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150 Jahre Mannheimer Ruder-Club: Als es die Turner aufs Wasser zog

Olympiasieger, Jugend- und Breitensport sowie die stete Suche nach Bootshäusern: Die Geschichte des MRC erzählt von bewegten Zeiten.

Von 
Sibylle Dornseiff
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Die 21-jährige Paula Lutz ist Mitglied im Nationalteam und aktuelle Top-Fahrerin des Mannheimer Ruder-Clubs. © Dehoust

Mannheim. Von England ausgehend wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland das Rudern populär. Über Hamburg und Frankfurt erreichte die Welle 1872 Heidelberg, von dort aus schwappte sie 1875 nach Mannheim über. 29 Jahre zuvor hatte sich dort der TSV 1846 gegründet, doch einige der Turner zog es auch aufs Wasser. Am 10. Juni 1875 fanden sich 20 TSV-Mitglieder zusammen, um in der Abteilung „Ruderclub des Mannheimer Turnvereins“ den Wassersport zu lernen. Weil aber nur TSV’ler zugelassen waren, folgte ein Jahr später die Trennung vom Stammverein: Der Mannheimer Ruder-Club von 1875 war geboren. 150 Jahre ist das nun her, Auftakt der Jubiläumsfeiern ist an diesem Samstag die Stadtachter-Regatta auf dem Altrhein.

Die Olympiasieger von Berlin 1936: v.l. Trainer Heinrich Erb, Willi Eichhorn, Hugo Strauß © MRC-Archiv

Doch zurück zu den Ursprüngen. Das erste, von den Gründungsmitgliedern für 40 Gulden gekaufte Flachboot ohne Kiel eignete sich nur für Vergnügungsfahren. Mit dem ersten Kielboot begann 1876 der Einstieg in den Wettkampfsport. Im selben Jahr gelang der erste Sieg in Heidelberg, und richtete der MRC die erste Regatta in Mannheim aus.

Es gab schon einen Vorläufer des Ruderergometers

Von nun an wuchs der Ruder-Club rasant. Zusammen mit dem MRV Amicitia 1876 gründete er 1878 den Mannheimer Regattaverein, der kurz danach im Mühlauhafen die erste Oberrheinische Ruderregatta veranstaltete. 1901 verzeichnete der Club 200 Mitglieder. Dank der Weitsicht der Trainingsleitung wurde ab sofort auch im Winter intensiv trainiert, es gab sogar schon einen Vorläufer des Ruderergometers. Bis 1905 entwickelte sich der MRC zur deutschen Nummer vier hinter Mainz, Frankfurt und Berlin.

Das erste eigene Boothaus von 1906 wurde 1945 zerstört © MRC-Archiv

Doch sportlich stürzte der Club immer wieder in Krisen. Zum einen wurden sie ausgelöst durch die ewige Suche nach Standorten für das Bootshaus, zum andern durch zwei Kriege, die viele Mitglieder das Leben kosteten. Aus dem Zweiten Weltkrieg, der zudem ein völlig zerstörtes Bootshaus hinterließ, kehrte auch Hugo Strauß nicht zurück. Zusammen mit Willi Eichhorn gewann er Zweier-Gold bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936. Zudem initiierte der auch begeisterte Eishockeyspieler und Kunstlauftrainer 1936 den Aufbau einer Rollschuhabteilung im MRC, die am 19. Mai 1938 in den Mannheimer Eis- und Rollschuhsport-Club (MERC) mündete.

EM, WM und Olympische Spiele: Die „Internationalen“ des MRC

Schon früh setzte der Ruder-Club auf die beiden Standbeine Breiten- und Leistungssport. Auch weil die Jugendarbeit im Fokus stand, wurden die nicht wenigen sportlichen Talsohlen immer wieder überbrückt. So inspirierte der 1974 aus Rumänien geholte Profi-Ruderer und Sportlehrer Georg Riffelt eine ganze Generation. Sein Tod 1991 mit nur 55 Jahren hinterließ eine große Lücke.

Empfang 2007 für Weltmeister Michael Sauer (l.) und Vize-Weltmeister Matthias Veit © MRC-Archiv

Gleichwohl machten MRCler regelmäßig international von sich reden: Johann „Jean“ Bungert war ab 1883 der erste, für ihn wurde sogar ein Profitrainer aus England engagiert. Es folgten die Olympiasieger Eichhorn/Strauß (1936). Der „Barwig“-Vierer war 1971/1972 Teil des Deutschland-Achters (EM-Silber, WM-Bronze), Fritz Schuster gewann 1977/78 zwei WM-Medaillen, Matthias Veit war dreimal in Folge Vize-Weltmeister (2006–2008), Handicap-Ruderer Michael Sauer holte 2007 WM-Gold. Seit drei Jahren hält Nationalteam-Mitglied Paula Lutz die Club-Fahne hoch.

Vom Schuppen am Neckar zu zwei Trainingszentren am Rhein

Die Suche nach Bootshäusern begleitet die Geschichte des Ruder-Clubs. Die erste Unterkunft war ein Schuppen im Neckarvorland in der Verlängerung der Quadrate U3/U4. 1878 wechselte der MRC an den Rhein, in eine Tabak-Lagerhalle des Zollamtes. Als die 1894 gekündigt wurde und sich bis 1896 kein Ersatz fand, wurde dem Club kurz vor seiner Liquidation am Rhein im Schnickenloch - heute steht da die Jugendherberge - eine gemauerte Halle angeboten. Nach Kündigung des Mietvertrags 1904 beschlossen die Mitglieder den Bau eines eigenen Bootshauses. In Rekordzeit wurde an der Stelle der heutigen Rheinterrassen ein Fachwerkhaus mit Turm errichtet und 1906 eingeweiht. 1924 erwarb der MRC das bislang gepachtete Gelände.

Das Bootshaus Rheinterassen 1994 © MRC-Archiv

Nach der Zerstörung des Bootshauses bei einem Luftangriff 1945 blieben nur der Keller und das dort untergebrachte, bei der Entstehung in Deutschland einmalige Ruderbecken erhalten. Also zog der Club „4000 Millimeter unter die Erde“, das Bootslager darüber war ein Provisorium. Der Neubau der „Rheinterrassen“ auf den alten Fundamenten begann 1952, 1955 – pünktlich zum 80. Jubiläum – war er samt Restaurant fertig, wird aber seither regelmäßig saniert und renoviert.

In der Schleuse © MRC-Archiv

Während das Bootshaus an der Rheinpromenade die Basis für das Wanderrudern und den Breitensport ist, zog es den Leistungssport schon früh zum Mühlauhafen: Über 100 Jahre war er das Trainingsrevier. Doch 2012, nach einem tragischen Unfall, bei dem der 14-jährige Simon Ningel starb, wurde er aufgegeben. Die Jugend- und die Leistungssportler fanden vorübergehend Unterschlupf beim Volkstümlichen Wassersportverein (VWM), bis mit Unterstützung der Stadt und des MRC-Ehrenmitgliedes Bernd Beetz auf der Friesenheimer Insel 2017 das „Ruderzentrum Altrhein“ eingeweiht wurde. Doch um den heutigen Anforderungen an Leistungssport gerecht zu werden, ist inzwischen eine Erweiterung nötig. Die Pläne zur Aufstockung sind dank Bernd Beetz bereits in Arbeit.

Freie Autorin Spezialgebiete Sport und Kultur:Sport: Turnen, Tanzen, Leichtathletik, Kanu, Eiskunstlauf, Short-Track, Curling, Judo, Triathlon, Rope Skipping, Turf, Reiten, Volleyball.Kultur: Theater/Schauspiel, Tanz, Ballett

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