Grundsteuer

Warum Oeldorf das Stuttgarter Finanzministerium attackiert

Heftige Kritik richtete Schriesheims Bürgermeister Christoph Oeldorf in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Stuttgarter Finanzministerium. Grund ist dessen Verfahrensweise in Sachen Grundsteuer.

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Konstantin Groß
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Bürgermeister Christoph Oeldorf (l.) ist verärgert über das Vorgehen des vom Grünen Danyal Bayaz geführten Stuttgarter Finanzministeriums. © Marcus Schwetasch/dpa

Schriesheim. Christoph Oeldorf ist nicht gerade für Gefühlsausbrüche bekannt. Vielmehr verfolgt der Bürgermeister von Schriesheim viele Ereignisse nach außen hin zumeist gelassen, fast stoisch, ja teilnahmslos, wie Kritiker ihm vorwerfen. Am Mittwochabend jedoch bricht es aus ihm heraus: In noch nie erlebter Vehemenz attackiert er im Gemeinderat das vom Grünen-Politiker Danyal Bayaz geführte Finanzministerium des Landes – und zeigt damit, wie sehr bei Kommunalpolitikern die Nerven blank liegen bei dem Thema.

Denn dieses Thema, das ist die Grundsteuer B. Eines, das eben „jeden betrifft, ob Eigentümer oder Mieter“, wie CDU-Fraktionschef Michael Mittelstädt zurecht formuliert, und das daher alle bewegt. Die Neubemessung ordnet 2018 das Bundesverfassungsgericht an. Das Finanzministerium des Landes hat aufkommensneutrale Hebesätze für jede Gemeinde geschätzt und im Internet veröffentlicht, für Schriesheim zwischen 151 und 167 Prozent. Transparenzregister nennt sich das.

„Ich muss es an dieser Stelle einfach mal mir von der Seele reden“, beginnt der Rathaus-Chef seine Philippika gegen Stuttgart: „Ich war geschockt, als dieses Transparenzregister des Finanzministeriums online gegangen ist und Zahlen darin standen, die wir selbst nicht kannten“, erklärt der Bürgermeister und greift das Ministerium frontal an: „Wie kann sein, dass es erstens eine Aufgabe übernimmt, die es nicht hat“ – denn die Festsetzung der Grundsteuer sei ur-kommunale Kompetenz. „Und zweitens Zahlen zu Grunde legt, die geschätzt sind, die selbst die Finanzämter beziehungsweise die Kommunen nicht haben beziehungsweise nicht erheben konnten.“ Und diese „dann auch noch ungefragt veröffentlicht.“

Neben diesem Prozedere ärgert Oeldorf die Folgewirkung, mit der sich die Kommunen herumschlagen müssten: „Ich fand es wirklich befremdlich, dass hier auf Grund geschätzter Zahlen mehr oder minder augenscheinlich eine Anspruchshaltung, ja eine Erwartungshaltung begründet wurde, deren Grundlage ich mir bis heute nicht wirklich erklären kann.“ Und: „Ich glaube nicht, dass es besonders klug war im Sinne der Bevölkerung, Erwartungen zu wecken, die schlicht und einfach nicht eingehalten werden konnten.“

Entscheidend für alle ist, dass die Einnahmen konstant bleiben

Die Folgen sind da: In den zurückliegenden Wochen, so berichtet Oeldorf, sei er von verschiedenen Seiten gedrängt worden, sich an den niedrigeren Hebesätzen der Umlandgemeinden zu orientieren. Das jedoch lehnt er ab: „Die Kommunen sind auf Grund der Struktur ihrer Grundstücke nicht vergleichbar.“ Es gebe jene, die auch mit einem Hebesatz von 105 aufkommensneutral bleiben können, aber andere im Kreis, die ihren Hebesatz zu diesem Zweck sogar verdoppeln müssen. Aufkommensneutralität, das heißt die Notwendigkeit, so viel Grundsteuer einzunehmen wie bisher, ist auch für Oeldorf das entscheidende Kriterium der Neufestsetzung: „Die Stadt Schriesheim muss hier zumindest aufkommensneutral arbeiten, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.“

„Je größer das Grundstück, desto höher die Grundsteuer“

Um die 2,4 Millionen Euro des Vorjahres zu erreichen, schlägt die Verwaltung einen Hebesatz von 175 Prozent vor – also mehr, als es das Transparenzregister vorgibt. Hauptamtsleiter Dominik Morast erläutert anhand von neun Beispielen, was dies für einzelne Grundsteuerpflichtige bedeutet: Besitzer von Eigentumswohnungen und Reihenhäusern zahlen weniger, Hausbesitzer mit großem Gelände mehr: „Je größer das Grundstück, desto mehr steigt die Grundsteuer.“ Unbebaute Grundstücke können sich sogar um bis zu 700 Prozent verteuern.

Die Neufestsetzung erhält im Rat breite Unterstützung. Allseits wird betont, dass die Stadt damit nicht mehr Geld machen will, wie Hannah Mieger-Höfer (Grüne) versichert. Allerdings gibt Nadja Lamprecht (Freie Wähler) zu bedenken: „Auch bei einem aufkommensneutralen Hebesatz müssen manche mehr, andere weniger bezahlen.“ Wolfgang Renkenberger (FDP) nennt als Beispiel für Härtefälle „der Oma ihr klein Häuschen, kleine Rente, aber große Immobilie“. Hilmar Frey (ISB) hat Trost für Mehrzahler: „Ihr Grundstück ist jetzt auch mehr wert.“

Doch so wie sich alle bekennen, nicht mehr einnehmen zu wollen, so machen sie klar, dass es auch nicht weniger sein darf. „Die Grundsteuer ist eine unserer wichtigsten Einnahmen“, erinnert Michael Mittelstädt. Und weist auf einen weiteren wichtigen Umstand hin: Geht die Stadt mit der Grundsteuer zu sehr runter, wird angesichts ihrer schlechten Finanzlage die Rechtsaufsichtsbehörde darauf drängen, sie zu erhöhen.

Zuweilen blitzt der Wahlkampf auf. Etwa bei SPD-Fraktionschef Sebastian Cuny, der auch Landtagsabgeordneter in Stuttgart ist, wo die Sozialdemokraten in Opposition zur grün-schwarzen Koalition stehen: „Das hat die Landesregierung so entschieden“, kommentiert er das in Baden-Württemberg geltende Modell: „Und diese Härten, die jetzt auftauchen, waren doch absehbar.“

„Finanziell werden vor allem Hausbesitzer getroffen“, kritisiert Peter Schmitt (AfD): „Ob dies die Absicht der Landesregierung ist oder nicht, möge jeder für sich selbst entscheiden.“ Gleichwohl stimmt auch er der Neuregelung zu. Als einziger mit Nein votiert Georg Berg von der Bürgergemeinschaft: „Wir haben bei uns abgestimmt und sind dagegen.“

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