Schriesheim. Wer gedacht hätte, bei der Informationsveranstaltung zum Sanierungsgebiet Talstraße werde es etwa um Konditionen der Förderung gehen, die Stadt vielleicht gar Anerkennung für ihr Projekt erhalten, der sah sich kräftig getäuscht. Die Vorstellungen von Verwaltung und Planer stießen bei den Bürgern auf Empörung. Die heftigste Kritik entzündete sich an einem Punkt: der Idee für eine zusätzliche Wegführung entlang des Kanzelbachs.
Dabei beginnt alles ruhig, als Bürgermeister Christoph Oeldorf die Interessierten im Vereinsraum der Mehrzweckhalle begrüßt und entschwindet. Es ist an Thomas Thiele vom beauftragten Architekturbüro, den Inhalt des Sanierungsprogramms zu erläutern: die Förderung privater Sanierungen und die Attraktivierung des öffentlichen Raums.
Strenge Gestaltungsvorgaben
Private Bauherren können durch das zunächst bis 2030 laufende Programm mit bis zu 20 000 Euro Zuschüssen der Stadt und erhöhter steuerlicher Abschreibung rechnen. Voraussetzung ist, dass sie sich an die Gestaltungssatzung halten, die Ende des Jahres in Kraft tritt. „Damit soll der Charakter dieses Quartiers erhalten werden“, so Thiele.
Das gilt vor allem für die historisch gewachsene Kleinteiligkeit der Bebauung. Das hat Folgen: Wer etwa zwei Grundstücke nebeneinander besitzt und diese mit einem gemeinsamen Neubau versehen will, muss diesen so gestalten, dass er nicht als ein Baukörper wahrgenommen wird. „Das erreicht man zum Beispiel, indem die beiden Gebäudeteile unterschiedliche Höhen haben.“
Straßensanierung beginnt
Die Dachneigung der Gebäude im Sanierungsgebiet wird auf 40 Grad begrenzt, die Gaube darf nicht über die gesamte Hausbreite reichen. Gleiches gilt für großformatige Verglasung, die über die Fassade gehen würde: „Die Lochfassade muss erhalten bleiben.“ Solaranlagen sind möglich, dürfen aber nicht „kreuz und quer auf dem Dach liegen“ und auch nicht darüber hinaus ragen.
Was den öffentlichen Raum betrifft, so steht der Umbau der Talstraße im Mittelpunkt, der in sieben Bauabschnitten erfolgt. Der erste, alleine zwei Millionen Euro teure beginnt im Sommer an der Schmalen Seite und dauert 15 bis 18 Monate.
Neues Leben erhalten sollen - nach der dreijährigen Nutzung als Unterkunft für Geflüchtete - das ehemalige Altenheim Edelstein und das mittlerweile städtische Grundstück Talstraße/Schmale Seite. Offen ist die Zukunft des städtischen Grundstücks unterhalb des Besucherbergwerks, dessen Boden belastet ist. „Grundsätzlich ist Wohnbebauung vorgesehen“, sagt Stadtbaumeister Markus Dorn, „derzeit besteht aber keine Planung“. Warum dort nicht einen Parkplatz anlegen, lautet der Vorschlag aus dem Auditorium. „Das wird der Gemeinderat dort kaum wollen“, ahnt Dorn.
Unruhig wird es im Saal, als Thiele einen separaten Weg „wie etwa am Rathaus über den Kanzelbach“ anspricht und die Skizze eines solchen Weges an die Wand wirft. „Wie kann man dagegen angehen?“, fragt eine Anwesende bereits nach den ersten Sätzen. Und viele weitere folgen.
Wenn ich es richtig sehe haben Sie die letzten dreieinhalb Jahre damit verbracht, Fotos zu machen und einen Weg zu planen, den keiner will.
„Wenn ich es richtig sehe“, sagt eine Frau, „haben Sie die letzten dreieinhalb Jahre damit verbracht, Fotos zu machen und einen Weg zu planen, den keiner will“. Denn der zwinge die Eigentümer, ihr Grundstück nicht nur vorne zu schützen, sondern auch hinten - angesichts der „Neubesiedlung von Mitmenschen“, wie sie unter Anspielung auf die Geflüchteten formuliert.
Nein zu zweitem Weg
„Sie wollen doch nicht wirklich uns Anwohner mit einem Weg belästigen, auf dem Fahrradfahrer, Rollerfahrer und schreiende Fußgänger Tag und Nacht unterwegs sind“, klagt eine Frau, „nachdem wir 30 Jahre lang die Verkehrsbelastung in der Talstraße ertragen haben“.
Es ist eine Idylle, die zerstört werden würde
„Ich möchte das nicht“, ergänzt eine andere Anwohnerin: „Das ist ein Lebensraum für Tiere“, begründet sie unter Hinweis auf Füchse, Dachse und Rehe. Die Kosten könne man sich sparen: „Es gibt ja schon einen Ausweichweg: den Huberweg.“ „Es ist eine Idylle, die zerstört werden würde“, ergänzt die Nachbarin.
Ablehnung auch von den beiden anwesenden Stadträten. „Hier wird eine Rückzugsfläche für Tiere zerstört, die an anderer Stelle mit großem Aufwand neu geschaffen werden müsste“, mahnt Gerlinde Edelmann (Grüne). Fraktionschef Bernd Hegmann von den Freien Wählern bietet einen Vor-Ort-Termin an.
Eigentümer müssen zahlen
Dorn versucht, die Wogen zu glätten, erzeugt mit seiner Argumentation allerdings zunächst neuen Unmut. „Es gibt auch Leute in Schriesheim, die diesen Weg wollen“, entgegnet er unter Hinweis auf die Ergebnisse im Beteiligungsprozess. „Ja, aber wo wohnen die denn?“, schallt es ihm entgegen. Doch dann beruhigt er: Ein solcher zweiter Weg müsse vom Gemeinderat beschlossen werden. Und im Genehmigungsverfahren bestehe dann die Möglichkeit, eigene Einwände vorzubringen: „Wir sind hier nicht im Wilden Westen.“
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Den zweiten Anlass für Unmut erzeugen die Ausgleichszahlungen. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Grundstücke nach Sanierung der Straße und des Umfeldes erheblich an Wert gewinnen. Und für den soll gezahlt werden.
Derzeit ist ein Büro dabei, den Anfangswert der Grundstücke zu ermitteln. Nach Abschluss der Maßnahme 2030 wird ein Endwert ermittelt und auf Grund dessen die Zahlungen errechnet. Dorn: „Das ist im Baugesetz so vorgesehen, da hat die Stadt keinen Ermessensspielraum.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Schriesheim Talstraßen-Planung in Schriesheim an den Bürgern vorbei