Friedrichsfeld. Konzentration möglichst vieler städtischer Angebote in einem einzigen Gebäude, Veräußerung der dadurch frei werdenden Liegenschaften, Beendigung der Anmietung von privaten Räumlichkeiten - was derzeit in dem kleinen Friedrichsfeld geplant ist, blüht wohl „in Zukunft auch in anderen Stadtteilen“, wie Carola Zotz vom Immobilienmanagement der Stadt auf der Bezirksbeiratssitzung dieses Vorortes am Mittwochabend klar macht.
„Sachstand Sanierung Rathaus“ – so lautet der unverfängliche Titel des einzigen Tagesordnungspunktes. Doch der reicht aus, um die Zuschauerplätze in der Turnhalle des TV 1892 dicht zu füllen. Denn das Rathaus ist in Friedrichsfeld nicht irgendein Gebäude, sondern für die Menschen zentral im umfassenden Sinne des Wortes. Sowohl was seine aktuelle Nutzung angeht als auch seine Geschichte.
Ein Bauwerk, identitätsstiftend für Friedrichsfeld
Zwischen 1787 und 1823 als Bauernhaus errichtet und zuletzt als Gasthaus genutzt, erwirbt die damals noch selbstständige Gemeinde Friedrichsfeld 1919 die „Krone“, um hier ihre Verwaltung unterzubringen. Mit der Eingemeindung nach Mannheim 1930 verliert es wesentliche Bestandteile dieser Bestimmung. Im ersten OG werden Wohnungen eingerichtet, die im Jahr nach der Weltwirtschaftskrise dringend benötigt werden, im Erdgeschoss die Vorortverwaltung, das Gemeindesekretariat mit Standesamt und die Polizeiwoche. Damals besetzt mit mehreren Beamten. Was für Zeiten!
Im Laufe der Jahrzehnte seither wechseln die Nutzer immer wieder. Das Gemeindesekretariat bleibt zwar, allerdings unter immer neuen Namen (Bürgerdienst, Bürgerservice), aber die Polizei zieht aus. Hinzu kommen Stadtbibliothek, Heimatverein, Jugendtreff.
2018 zieht der Bürgerdienst aus dem Rathaus in die VR Bank
2018 die Zäsur. Für den Bürgerdienst ist das Rathaus nicht mehr angemessen. Zum einen fehlt die mittlerweile vorgeschriebene Barrierefreiheit, zum anderen sind die Räumlichkeiten zu groß für den Bedarf dieses Stadtteils; 2018 gibt es hier zum Beispiel nur noch eine einzige Trauung. Und trotzdem müssen aus Sicherheitsgründen in dem tagsüber meist menschenleeren Gebäude mindestens zwei Kräfte Dienst tun.
Auf der Suche nach einer Alternative fällt der Blick der Stadt auf die nahegelegene Filaile der VR Bank Rhein-Neckar – und dort auf fruchtbaren Boden. Denn auch das Geldinstitut braucht längst nicht mehr so viele Flächen wie früher. Die räumliche Anbindung an die Bank macht es für die Stadt entbehrlich, aus Sicherheitsgründen zwei Kräfte vor Ort beschäftigen zu müssen, ermöglicht also einen dem realen Arbeitsanfall entsprechenden Einsatz von einer Kraft.
So wird der Bürgerdienst Mieter bei der Bank. Das sichert den Bestand sowohl für den Vorort-Verwaltung als auch für die Filiale, jubelt man auf beiden Seiten. Als „win-win-Situation“ bezeichnet denn auch Oberbrügermeister Peter Kurz das Projekt bei der Einweihung am 14. November 2018, also vor fast genau sieben Jahren.
Die anderen Nutzer im Rathaus bleiben, der Jugendtreff kommt nach dem Auszug des Bürgerdienstes neu hinzu. Eine Sanierung ist geplant.
Haushaltskrise der Stadt Mannheim führt zu neuem Konzept
Doch mit der aktuell dramatischen Haushaltskrise der Stadt ändern sich die Rahmenbedingungen. „Die machte es erforderlich, dass wir das Projekt neu angeschaut haben“, sagt Zotz. Und fügt auch stante pede an, was beim „Anschauen“ herausgekommen ist: „Dass nämlich sämtliche Stadtteilangebote in Friedrichsfeld zentralisiert werden sollen“. Und zwar im Rathaus.
Das bedeutet vor allem: Der Bürgerdienst kehrt zurück ins Rathaus, unter anderem in das ehemalige Trauzimmer. Sein Dasein als Untermieter der Bank endet. Und da die Sicherheitsproblematik die gleiche wie vor 2018 ist, wird er personell aufgestockt, wie Bürgerserviceleiter Andreas Flisiak ankündigt.
Der Generationentreff zieht ebenfalls ins Rathaus. Sein bisheriges Domzil in der Neudorfstraße wird, so Adnan Werning, als Wohnraum genutzt werden – entweder von der GBG oder auf dem freien Markt angeboten, so der Büroleiter von Baubürgermeister Ralf Eisenhauer.
Der Jugendtreff kommt dorthin, wo bislang der Heimatverein ist, der wiederum mit seinem Archiv ins Dachgeschoss wandert. Der Turnverein gibt seine Gaststätte und seinen Schankraum auf.
Aber dieses Konzept enthält auch zweifellos positive Nachrichten. Vor allem: Die Stadtbibliothek, bislang als künftig komplett ehrenamtlich konzipiert, bleibt Teil des kommunalen Bibliothekssystems und damit in ihrem jetzigen Bestand mit einer halben Stelle erhalten. Die Abendakademie soll künftig vor Ort Kurse anbieten.
Harte Zuschusskritierien erfordern Kostendisziplin
Zum Zweck dieser neuen Nutzungen muss das Rathaus jedoch baulich ertüchtigt werden. Die Aufgaben sind umrissen durch die Themen Barrierefreiheit, Brandschutz, energetische Sanierung. Dafür gibt es Zuschüsse aus dem Sanierungsprogramm Friedrichsfeld. Doch dieses birgt harte Auflagen.
Die erste: Die Kosten sind auf 2,16 Millionen Euro gedeckelt. Und dürfen, wie alle Vertreter der Stadt mehrmals unmissverständlich klarmachen, auf gar keinen Fall überschritten werden. Das hat Folgen für die Planung: Für die verschiedenen Nutzer wird es keine für sie exklusiven Flächen geben. Vereinfacht ausgedrückt: „Nicht jeder Nutzer wird seine eigenen Räume haben.“ Man wird sich auch die Schreibtische teilen müssen. Fachbegriff: Desk-Sharing. Zudem wird keine neue Möblierung angeschafft.
Auch die energetische Sanierung wird auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben. „Die Außenwände werden wir nicht dämmen.“ Allerdings wird die Fassade einen neuen Anstrich bekommen. Um dies historisch korrekt und denkmalschutzkonform zu machen, wird eine Restauratorin hinzugezogen.
Zum zweiten: Das gesamte Projekt steht unter enormem Zeitdruck, muss bis spätestens 30. April 2027 abgeschlossen sein. Dieser Zeitplan ist „sehr, sehr eng und knapp“, bekennt Zotz. Bereits im März 2026 sollen daher die ersten Arbeiten beginnen. Kostenrahmen und Zeitplan bedingen, was auf der Folie an der Wand knallhart formuliert ist: „Keine Änderungen mehr möglich!“ Soll wohl auch heißen: Eingehende Diskussionen sinnlos.
Aus Bezirksbeirat und Publikum Lob und Kritik
Eine solche Erwartung an ein öffentlich tagendes kommunales Gremium ist natürlich Illusion, wie bereits die erste Wortmeldung zeigt. Bezirksbeirat Marco Rohr (SPD) zeigt sich zwar „wahnsinnig froh“ über den Erhalt der Stadtbibliothek und die angedachten neuen Angebote der Abenakademie. Doch er beklagt, als Bezirksbeirat bei diesen grundsätzlich neuen Entwicklungen „nicht mitgenommen“ worden zu sein. Was die Stadtbibliothek angeht, gelte dieses Versäumnis auch gegenüber den Ehrenamtlichen im Förderverein.
Wasser in den Wein gießen auch seine Kollegen und mehrere Bürger. „Was machen Sie, wenn Sie während der Arbeiten was finden?“, fragt einer: „Wenn man in einem alten Haus etwas macht, findet man immer etwas Unvorhergesehenes.“ Das Dach des Rathauses zum Beispiel sei „noch nie gemacht worden.“
Der Verwaltung ist diese Sorge nicht fremd. Sie wird von ihr selbst bereits zuvor beim Vortrag von Zotz thematisiert: auf einem Schaubild unter dem Begriff „Risiken“.
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