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„Wallstadt aktuell“: Mit einem Drohbrief fing alles an

Wie der SPD-Ortsverein seit 50 Jahren im Mannheimer Stadtteil Wallstadt ein Blättchen herausbringt und was der „Vorwärts“ und das Marchivum dazu sagen.

Von 
Peter W. Ragge
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Einige der Macher von „Wallstadt aktuell“, untere Reihe von rechts Gründer Lothar Mark und die langjährige Redakteurin Claudia Schöning-Kalender. © Michael Ruffler

Wallstadt. Anfangs gab es einen Drohbrief, es werde seiner Familie „etwas zustoßen“, wenn er den Plan nicht aufgebe. Aber Lothar Mark hat nicht aufgegeben. Vor 50 Jahren gründete der spätere Bürgermeister und Bundestagsabgeordnete als Ortsvereinsvorsitzender der SPD „Wallstadt aktuell“. Nun feiert das „Blättl“, wie es im Ort genannt wird, sein 50-jähriges Bestehen mit einer Veranstaltung am Mittwoch, 30. April um 18 Uhr im Marchivum.

Zwei Bände mit den gesammelten Ausgaben der Anfangszeit wird Claudia Schöning-Kalender dann an das Marchivum übergeben. Die neueren Ausgaben habe man dort ohnehin immer abgeliefert, so die langjährige Stadträtin. Stadtteilzeitschriften seien „eine häufig unterschätzte Quelle für die historische Forschung“, so Marchivum-Direktor Harald Stockert, der die Veranstaltung mit Schöning-Kalender bestreiten wird. Von ursprünglich mehreren Dutzend existierten in Mannheim nur noch wenige, und nur „Wallstadt aktuell“ wird von einer Partei herausgegeben.

Damit hat die SPD sogar bundesweit Schlagzeilen gemacht, zumindest parteiintern. Der „Vorwärts“ schickte eigens einen Reporter und einen Fotografen nach Wallstadt, widmete dem Thema zwei ganze Seiten. Denn dass ein Ortsverein ehrenamtlich fünf Jahrzehnte ununterbrochen jeweils vierteljährlich eine jeweils zwölfseitige Zeitung herausbringt und flächendeckend im gesamten Ort verteilt, gilt als bundesweit einmalig. „Ein allgemein anerkanntes Erfolgsprojekt“, schreibt der „Vorwärts“, da es von Handel und Handwerk am Ort mit Inseraten unterstützt und längst auch parteiübergreifend anerkannt werde.

Stadtteilzeitungen sind eine häufig unterschätzte Quelle für die historische Forschung
Harald Stockert Direktor Marchivum - Institut für Stadtgeschichte

„Das war ein langer Weg“, erinnert sich Lothar Mark, der bald 80 wird, in der Jubiläumsausgabe von „Wallstadt aktuell“ an seine Anfänge. Er war aus dem Odenwald nach Wallstadt gezogen und hatte es anfangs nicht leicht, engagierte sich aber schnell im Vereins- und Kulturleben des lange eher konservativ geprägten Ortes und erreichte so Akzeptanz für sich und seine Partei. Die Artikel der ersten Ausgaben habe man noch „per Schreibmaschine getippt, ausgeschnitten und irgendwie passend zusammengeklebt“, blickt Mark zurück, die Blätter dann im Wohnzimmer auf dem Boden ausgebreitet und zusammengelegt.

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Nach Mark war es lange Janec Gumowski, auch 40 Jahre lang für die SPD Mitglied im Bezirksbeirat, der das „Blättl“ federführend gestaltete und es auch professionalisierte und ausbaute. Seit einheinhalb Jahrzehnten verantwortete - meist nahezu alleine - Claudia Schöning-Kalender die Redaktion. Längst ist die Schreibmaschine vom Computer abgelöst worden, und statt Vervielfältigung in der Justizvollzugsanstalt gehen die Vorlagen an eine Druckerei. Aber „satte zwei Tage“, meist etwa 30 Stunden, benötige sie für die redaktionelle Arbeit, so Schöning-Kalender. Seit sie den SPD-Ortsvorsitz 2024 abgegeben hat an Daniela Schiermeier und Jürgen Anselmann und nur noch Stellvertreterin ist, werde die Arbeit auf mehr Schultern verteilt, sagt sie dankbar. Doch unverzichtbar blieben die etwa 15 Parteimitglieder, die das „Blättl“ ehrenamtlich in die über 4000 Briefkästen steckten, so Schöning-Kalender. Das sei immer „eine enorme Arbeit“.

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Redaktion Chefreporter

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