Schriesheim. Die Emotionen kochen hoch an diesem Samstagnachmittag. „Die Straße heißt Hans-Pfitzner-Straße – und das bleibt so!“, erklärt Gisela Knauf – und erhält vielseitigen Applaus von ihren Nachbarn. Die Mehrheit der Anlieger im Schriesheimer Wohngebiet ist gegen die Umbenennung der nach dem antisemitischen Komponisten benannten Straße.
Worte Hans Pfitzners († 1949)
- 1919 : „Das Judentum ist ein gefährliches Rätsel.“
- 1930 : „Welche Gefahren das Judentum für deutsches Geistesleben und deutsche Kultur in sich birgt . . .“
- Sommer 1945 : „Das Weltjudentum ist ein Problem . .. ein Rassenproblem. Es wird noch einmal aufgegriffen werden, wobei man sich Hitlers erinnern wird, ihn anders sehen wird.“ Und zum Holocaust: „Nicht das Warum ist ihm (Hitler) vorzuwerfen, nicht, dass er es getan, sondern nur das Wie.“
Die Grüne Liste (GL) hatte zu einem Ortstermin eingeladen, um sich ein Stimmungsbild in der umstrittenen Frage über den Straßennamen und über Hans Pfitzner, den Komponisten, erklärten Antisemiten und Hitler-Unterstützer, zu verschaffen. Doch schon das Schreiben, das die GL im Vorfeld in die Briefkästen der kleinen Straße geworfen hatte, sorgt für jede Menge Ärger.
Etwa 40 Männer und Frauen haben sich am Beginn der Hans-Pfitzner-Straße versammelt. Mit Christian Wolf, Bernd Molitor und Georg Grüber sind nicht nur Stadträte der GL vor Ort, auch Christiane Haase (CDU), Bernd Hegmann (FW) und Gabriele Mohr-Nassauer (SPD) wollen sich informieren. Immer wieder machen die Kommunalpolitiker deutlich, dass in der Frage der Umbenennung noch nichts entschieden ist. Das hatte auch Bürgermeister Christoph Oeldorf in der vergangenen Woche erklärt – und sich in der Debatte öffentlich nicht positioniert (wir berichteten).
Für viel Unmut unter den Anwohnern sorgt, dass bei der Grüne Liste bereits über alternative Namen diskutiert wird, obwohl eine Umbenennung noch gar nicht beschlossen sei. Karlheinz Eckert kritisiert: „Da wird der zweite Schritt vor dem ersten gemacht, dabei ist noch gar nicht klar ist, ob es im Gemeinderat überhaupt eine Mehrheit gibt.“
Petition mit 65 Unterschriften
Die Anwohner berichten, dass innerhalb weniger Stunden eine Petition gegen die Umbenennung von 65 Bürgern unterschrieben wurde. Unter großen Beifall wird erklärt, „dass wir mit der Stadtverwaltung verhandeln wollen und nicht mit einer Partei, die hier plötzlich auf der Bildfläche erscheint!“
Von einem „parteipolitischen Gschmäckle“ spricht auch Hilmar Frey. Wahrscheinlich würde heute bei einer Straßenbenennung nicht mehr so entschieden. „Aber ist es jetzt unbedingt notwendig, bei den Problemen mit Querdenkern und Montagsspazierern hier noch ein Fass aufzumachen?“, fragt Frey. Bernd Molitor versucht mehrmals zu erläutern: „Wir wollen uns doch nur frühzeitig informieren!“
In der Diskussion wird mehrfach vorgeschlagen, einen Hinweis auf Pfitzner auf dem Straßenschild anzubringen. „Als Mahnung“, sagt Alt-Stadtrat und Postbeamter Peter Seubert von der CDU. Pfitzner sei schon eine „schwierige Person“ gewesen, aber das könne ja zumindest mit einer Erklär-Tafel dokumentiert werden, ist auch die Meinung vieler Anwohner. Siegfried Gebhardt: „Dass Pfitzner ein Antisemit gewesen ist, sollte nicht totgeschwiegen werden.“ Helmut Hölzel erinnert daran, dass es in vielen Kommunen eine Richard-Wagner-Straße gibt und betont: „Wagner hat den Antisemitismus damals salonfähig gemacht – und trotzdem rennen heute alle zu den Wagner-Festspielen nach Bayreuth.“
Eines Straßennamens unwürdig
Ursula Thiels von der GL begründet, warum bei Pfitzner eine Ehrung mit einem Straßennamen nicht angezeigt sei. Die Debatte um den Leugner von Nazi-Verbrechen werde in vielen Städten wie Mainz, Wiesbaden, Düsseldorf und Hamburg geführt. Dies Sorge einer Anwohnerin, Rettungsdienste im Notfall oder Postboten könnten bei einer Umbenennung künftig Probleme bei der Anfahrt haben, teilt sie nicht: „Das ist noch nicht vorgekommen.“
Die Vertreter der Grünen Liste verhehlen allerdings nicht, dass bei einer Umbenennung „auf die Anwohner Unannehmlichkeiten und finanzielle Belastungen zukommen“. „Als ob wir im Ort nicht andere Probleme hätten“, schimpft eine Bewohnerin der Pfitzner-Straße.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/schriesheim_artikel,-schriesheim-anwohner-sind-mehrheitlich-gegen-umbenennung-der-schriesheimer-hans-pfitzner-strasse-_arid,1916339.html