Rheinau. Es gibt nicht unendlich viele Anlässe, auf Grund derer Mannheim in überregionalen Medien in gutem Licht erscheint. Ins „heute journal“ zu Claus Kleber, in die FAZ oder in die ZEIT gelangte die Quadratestadt jedoch positiv durch ein Kunstprojekt: Murals im Rahmen der Aktion Stadt.Wand.Kunst. Seit dem vergangen Jahr kommt auch die Rheinau in den Genuss dieser Aktion. Sieben Werke sind inzwischen entstanden. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Der Süden kam erst relativ spät als Standort hinzu
Seit 2013 gibt es das Projekt Stadt. Wand.Kunst, gut 60 Werke sind bisher entstanden. Angeschts dessen dauerte es ziemlich lange, bis es im tiefen Süden angelangt ist. „Diese Lücke war uns schon immer bewusst“, bekennt Sören Gerhold, Gründer und Kurator des Projektes. Erste Initiativen, die Rheinau mit einzubeziehen, gab es bereits 2019.
Doch erst 2024 war es soweit, dank des Engagements von Christiane Rudic vom Quartiermanagement und Paul Wenzel vom Quartierbüro. Seit Jahren sind sie beiden erfolgreich darin, die Identität der Rheinauer zu stärken und das Image des Stadtteils nach außen noch positiver zu gestalten. Für beide Ziele sind die Murals ein ideales Instrument.
Auf der Rheinau zwei renommierte Kunstschaffende
Die Murals in Mannheim stammen von verschiedenen Künstlern, die Rheinau kommt in den Genuss der Werke des Künsterduos Sourati, hinter dem sich der Buchillustrator Mehrdad Zaeri und die Fotografin Christina Laube verbergen. „In den Genuss“ darf, ja muss man deshalb formulieren, denn es handelt sich dabei um zwei renommierte Kunstschaffende, mit ihrer Graphic Novel „Anna“ nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Und vor kurzem erschienen Illustrationen von Zaeri zu Roger Willemsens Kurzgeschichte „Das müde Glück.“
Seit 2016 ist das Duo beim Projekt Stadt.Wand.Kunst dabei, die beiden sind quasi dessen Pioniere. Zunächst in der Innenstadt, nun für den Süden. „Sie passen für die Rheinau“, freut sich Gerhold. Denn die Bilder von Sourati sind keine farbintensiven Gemälde, wie man sie von Street-Art-Flächen im Rahmen dieses Projektes in der Mannheimer Innenstadt und auch in Berlin an der East Side Galery oder auf dem Teufelsberg kennt.
Im Vergleich dazu sind Souratis Werke diskret, zuweilen lediglich Strichzeichnungen wie beim „Fest“ in der Relaisstraße. Und wenn mit Farben versehen wie bei „Einmal sollte man“ in der Hockenheimer Straße, dann nicht mit knalligen. „Unsere erste Intention ist keine dekorative“, erläutert Zaeri sein Schaffen: „Wir gestalten kein Geschenkpapier“, bringt der Künstler seine Haltung auf den Punkt: „Wir wollen Geschichten erzählen.“
Und zwar Geschichten, die passen, sowohl zur Rheinau im Allgemeinen wie zur konkreten Location im Besonderen. Dies natürlich in Absprache mit Christiane Rudic und Paul Wenzel, die den Stadtteil mittlerweile kennen wie die sprichwörtliche Westentasche, um Befindlichkeiten der Rheinauer Seele bestens Bescheid wissen.
Wie zum Beispiel das Bild „Der Reisende“, der Rheinaus Geschichte als neue Heimat von Zugezogenen thematisiert: von italienischen Arbeitern für den Hafenbau um 1900, von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Osten nach dem Krieg, von Migranten seit den 1960er Jahren.
Den Start bildete im Sommer 2024 die Wand des Gebäudes der VR Bank, die der Relaisstraße zugewandt ist. Das Werk trägt den Titel „Das Fest“. Und das mit Bedacht: Die andere Seite des VR-Gebäudes mit den Schaufenstern zeigt nämlich zum Marktplatz, der seit 20 Jahren Ort des Rheinauer Stadttelfestes ist. Es folgten Gebäude der GBG, die mit ihrem Mietwohnungsbau Wandflächen in der nötigen Größe bietet. Und das ist eine win-win-Situation: Denn die bislang riesigen öden Flächen sind nun attraktiv gestaltet.
Bürger begleiten die Künstler mit ihren Kommentaren
Für ein Werk benötigen die beiden Künstler zwei bis drei Wochen. Und das bedeutet: „Die Menschen kriegen die Entstehung mit“, berichtet Gerhold. Anders, als wenn im Atelier ein Bild entsteht und erst am Ende präsentiert werden kann. Und das hat natürlich einen Effekt: „Man sieht das Bild, wenn es noch nicht fertig ist, und kann es auch im Rohzustand beurteilen.“ Nicht für alle Künstler erstrebenswert.
Das Gute daran: „Wir kommen mit den Menschen ins Gespräch“, erzählt Zaeri: „90 Prozent der Reaktionen sind positiv.“ Diese Reaktion zeigt sich in ganz verschiedenen Ausprägungen. Etwa, wenn ein Anwohner jeden Tag ein Foto schießt, um den Entstehungsprozess zu dokumentieren. Oder aber, indem eine Frau den beiden Kunstschaffenden einfach einen Kuchen schenkt.
Wie immer sind es die Kinder, die am unmittelbarsten und vielleicht am ehrlichsten ihre Gedanken und Gefühle artikulieren: Etwa, wenn eine Gruppe Schulkinder das Bild „Karussel der müden Pferde“ passiert. „Da sagte einer: Genauso fühle ich mich morgens“, berichtet Zaeri.
Murals auf der Rheinau
„ein Fest“, Relaisstraße 83, „Party“, Waldseestraße 6,
„Kopf-Affäre“, Durlchacher Straße 94,
„Geduld“, Karlsruher Straße 51,
„Reisender“, Relaisstraße 103,
„Karussell der müden Pferde“, Parkhaus der GBG, Mutterstadter Straße,
„einmal sollte man...“, Hockenheimer Straße 10
Manchmal gibt es auch tiefergehende inhaltliche Diskussionen: Das Bild gegenüber dem Generationenspielplatz zeigt einen Mann, der ein Kind in die Luft wirft. Der Location entsprechend, soll es pralle generationenübergreifende Lebensfreude bedeuten. Doch ein Passant kritisiert das heftig: Es sei doch gefährlich, wenn Kinder von Erwachsenen in die Luft geworfen werden. Den Künstlern sind solche Diskussionen keineswegs unangenehm. Denn sie zeigen, dass sich die Menschen mit ihren Werken intensiv auseinandersetzen. Das soll Kunst ja erreichen.
Viele Rheinauer sind bereits echt stolz auf das Projekt
Und wie sind die Reaktionen jetzt, da sieben Werke geschaffen sind? „Die Menschen sind stolz, so etwas in ihrem Stadtteil zu haben“, beobachtet Zaeri: „Sie freuen sich, dass die Rheinau dafür ausgewählt wurde. Sie fühlen sich dadurch wahrgenommen.“ Manche können es gar nicht glauben: „Sie sagen: Das wird bestimmt wieder weggemacht“, berichtet Gerhold: „Nach dem Motto: Bei uns auf der Rheinau bleibt etwas Schönes nicht auf Dauer.“ Wie gut es angenommen wird, zeigt eine weitere Beobachtung: „Noch keines der Bilder wurde beschmutzt und zerstört“, sagt Rudic. Toi, toi, toi.
So soll es mit den Murals auf der Rheinau weitergehen. Ein Wunschtraum ist natürlich die riesige Wand der Versöhnungskirche am Marktplatz. Der Inhaber der Urheberrechte am Bau, der Architekt Striffler, sei dem Ansinnen keineswegs abgeneigt, berichten die Beteiligten.
Kunst als Alleinstellungsmerkmal der Rheinau im Süden
Schon jetzt sei die Street Art im Zuge von Stadt.Wand.Kunst eine Art Alleinstellungsmerkmal Rheinaus im Süden Mannheims, wie Gerhold betont. Und weil dies so ist, gibt es Gespräche mit der Mannheimer Touristik-Info, den Stadtteil in ihren Touren aufzunehmen. Das würde die Möglichkeit bieten, auch die vielen anderen interessanten Dinge zu präsentieren, die Rheinau zu bieten hat.
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