Aktuelle Diskussion - Auch in der Inselgemeinde erinnern Straßennamen an historische Persönlichkeiten / Sowohl Gegner als auch ein Profiteur des NS-Regimes vertreten

Ilvesheim: Diese Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten benannt

Von 
Torsten Gertkemper-Besse
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Der Heinrich-Vetter-Ring in Ilvesheim: Sein Namensgeber ist über die Ortsgrenzen hinweg als großzügiger Stifter und Mäzen bekannt. Er profitierte aber auch während der NS-Zeit von den sogenannten Arisierungen. © Torsten Gertkemper-Besse

Ilvesheim. Straßen, die nach historischen Persönlichkeiten benannt sind, stehen aktuell unter Beobachtung. In Mannheim wurde die Umbenennung bestimmter Straßen im Stadtteil Rheinau bereits auf den Weg gebracht, in Schriesheim wird noch darüber diskutiert. Der Grund: Die Namensgeber sind belastet - zum Beispiel durch eine nationalsozialistische Gesinnung oder weil sie sich im Zuge des Kolonialismus verschiedener Verbrechen schuldig gemacht haben. Die aktuellen Diskussionen hat diese Redaktion zum Anlass genommen, in den Kommunen zwischen Neckar und Bergstraße nachzuforschen, welche Straßen, Plätze oder Wege nach historischen Persönlichkeiten benannt sind. Dabei soll es allgemein darum gehen: Wer waren diese Personen und was haben sie gemacht? Eines vorweg: Es sind Personen mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen dabei.

Heinrich Vetter

Sein Name ist allgegenwärtig. In Ilvesheim ist der Platz vor der katholischen Kirche nach ihm benannt, im Wohngebiet Mahrgrund gibt es den Heinrich-Vetter-Ring. Die von ihm gegründete und nach ihm benannte Stiftung sitzt in seinem ehemaligen Wohnhaus in der Goethestraße und ist sehr vielfältig aktiv. Unter anderem realisiert sie das Projekt Tageshospiz - es wird das erste seiner Art in Baden-Württemberg. Auch in Mannheim begegnet man Vetters Namen, zum Beispiel beim Heinrich-Vetter-Weg im Luisenpark.

Heinrich Vetter (1910 bis 2003) war Kaufmann und Unternehmer (vor allem bekannt für das Kaufhaus Vetter). Nicht nur vielen Ilvesheimern ist er als Stifter, Spender und Mäzen bekannt. Er war aber auch Profiteur der Arisierungen. Die Nationalsozialisten nahmen jüdischen Mitbürgern dabei ihr Eigentum und ihren Besitz weg. Andere profitierten davon, weil Teile dieses Vermögen in ihren Besitz übergingen.

Die Heinrich-Vetter-Stiftung verschweigt das Thema nicht. Sie bezieht dieses Kapitel stets in die Würdigung ihres Namensgebers ein. Als jüngst in der Jesuitenkirche in Mannheim der Auftakt für das Jubiliäumsjahr „25 Jahre Heinrich-Vetter-Stiftung“ stattfand (wir berichteten), sagte der Vorsitzende Peter Frankenberg: „Dunkel war im Leben des Stifters die Verstrickung in die Arisierung jüdischen Vermögens, hell sein unternehmerischer Erfolg, sein späteres, herzliches Mäzenatentum und auch die nachhaltige Gründung seiner Stiftung vor 25 Jahren.“ Außerdem hat die Stiftung das Buch „Arisierungen und Wiedergutmachung in Mannheim“ zusammen mit der Universität und der Stadt Mannheim finanziert.

Laut Bürgermeister Andreas Metz wurde über die Namensgebung des Heinrich-Vetter-Rings Anfang der 2000er Jahre entschieden. Zu dieser Zeit wurde der Mahrgrund als Wohngebiet ausgewiesen. Damals habe es für dieses Thema noch nicht eine derartige Sensibilität gegeben, sagt der Rathauschef, der selbst studierter Historiker ist. Eine Umbenennung der Straße sei in der Gemeinde „aktuell kein Thema“. Das Leben Heinrich Vetters sei sehr differenziert zu betrachten, ein eindeutiges Urteil gebe es nicht. Vielmehr könne die historische Person Heinrich Vetter „uns heute Anlass sein, um über die Ausgrenzung und Entrechtung von Minderheiten nachzudenken und zu verhindern, dass so etwas in unserem Land jemals wieder geschehen kann“, sagt Metz.

Heinrich Lanz

Ganz im Nordosten der Gemeinde gibt es den Heinrich-Lanz-Weg. Heinrich Lanz (1838 bis 1905) wurde als Gründer des gleichnamigen Landmaschinenherstellers bekannt. Auch heute noch ist sein Vermächtnis in der Region zu spüren - ganz besonders durch die deutsche Niederlassung des Nachfolgeunternehmens John Deere in Mannheim. Die grünen Traktoren sind weltbekannt. Problematische Verwicklungen in historische Ereignisse sehen Historiker bei Lanz nicht. Vielmehr wird im Zusammenhang mit ihm die Sozialpolitik im Unternehmen, aber auch über die Firma hinaus, genannt. Stichworte wären hier die Einführung des Neun-Stunden-Tages (ja, dies war damals ein erheblicher Fortschritt) oder die Überführung der im Betrieb eingerichteten Kranken- und Familienunterstützung in die Heinrich-Lanz-Stiftung.

Hans Kupka

Hans Kupka (1899 bis 1942) wurde in Ilvesheim geboren und war kommunistischer Widerstandskämpfer. Er wurde vom NS-Regime zum Tode verurteilt und hingerichtet. Nach ihm ist der Hans-Kupka-Platz im Bereich Ringstraße/Dammstraße benannt. „Es war eine der ersten Amtshandlungen des neu zusammengetretenen Gemeinderats nach dem Zusammenbruch von 1945, Kupka durch die Benennung zu ehren“, erklärt Historiker und Ilvesheim-Kenner Markus Enzenauer.

Unumstritten war die Entscheidung aber nicht. Gegner der Entscheidung erkannten zwar an, dass Kupka Hitler und den Nationalsozialismus konsequent bekämpft hatte, bemerkten aber, dass er kein demokratisches Gesellschaftsmodell anstrebte. Aktuell ist auch im Gespräch, vor Kupkas ehemaligem Wohnhaus einen Stolperstein zu verlegen.

Ludwig Schäfer

Ludwig Schäfer (1863 bis 1955) war Fabrikant und Ziegeleibesitzer. Bekannt wurde er vor allem auch deshalb, weil er Ilvesheim durch sein Elektrizitätswerk schon 1898 zum ersten Mal mit Strom versorgte. Die Ludwig-Schäfer-Straße, die seit 1982 so heißt, zweigt am Schäfer‘schen Haus von der Schlossstraße ab. Schäfer verlor sämtlichen Besitz 1929 in der Weltwirtschaftskrise. Historiker Enzenauer schreibt über Schäfer: „Als von der christlichen Ethik geprägtem Bürgerlich-Konservativem war ihm das rassische und völkische Gesellschaftsmodell des Nationalsozialismus zuwider, und er vermochte es, sich aus dem Getriebe der Zeit herauszuhalten.“

Redaktion Redaktion Neckar-Bergstraße, zuständig für Ilvesheim und Friedrichsfeld

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