Auf den in Schriesheim aktiven Rechtspopulismus will die Zivilgesellschaft in der Weinstadt nicht mehr nur mit großen Demonstrationen, sondern mit dauerhaftem Engagement reagieren: Im evangelischen Begegnungszentrum „Mittendrin“ riefen 29 Gründungsmitglieder einen Verein namens „Gemeinsam für Demokratie e. V.“ ins Leben. Er geht aus der gleichnamigen überparteilichen Initiative hervor, die in den vergangenen Jahren große Demonstrationen gegen Rechtspopulismus organisiert hatte.
Demos der Zivilgesellschaft mit langer Tradition
Die Tradition dieser Demonstrationen in Schriesheim begann im Januar 2022, als sich inmitten der Corona-Krise ein breites Bündnis aus Grünen, CDU, Freien Wählern, SPD, FDP und Einzel-Stadträtin Breitenreicher zusammenfand, um unter dem Motto „Uffbasse“ gegen Verschwörungstheorien von Impfgegnern zu protestieren. Zwischen 500 und 700 Menschen fanden sich in der Altstadt zu einer Menschenkette zusammen.
Einen weiteren Markstein bildete genau zwei Jahre später die Kundgebung unter dem Motto „Solidarität statt Spaltung: Nie wieder ist jetzt!“. Anlass waren die Enthüllungen über das Geheimtreffen von AfD und rechtsradikalen Gruppen in Potsdam, auf dem Massendeportationen von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurden. Erneut getragen von allen Parteien im Gemeinderat - natürlich mit Ausnahme der AfD - kamen vor dem Historischen Rathaus mehr als 500 Menschen zusammen.
Im November 2024 versammelten sich dort zum Jahrestag der Reichspogromnacht gut 250 Menschen, Hauptredner war der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Karl Lamers.
Diesem Engagement gaben die Verantwortlichen mit der jetzigen Vereinsgründung nun einen festen organisatorischen Rahmen, der auch Spenden ermöglichen soll. Um eine möglichst breite Resonanz zu erreichen, wird aber kein Mitgliedsbeitrag erhoben.
Verschiedene Gruppen und Richtungen vertreten
Den Vorsitz übernimmt die in der katholischen Kirchengemeinde tätige Katrin Coch, ihr Stellvertreter war schon in der bisherigen Initiative führend: Patrick Schmidt-Kühnle, SPD-Ortsvereinschef, Stadtrat und langjähriger Vorsitzender des Gesamtelternbeirates. Unter den weiteren Vorstandsmitgliedern finden sich Grünen-Stadträtin Hannah Mieger-Höfer, der Freie-Wähler-Vorsitzende Marc Hartmann und Stadtrat Hilmar Frey von der Initiative Schriesheimer Bürger (ISB).
Erste Großveranstaltung des neuen Vereins wird ein Demokratiefest am 19. Juli, dem Vorabend des 81. Jahrestages des gescheiterten Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944. Hierfür rechnet man auf eine ähnliche breite Beteiligung wie bei der Geburtstagsfeier für das Grundgesetz im letzten Jahr.
Bei der jüngsten Demonstration am vergangenen Freitag war die Initiative bzw. der Verein „Gemeinsam für Demokratie“ nicht Veranstalter, aber dennoch durch zahlreiche Aktive vertreten. Diesmal lautete das Motto „Für Demokratie und Klimaschutz“. Getragen wurde die Kundgebung u. a. von der Initiative „Energiewende“ und von „Fridays for Future“, den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden der Stadt sowie von Grünen, SPD und Linken.
Bürgerliche Gruppen bei letzter Demo nicht dabei
Allerdings diesmal nicht von CDU, Freie Wählern, FDP und ISB. Die bürgerlichen Gruppierungen begründeten ihre Ablehnung mit der Verquickung des Grundsatzthemas Demokratie mit einem aktuellen politischen Streitthema - zumal es über die Frage, wie dem Klimaschutz konkret am besten gedient werden könne, durchaus legitime Meinungsunterschiede gebe.
Die Tatsache, dass ein großer Teil des politischen Spektrums also diesmal fernblieb, führte dazu, dass die Resonanz etwas geringer ausfiel als bei früheren Demonstrationen dieser Art. Gleichwohl kamen trotz eisiger Kälte noch etwa 150 bis 200 Personen, unter ihnen Alt-Bürgermeister Hansjörg Höfer.
Redner war unter anderem der katholische Pfarrer Ronny Baier, der seit Jahren im Veröffentlichungsteil seiner Kirchengemeinde im Amtlichen Mitteilungsblatt entschieden gegen Rechtspopulismus im Allgemeinen und AfD-Programmatik im Speziellen Stellung bezieht. In seiner Rede strich er die christliche Fundierung ökologischen Handelns heraus und berief sich dabei auch auf Papst Franziskus, aus dessen Enzyklika „Laudato si“ er zitierte.
Rechtes Flugblatt sorgt in Schriesheim für Empörung
Wie wichtig Engagement gegen Rechtspopulismus in Schriesheim ist, das zeigte sich erneut wenige Tage vor dieser Demo: Anfang Februar verteilte der rechtsgerichtete „Schriesheimer Demokratie- und Kulturverein“ unter Vorsitz des ehemaligen AfD-Stadtrates Thomas Kröber in den Briefkästen ein Flugblatt unter dem Titel „Syrien braucht Remigration!“
In dem Pamphlet heißt es: „Sehr geehrte Schriesheimer, bitte unterstützen Sie diese Menschen dabei, schnellstmöglich in ihre Heimat zurückzukehren“ - eine zynische Formulierung, wie nicht nur die grüne Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer findet: „Gemeint ist damit schlicht und ergreifend die alte rassistische Parole des ‚Ausländer raus!‘“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Notwendiger Kampf gegen Rechts in Schriesheim