Interview

Schriesheims Bürgermeister Oeldorf: „Die Haushaltslage wird brenzliger“

Große finanzielle Sprünge sind auch in Schriesheim nicht mehr möglich. Herausfordernde Zeiten für Bürgermeister Christoph Oeldorf. Im Interview spricht er auch über Geflüchtete und mögliche Windräder an der Bergstraße

Von 
Konstantint Groß
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Aufgeräumte Stimmung am Ende eines schwierigen Jahres: Bürgermeister Christoph Oeldorf (r.) stellt sich den Fragen von „MM“-Redakteur Konstantin Groß. © Marcus Schwetasch

Schriesheim. Finanzen, Geflüchtete, Schulsanierung, Windkraft – Themen im Jahresgespräch des „MM“ mit Schriesheims Bürgermeister Christoph Oeldorf.

Herr Bürgermeister, eine beliebte Frage im legendären FAZ-Fragebogen lautet: Ihre aktuelle Gemütslage? Was würden Sie sagen?

Christoph Oeldorf: Angesichts der Rahmenbedingungen ganz gut.

Zufrieden?

Oeldorf: Nein, zufrieden nicht. Wie gesagt: angesichts der Probleme.

„Nicht jeder Tag ist schön, aber ich habe noch keinen Tag bereut.“ © Marcus Schwetasch

In den vergangenen Jahren war Ihre Amtsführung behindert von Corona, vom Einspruch gegen Ihre Wahl, vom Datenangriff. Sind Sie jetzt wieder im Normalmodus?

Oeldorf: Ich bin im Normalmodus, aber wie alle Kollegen behindert durch äußere Einflüsse, die einfach nicht wegzudiskutieren sind. Wir sind nicht mehr so handlungsfähig wie vor fünf oder zehn Jahren.

Der von Ihnen im Wahlkampf versprochene „neue Schwung“ ist von vielen noch nicht recht zu erkennen. Erkennen Sie ihn schon?

Oeldorf: Ich glaube, wir haben in vielen Dingen schon Einiges erreicht, wenn auch mit Sicherheit nicht in allen, die wir gerne hätten.

Können Sie Beispiele nennen?

Oeldorf: Im Wahlkampf haben wir zum Beispiel diskutiert, was wir bei den Vereinen machen können. Und in diesem Mai hat sich die Vereinsgemeinschaft Schriesheim gegründet. Ich denke, das ist ein Meilenstein, was die Vereinslandschaft angeht. Und auch den Zeitplan in Sachen Kindergarten halten wir ein.

Den haben Sie aber von Ihrem Vorgänger übernommen?

Oeldorf: . . . den man aber auch einhalten können muss.

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Es gab eine Kommunalwahl, die nun zu acht Gruppierungen im Gemeinderat geführt hat. Wie sehen Sie diese Zusammensetzung?

Oeldorf: Die Fragmentierung macht es schwieriger im „daily doing“. Aber sie ist natürlich auch ein Abbild der Bevölkerung. Aber ich hoffe, dass sich bei wichtigen Fragen dennoch Mehrheiten im Rat bilden.

Was ist denn Ihre politische Basis?

Oeldorf: Ich bin für die Freien Wähler im Kreistag, habe ein CDU-Parteibuch und eine Grüne geheiratet. So werden es von den großen Fraktionen CDU und Freie Wähler sein.

Die Grünen aber weniger?

Oeldorf: (lacht) Das mag so sein.

Mit wem stimmen Sie sich im Vorfeld ab zu wichtigen Themen – außer mit Frau Breitenreicher?

Oeldorf: (lacht) Mit allen, die sich mit mir abstimmen wollen.

Die neue Legislatur hat mit einem Knaller begonnen: mit der Abwahl von Frau Tuncer, Ihrer Gegenkandidatin von 2021, als Vizebürgermeisterin. Stecken Sie dahinter?

Oeldorf: Nein. (längere Pause)

Ist das alles?

Oeldorf: Ich habe das nicht initiiert. Man hat mir irgendwann zugetragen, dass dies eine Option sein könnte. Ich habe gesagt: Freunde, klärt das untereinander. Ich war auch nicht in der Situation, dass ich das hätte beeinflussen können.

Thema Haushalt: Wie sind die aktuellen Rahmenbedingungen?

Oeldorf: Schlecht! Selbst die ersten Zahlen zeigen, dass wir auch in Schriesheim nicht viele Möglichkeiten haben zu agieren, sondern die Haushaltslage eher kritischer, ja brenzliger wird und wir an der einen oder anderen Stelle größere Projekte schieben bzw. verschieben müssen.

Hat die Hängepartie beim Bundeshaushalt Auswirkungen auf die Stadt, Stichwort Zuschüsse?

Oeldorf: Aktuell nicht. Aber es macht natürlich Planungen für die Zukunft in diesem Bereich nicht einfacher.

Auch nicht beim Schulzentrum?

Oeldorf: Die sind durch.

Christoph Oeldorf

  • Geboren: Am 30. Juni 1978 als Sohn des Hirschberger Bürgermeisters Werner Oeldorf.
  • Familie: Ehefrau Laura und Sohn Jonathan (3 Jahre).
  • Ausbildung: Studium Jura in Mannheim, Politik in Heidelberg, Magister. Studium „Public Management“ Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, Master of Arts.
  • Kommunalpolitik: Gemeinderat in Hirschberg, 2017 Bürgermeister von Wilhelmsfeldseit 2022 in Schriesheim

 

Zweites großes Bundesthema, das Kommunen betrifft, ist die Unterbringung von Geflüchteten. Dazu hört man in Schriesheim gar nichts mehr. Also alles in Butter?

Oeldorf: Da mache ich den Schriesheimern ein Riesenkompliment, dass uns Wohnraum angeboten wurde und wir in den allermeisten Fällen auf dezentrale Unterbringung zurückgreifen können. Aber, es ist auch kein Geheimnis: Die Leistungsfähigkeit ist endlich, um nicht zu sagen erschöpft. Wenn wir größere Zugänge verzeichnen würden, wären wir nicht mehr so handlungsfähig.

Haben Sie den bundesweiten Rückgang der Zahlen gespürt?

Oeldorf: Wir sind nicht mehr in den Spitzen wie am Anfang des Ukrainekriegs. Das haben wir deutlich gemerkt. Wenn wir aber die internationale Lage sehen – Syrien, Libanon, Gaza –, dann vermag ich nicht zu prognostizieren, ob das so bleibt.

Grundsteuer: Da haben Sie kräftig vom Leder gezogen gegen das Land. Was macht Sie so wütend?

Oeldorf: Dass ein Ministerium in eine kommunale Angelegenheit eingreift – das ist ein grundsätzliches Thema des Miteinanders. Und zum Zweiten, dass man beim Transparenzregister von Schätzungen ausgeht. Damit werden bei den Leuten Erwartungen geweckt, die womöglich so nicht zu erfüllen sind.

Weiteres Thema: Die Umlandgemeinden werden bei der Schulsanierung nun zur Kasse gebeten. Da kommen Millionen rein – ein unverhoffter Geldsegen für die Stadt.

Oeldorf: Es ist eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite ist es schön, dass wir eine gewisse finanzielle Entlastung diskutieren können. Auf der anderen Seite ist es gerade in der Kombination „müssen“ und „im Nachhinein“ nicht die beste Gesprächsbasis mit den Kommunen außen herum. Aber wir sind von diesem Urteil alle überrascht worden.

Sie waren selbst Bürgermeister von Wilhelmsfeld. Kann eine solche sehr kleine Gemeinde einen siebenstelligen Betrag stemmen?

Oeldorf: Nein, ich glaube, das geht nicht. Das würde sehr schwierig. Aber wir als Stadt Schriesheim sind gezwungen, so zu agieren.

„Ich denke schon, dass ich in Schriesheim angekommen bin.“ © Marcus Schwetasch

Windkraft: Da scheint Dossenheim in der Meinungsbildung weiter zu sein als Schriesheim. Bürgermeister Faulhaber will das. Von Ihnen hört man dazu nichts. Im Gegenteil: Im Wahlkampf äußerten Sie sich kritisch zur Windkraft.

Oeldorf: Die Zeiten haben sich, was das betrifft, drastisch geändert. Spätestens seit der Gaskrise im Zuge des Ukrainekriegs hat diese Form der Energiegewinnung einen anderen Stellenwert auf kommunaler Ebene.

Auch für Sie?

Oeldorf: Auch für mich. Und das ist auch der Grund, warum wir uns dem Thema widmen sollten und dies auch getan haben.

Und die Differenz zu Dossenheim?

Oeldorf: Ich glaube einfach, Dossenheim ist zehn Jahre weiter. Die haben das schon viel früher ausführlicher in den Gremien vorberaten und sind daher in ihrer Meinungsfindung auf einem ganz anderen Stand als wir. Bei uns war das vor meiner Amtszeit noch nie Thema im Rat.

Und wenn die Beschlussfassung der Gremien beider Kommunen unterschiedlich ausfällt, also Dossenheim ja, Schriesheim nein?

Oeldorf: Dann ist das so. Dann wird es in Schriesheim keine Windräder geben.

Aber Windenergie ist doch ein privilegiertes gesellschaftliches Ziel?

Oeldorf: Wenn der Gemeinderat das dafür benötigte Grundstück nicht zur Verfügung stellt, können Sie privilegiert sein wie Sie wollen.

Die Windkraft-Gegner fordern ja einen Bürgerentscheid. Stehen Sie dem positiv gegenüber?

Oeldorf: Der Gemeinderat müsste darüber nachdenken, ob er das möchte. Wir müssen abwarten, bis die Beratungsergebnisse da sind.

Ich fragte nach Ihrer Haltung.

Oeldorf: Naja, es macht schon Sinn, dass das gewählte Gremium die Verantwortung übernimmt. Ich bin jetzt aber auch nicht grundsätzlich gegen eine Bürgerbeteiligung.

Wie geht es beim Dauerbrenner „Gärtner-Gelände“ weiter?

Oeldorf: Uns gehört das Grundstück nicht, wir sind nicht Investor. Jetzt ist es Zeit, dass sich Eigentümer und Investoren finden und einigen. Die Stadt ist jetzt erst einmal raus.

Sie wurden 2021 gewählt, die Neuwahl ist 2029, im kommenden Jahr ist also quasi Halbzeit. Das schreit geradezu nach der Frage: Treten Sie 2029 wieder an?

Oeldorf: Nicht jeder Tag ist schön, aber ich habe noch keinen Tag bereut. Das ist heute immer noch so – bei aller Problematik, die das Amt des Bürgermeisters heute hat, die ganz anders ist als noch vor Jahren. Nichtsdestotrotz bin ich noch keinen Tag so demotiviert, dass ich sagen würde: Ich höre auf. Also: Ich will. Mal sehen, was der Rest macht.

Sind Sie inzwischen emotional in Schriesheim angekommen?

Oeldorf: Ich bin kein Ur-Schriesheimer, denke aber schon, dass ich in Schriesheim angekommen bin. Zumindest wird mir das oft gespiegelt.

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