Schriesheim

Samuel Koch berichtet in Schriesheim vom "Wetten, dass..."-Unfall

Samuel Koch ist querschnittgelähmt, seitdem er als Wettkandidat bei "Wetten, das . . .?" verunglückt ist. Wie meistert er sein Leben im Rollstuhl - darüber berichtete er jetzt auf einer Veranstaltung in Schriesheim

Von 
Konstantin Groß
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Samuel und Sarah Koch: Eindrucksvolle literarische Präsentationen machen die Infoveranstaltung über das Thema „Inklusion“ zu einem Erlebnis. © Marcus Schwetasch

Schriesheim. Eines der Dinge, die der Beruf des Journalisten mit sich bringt, ist es, bei Veranstaltungen einen Platz mit günstiger Sicht zu haben. So sitze ich am Freitagabend in dem mit mehr als 200 Besuchern voll besetzten Zehntkeller in der ersten Reihe, direkt am Mittelgang. Durch ihn kommt Samuel Koch in den Saal. Als er in seinem Rollstuhl an mir vorbeifährt, da fragt er mich leise, ob ich ihm helfe, ihn auf der zur Bühne führenden Rampe hochzuschieben.

Das mache ich natürlich gerne. Und ich merke zweierlei: Wie schwer solch ein Rollstuhl ist, ein Hightech-Gefährt mit Motor. Und wie steil die Rampe doch ist. Nun verstehe ich, warum Rampen vor Gebäuden so extrem langgezogen sein müssen, auch wenn dies aus baulich-ästhetischen Gründen oft kritisiert wird.

Nur zwei der vielen Erkenntnisse, die diese Veranstaltung mit Samuel Koch mit sich bringt - und damit das Ziel der Barbara-Schenk-Zitsch-Stiftung erfüllt. „Ein Herzenswunsch geht in Erfüllung“, bekennt die Stifterin, zugleich ehrenamtliche Bürgerbeauftragte der Stadt, glücklich. Dieser Abend, er ist so erfolgreich, weil er ohne Pathos oder Weinerlichkeit daherkommt, dennoch eindringlich, zuweilen anrührend aufklärt. Und dies künstlerisch umrahmt und, ja, auch mit Humor.

Faust und Gretchen im Schriesheimer Zehntkeller

Das Intro stimmt entsprechend ein. Nach einem Einspieler, der den Protagonisten als Kunstturner zeigt und das, was in „Wetten, dass . . .“ geschah, diskret andeutet, zitiert Koch Goethes Faust - mit der berühmtesten Wette der Weltliteratur. „Meine gehört zumindest zu den Top Ten“, formuliert er trocken. Ehefrau Sarah singt dazu „Gretchens Fragen“. Als ihr Mann aus seinen „Zwei Leben“, seinem biografischen Werk, zu lesen beginnt, da ist sie an seiner Seite, hält ihm, dem dies nicht möglich ist, das Buch. „Meine Buch-Halterin“, nimmt er der Situation jedes Pathos.

Mehr als 200 Interessierte sind in den Zehntkeller gekommen, darunter Bürgermeister Oeldorf (6. v. l.), Stadträte. © Marcus Schwetasch

Koch berichtet, wie er sein Leben meistert. Manches lässt die Zuhörer den Kopf schütteln. Vor vielen Hotels wurden die Rampen wieder abgebaut: zu steil, daher den DIN-Normen nicht entsprechend. Nun haben die Rollstuhlfahrer gar keine. Fragt er am Flughafen nach Hilfe, da erhält er Absagen wie: „Ich bin dafür nicht versichert.“ Wie anders sei das doch in Afrika: „Da gibt es zwar keine DIN-Normen für Auffahrtswinkel“, berichtet er von seinen Reisen nach Uganda oder Botswana: „Aber da wird immer angepackt, immer geholfen, in den Jeep oder ins Boot.“

Im Hamburger Musical - Platz am Bildschirm angeboten bekommen

Fassungslosigkeit löst die Schilderung vom Besuch im Musical „König der Löwen“ in Hamburg aus. Besser vom Versuch eines Besuches. An der Kasse das erste Drama: „Können Sie wirklich gar nicht aufstehen?“ lautet gleich mehrmals die Frage. Angeboten wird ihm ein Platz in der allerletzten Ecke, getrennt von seiner Begleitung. Oder: „Sie können sich das Musical am Bildschirm im Foyer anschauen.“ Aber einem ohne Ton. Da geht er. „Eines der wenigen Male, dass ich aufgegeben habe.“

Auch in der Schauspielschule wird ihm anfangs entgegengehalten: „Wir arbeiten hier professionell.“ Heute bewältigt er als festes Mitglied des Nationaltheaters Mannheim ein Pensum, das in der Tat professionell ist: Proben 10 bis 14 Uhr und 18 bis 22 Uhr, dazwischen Therapie.

In Mannheim mehr von Samuel Koch

  • Unter dem Motto „Schwerelos“ bringt Samuel Koch im Alten Kino Franklin seine eigene Live-Show auf die Bühne, und zwar am Donnerstag und Freitag, 19./20. Oktober, jeweils um 19.30 Uhr. Karten an der Abendkasse und über die Website des Nationaltheaters.
  • Ursprung der Show war ein Kooperationsprojekt Kochs mit der Europäischen Weltraum-Organisation (ESA). Es ermöglichte Kindern mit Behinderung Flüge in einem umgebauten Airbus A 310 Zero G: Durch wiederholte Parabelflüge entstand im Kabinenraum Schwerelosigkeit, die Bewegungen möglich macht, die sonst nicht machbar sind; man ist seines Körpers Schwere los.
  • Geboren war der Name einer Show, die Mut machen und Hoffnung schenken soll. „Nach der Show wird es jedem leichter ums Herz sein“, so die Veranstalter. Akteure des Programms, das auch tolle Action-Einlagen enthält, sind Schauspieler des Nationaltheaters, eine Band und ein Kinder-Chor aus Mannheim

„Inklusion haben wir erreicht, wenn wir nicht mehr drüber sprechen müssen“, sagt er im Interview mit Barbara Schenk-Zitschs Tochter Gabriele - und bringt das Thema auf den Punkt: „Prinzipiell geht es um die Akzeptanz des Unperfekten.“ „Kann man nur dann glücklich sein, wenn die Umstände stimmen“ - also eine rhetorische Frage. Kochs Rat: All die Dinge notieren, für die man dankbar ist: „Ich selbst bin jedes Mal überrascht, wie viele das sind.“

Und dennoch fragen sich manche: Warum hat er das damals gemacht, „Wetten, dass . . .?“ Die Frage steht wie ein Elefant im Raum. Es ist ein Kind, dass es unbefangen wagt, sie zu stellen: die elfjährige Hedi Lamprecht: „Was haben Sie sich dabei gedacht?“, fragt sie und lächelt.

Drei Mal lehnt Koch den Besuch bei "Wetten, dass..." ab

Koch weiß, dass viele sich die Frage stellen. So weicht er ihr nicht aus. Seit seinem sechsten Lebensjahr bis zu seinem Unfall, also 17 Jahre lang, turnt er, trainiert regelmäßig, mit dem Salto als Spezialität. Eine Agentur wird auf ihn aufmerksam, will ihn für „Wetten, dass . . .“. Drei Mal lehnt er ab. Das ZDF lässt nicht locker.

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Koch hat kein gutes Bauchgefühl. Befragt Freunde, seinen Kunstturntrainer, seinen Schauspiellehrer, sogar den Pfarrer. Alle raten eindringlich zu. Und mit der Gage, da kann er doch sein Schauspielstudium finanzieren. Vor allem: Den Sprung hat er schon 100 000 Mal gemacht. „Ja, jetzt sitz’ ich hier blöd rum“, sagt er.

Am Ende des Abends noch viele Gespräche; die sind ihm wichtig, obwohl man ihm ansieht, dass die zweieinhalb Stunden nicht ohne Anstrengung sind. Eine Frau mit Behinderung, 24, hat seine Bücher dabei, wünscht sie sich signiert. „Ich kann leider nicht“, sagt er und tippt mit seiner Hand tröstend an ihren Arm. Statt seiner signiert Sarah. Doch auch dadurch wird der Abend für die junge Frau zu einem großen Geschenk. Und nicht nur für sie.

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