Sandhofen. Das älteste Fährschiff Deutschlands hat die Saison eröffnet. Bis Ende September ist „Emma“, wie sie liebevoll genannt wird, im Einsatz und zieht ihre Bahnen von der Anlegestelle „Xylon Werft“ zu der Anlegestelle „Dehus-Tierheim“ auf der Friesenheimer Insel. Sie ist zwar schon ein paar Tage in Betrieb. Aber so richtig wahrgenommen scheint das noch niemand zu haben. „Es ist noch wenig los. Es muss sich erst noch ein wenig herumsprechen, dass die Altrheinfähre zwischen Sandhofen und der Friesenheimer Insel wieder in Betrieb ist“, erzählte Fährmann Fatmir Elshani.
Vor 128 Jahren war die Fähre lebenswichtig für die Sandhofer Landwirtschaft
Der gebürtige Kosovare lenkt die älteste Grundkettenfähre seit vielen Jahren. „Ich habe den schönsten Arbeitsplatz in Mannheim. Ich bin immer an der frischen Luft und habe obendrein noch eine kostenlose Klimaanlage“, lacht der immer fröhliche Binnenschiffer. An diesem Tag fährt er zum ersten Mal in Richtung Sandhofen. „Heute war halt noch nichts los. Aber das ändert sich, wenn die ersten Touristen kommen, so ab Mai“. Vor allem Fahrradfahrer nutzen heute die Fähre. Vor 128 Jahren, als das Schiff seine Fahrt aufnahm, war das noch ganz anders. Da war sie lebenswichtig für Landwirte in Sandhofen. Sie fuhren zu ihren Feldern mit ihren landwirtschaftlichen Fuhrwerken. „Heute passt ein großer Traktor nicht mehr auf die Fähre. Der muss außen herum über die Brücke fahren. Wenn der auf die Fähre kommt, macht er das nur einmal, denn dann geht die Fähre mitsamt seiner Ladung unter“, lachte Elshani.
Im Augenblick könne er sowieso nur maximal Fahrradfahrer transportieren, weil der Wasserstand sehr niedrig ist. Der betrage noch 1,53 Meter. „Bei einem Wasserstand von 1,20 Meter muss ich den Betrieb einstellen“, weiß der Fährmann. „Dann muss ich jeden Passagier einzeln fahren“, meinte er verschmitzt lächelnd. Normalerweise würde zu dieser Jahreszeit Hochwasser herrschen. Aber in diesem Jahr sei alles anders. „Im letzten Jahr stand das Wasser bis fast an das Haus mit den Gerätschaften, also rund vier Meter höher“, wusste Elshani. Im letzten Jahr war er zufrieden, was die Auslastung anbelangte. Es seien genügend Fahrgäste gekommen. Um die Fähre in Schuss zu halten, hätten sie Zahnräder, die Kette und einige Holzbohlen ausgetauscht. Ansonsten sei die alte Fähre ohne jegliche Schwierigkeiten hin und her getuckert.
Stadt Mannheim hat sich 1913 verpflichtet, die Fähre zu betreiben
Angetrieben wird das Schiff von einem zwölf PS starken Einzylinder Dieselmotor. Dieser stammt aus dem Jahr 1975. Seither hat er seine fast täglichen Fahrten hin und her immer zuverlässig erfüllt. Im Jahr 2008 musste die Fähre einmal generalüberholt werden. Dank vieler Helfer, Spender und einem überzeugten Fan der Fähre, Schiffbauingenieur Claus Winterheld aus dem niederländischen Alkmaar, der die Fähre betreibt.
Eigentümer ist aber die Stadt Mannheim. Und die hat sich im Eingemeindungsvertrag mit Sandhofen 1913 verpflichtet, die Fähre zu betreiben. Denn damals bestanden die Sandhofer Landwirte darauf, die Fähre in Schuss zu halten. Elshani erinnerte sich, dass bis vor einigen Jahren tatsächlich noch ein Landwirt aus Lampertheim mit einem Schmalspurtraktor übergesetzt sei. Die Sandhofer hätten da schon nicht mehr die Fähre benutzen können, weil ihre Traktoren zu schwer waren. Übrigens ist die Friesenheimer Insel erst zu dieser geworden, als der Rhein ab etwa 1827 begradigt wurde. Erst 1862 wurde die Friesenheimer Insel badisch.
Altrheinfähre Sandhofen
- Die Emma ist das älteste noch funktionierende Fährschiff Deutschlands.
- Sie wurde 1897 bei der Anderssen-Werft in Neckarsulm gebaut.
- Schon seit 1899 transportiert die Altrheinfähre Passagiere zwischen Sandhofen und der Friesenheimer Insel.
- Im Jahr 2008 wurde sie generalüberholt.
- Die Altrheinfähre in Mannheim-Sandhofen stellte ihren Betrieb am Sonntag, 22. September 2024, um eine Woche verfrüht ein , um repariert zu werden.
- Die Preise für die Fährüberfahrt bleiben unverändert: Fußgänger zahlen 0,50 Euro, Radfahrer 1 Euro, Motorradfahrer 1,50 Euro und PKW-Fahrer 2 Euro.
- Es handelt sich um eine Grundkettenfähre - die älteste noch fahrtüchtige in Deutschland. Das Schiff wird an einer Kette übers Wasser gezogen.
- Das Fährschiff besteht aus einem Stahl-Ponton mit Holzbelag und wird von einem 12 PS starken Einzylinder Dieselmotor (Baujahr 1975) auf einer Grundkette angetrieben.
- Die Länge insgesamt beträgt 25 Meter , davon 18 Meter Rumpf plus jeweils 3,50 Meter Klappen. Die Gesamtbreite beträgt sieben Meter, davon der Rumpf 5,40 Meter.
- Der Tiefgang liegt bei 45 Zentimetern.
- Bei einem maximalen Gewicht von zehn Tonnen können etwa 45 Personen, drei Autos oder eine Zugmaschine mit Anhänger transportiert werden.
- Der letzte offizielle Betriebstag der Altrheinfähre im Jahr 2025 ist Sonntag, 28. September.
Nach diesem Ausflug in die Geschichte kehren wir wieder zur Fähre zurück. Elshani erinnert sich daran, dass auch schon Menschen bei der Überfahrt nach einer Toilette gefragt hätten. Da habe er ihnen die einzige Tür an der Fähre gezeigt. Die führe in den Motorraum und von dort direkt ins Wasser, lachte er. Auch hätten Passagiere schon gefragt, ob sie den Fahrpreis mit Kreditkarte bezahlen könnten. Da meinte er, dass sie doch lieber ein andermal bar bezahlen sollten, wenn sie wieder besser bei Kasse wären. Endlich will an diesem Tag jemand übersetzen. Rentner Hans-Jürgen Jung machte eine Radtour, die er auf der Sandhofener Seite fortsetzen wollte. Er sei gerade auf einer Rundfahrt von Weinheim über Mannheim und zurück wieder nach Weinheim.
Der Radler erzählte, dass er als Kind von Binnenschiffern im Schifferkinderheim aufgewachsen sei. Aber anschließend schlug er einen anderen Berufsweg ein. „Auf einem Schiff muss man immer arbeiten. Da gibt es keine Pause“, lachte er. Deshalb habe er sich für einen anderen Beruf entschieden. Aber die Idylle am Altrhein, die dort lebenden Enten, den rufenden Kuckuck und die im Wind wiegenden Bäume, fand er einfach erholsam, weshalb es ihn immer wieder an den Rhein ziehe. Endlich gab es auch Betrieb an der Fähre, denn auf der anderen Seite wartete eine Gruppe von fünf Radfahrern, die noch vor der Mittagspause übersetzen wollten. „Da muss ich mich aber beeilen“, sagte Elshani nicht ganz ernst gemeint.
Betrieben hatte die Fähre vor Winterheld zuvor über viele Jahre Richard Dehus, dessen gleichnamiges Restaurant oberhalb der Anlegestelle lag. Vor zwei Jahren sei das verkauft worden. Jetzt werde es als türkisches Spezialitätenrestaurant betrieben. Die Fähre aber sei immer noch die alte geblieben, weiß der Fährmann, der bei Dehus als Kellner gearbeitet hatte. Die Überfahrt mit der „Emma“ dauert etwas mehr als fünf Minuten, schneller geht es einfach nicht. Und der Ratschlag, den bereits der Popsänger Chris de Burgh mit „Don’t Pay the Ferryman“ besang, nach dem man einen Fährmann nie bezahlen soll, bevor er einen übergesetzt hat, gehört wohl der Vergangenheit an. Noch bis Ende September fährt die Fähre über den Altrhein.
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