Schriesheim. Bekommt die nach dem Antisemiten und Nazi-Freund benannte Hans-Pfitzner-Straße in Schriesheim einen neuen Namen? In dieser Frage steht nun ein wichtiger Grundsatzbeschluss des Gemeinderates an. In seiner Sitzung am Mittwoch, 29. Juni, wird das Gremium genau über diese Frage beraten und entscheiden. Beginn ist um 18 Uhr im großen Sitzungssaal des Rathauses. Die Diskussion rund um die Straße und den historisch belasteten Namensgeber gibt es schon länger. Den Anstoß gab ein Hinweis des Journalisten Micha Hörnle Ende 2021.
Wie andere Städte damit umgehen
In der Vorlage zur nun anstehenden Sitzung nennt die Verwaltung keine neuen Namen. Der Beschlussvorschlag enthält lediglich zwei Teile. Erstens: Die Straße soll umbenannt werden. Zweitens: Anschließend soll unter dem neuen Schild eine Erklärtafel zum neuen Namen angebracht werden. Doch auch schon die Debatte über einen möglichen neuen Namensgeber oder eine neue Namensgeberin läuft schon seit mehreren Monaten - zum Teil öffentlich, zum Teil nicht öffentlich.
In der Sitzungsvorlage geht es zum einen um die Person Hans Pfitzner selbst (dazu später im Text mehr). Zum anderen zeigt die Verwaltung auf, wie andere Städte und Gemeinden mit dem Thema umgehen. Unter anderem Frankfurt, Wiesbaden und Herzogenaurach haben die Straßen bereits umbenannt. In Düsseldorf ist der Straßenname in die Kategorie A („schwer belastet / nicht haltbar“) eingeordnet worden. Eine Umbenennung gab es bisher nicht. In Wien behielt man den Namen bei, brachte aber eine einordnende Zusatztafel an.
Die Stadt Schriesheim schreibt in ihrer Vorlage, dass die Wichtigkeit der Straßen-Umbenennung schwerer wiegt als das Interesse der betroffenen Anwohner und Gewerbetreibenden. Die persönliche Bindung zum Namen, entstehende Kosten „oder zu befürchtende Probleme bei der Zielführung und des Auffindens der Straße stellen (...) keine Hinderungsgründe für eine Umbenennung dar“, heißt es. Eigentumsrechte und allgemeine Persönlichkeitsrechte würden nicht verletzt.
Wichtig dabei: Die Anwohner haben grundsätzlich kein Recht auf einen bestimmten neuen Straßennamen. Das liegt im Ermessen der Stadt. Diese betont aber auch: „Bei der Festlegung eines neuen Namens sollte die betroffene Öffentlichkeit angemessen beteiligt und gehört werden.“ Bei den Anwohnern stößt die geplante Umbenennung auf viel Kritik. Das hatte auch ein Vor-Ort-Termin im Februar gezeigt (wir berichteten). Es gibt auch eine Petition.
Die Folgen des neuen Straßennamens für die Menschen, die dort leben oder arbeiten, möchte die Stadtverwaltung abfedern. Die Änderung der Personaldokumente und der Adressen der Betriebe könne „gebührenfrei erfolgen“. Aktuell sind laut Stadt sieben Gewerbetreibende in der Hans-Pfitzner-Straße gemeldet. Außerdem bringt die Verwaltung eine Entschädigung für gemeldete Einwohner ins Spiel. „Ein unbürokratischer Vorschlag könnte sein, eine Entschädigung von 100 Euro pro Haushalt und 500 Euro pro gemeldeten Gewerbetreibenden zu erstatten“, schreibt die Stadt. Derzeit sind 120 Einwohner beziehungsweise 82 Haushalte mit Haupt- oder alleinigem Wohnsitz in der Hans-Pfitzner-Straße gemeldet.
Daran, dass der Komponist Hans Pfitzner ein überzeugter Antisemit und dann auch glühender Anhänger des Nationalsozialismus war, kann es keine Zweifel geben. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts schreibt er in einem Brief, „dass ich mich hier in Berlin ganz besonders als Antisemit ausgebildet habe.“ Das Judentum sei „ein gefährliches Rätsel“, ergänzt er 1919 - und damit lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933. Pfitzner glaubte an die „Dolchstoß-Legende“. Die Revolution von 1918 sei von „russisch-jüdischen Verbrechern“ angeführt worden.
Und er übernahm in der Kulturpolitik die Sprache des NS-Regimes, stellte sich auch gegen andere Künstler und warb unter anderem für den Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland. Auch nach 1945 war er uneinsichtig, denn er schrieb noch nach Kriegsende: „Das Weltjudentum ist ein Problem, und zwar ein Rassenproblem.“
Gemeinderat, 29. Juni, 18 Uhr, Rathaus Schriesheim
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