“, begründet Bretschi: „Wer kulturell interessiert ist, der ist in der Regel auch für ein gutes Glas Wein ansprechbar.“ Aber auch Kooperationspartner aus völlig anderen Bereichen sind für die WG denkbar und bereits angedacht; Details werden noch nicht verraten.
Langfristig jedoch ist für Bretschi eine regionale unternehmerische Kooperation unerlässlich, in welcher Form auch immer. Im Dezember 2021 wurde sie mit der Heppenheimer WG bereits angestoßen. Doch Krisenerscheinungen wie höhere Kosten und schwierigerer Absatz, dazu eigene Vertriebsaktivitäten der Schriesheimer sorgten dafür, dass man damit nicht so schnell vorankommt wie damals von manchen erhofft: „Jeder musste nun mal erst seine eigenen Hausaufgaben machen.“ Dass man dem angedachten Zeitplan hinterherhinke, sieht Bretschi nicht: „Wir hatten keinen konkreten Zeitplan, insofern können wir auch keinem hinterherhinken.“
Straßenfest und Weinlese
Am kommenden Wochenende geht es erstmal aufs Schriesheimer Straßenfest, bei dem die WG im Weindorf und am Stadtbrunnen präsent ist. Und bereits einen Tag nach dem Event beginnt die Weinlese, zunächst mit dem Federweißen, am 11. dann wohl regulär mit der Sorte Müller-Thurgau. Aber das ist noch in der Schwebe: „Diesmal ist ganz besondere Flexibilität nötig.“
Denn der Sommer war zwar heiß, was den Trauben mächtig Power verpasst hat, danach jedoch lange feucht. „Dadurch ist der Pilzdruck enorm“ (auch wenn es den Schriesheimern damit noch besser ergeht als ihren Kollegen in Südbaden, die unter Hagel zu leiden hatten). Insofern sagt Bretschi voraus: „Das wird ein spannender Herbst.“
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