Herzogenried. Der Spielplatz "Am Sonnengarten" war jahrelang ein Sorgenkind des Stadtteils Herzogenried. Vor zehn Jahren wurden die Geräte abgeräumt, nachdem es immer wieder zu Vandalismus gekommen war. Seitdem lag die Fläche brach und wurde zu einem Treffpunkt von Jugendlichen, die sich nicht gerade mit Versteckerles und Seilhüpfen begnügten. Die Anwohner beklagten sich immer wieder über Lärm, Müll, Feuer und Haschisch-Geruch.
In diesem Jahr sollte der Platz saniert werden, für die Kinder waren neue Geräte geplant. Stolze 140.000 Euro sollten auf Abruf bereitstehen, doch daraus wurde nichts. Die Sanierung wurde wegen der knappen Haushaltslage auf nächstes Jahr verschoben. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, den Platz schon mal schöner zu gestalten und zu einem Ort zu machen, für den Jugendliche Verantwortung übernehmen, fand ein viertägiger Graffiti-Workshop in den Sommerferien statt. Dabei wurden die Wände genutzt, die den Platz umgeben.
Für Jugendliche jeder Herkunft und auch aus anderen Stadtteilen
Organisiert wurde der Workshop vom Quartiermanagement und Class Rebels, einem Projekt des International Rescue Committee (IRC). Vom Quartiermanagement war Türkan Karagus beim Workshop dabei. Als Experten für Graffiti wurden die Künstler Brian Vit und Yasin Yazar von „Art Walks Art Talks“ eingeladen, den Jugendlichen einen Crashkurs im Sprühen zu geben.
„Wir machen verschiedene Projekte, um wirtschaftlich benachteiligte Jugendliche zu unterstützen“, meint IRC-Referent Jan Hertel. „Class Rebel ist ein ganz neues Projekt des IRC, es ist sehr gemeinschaftlich. IRC selbst wurde in den 1930er Jahren von Albert Einstein gegründet, für geflüchtete Jüdinnen und Juden in den USA. Es gibt verschiedene Sektoren, wie zum Beispiel Bildung, soziale Teilhabe oder Rechtsberatung.“ Der Graffiti-Workshop richtete sich an alle interessierten Jugendlichen, ganz gleich, welcher sozialer Herkunft. Auch Jugendliche aus anderen Stadtteilen waren eingeladen.
Bubble, Block und Wild Style
„Letztes Jahr haben wir mit ,Art walks Art talks‘ einen Rundgang mit Jugendlichen im Herzogenried gemacht. Sie sollen mitbestimmen, was hier passiert, damit es etwas lebendiger wird“, sagt Yasin Yazar. „Steffen Gassenferth vom Quartiermanagement hat mich gefragt, ob ich beim Workshop mitmachen könnte.“ So kam auch der Kontakt zu Bryan Vit zustande, der mit Yasin ein Projekt für Jugendliche auf dem Heidelberger Boxberg ins Leben gerufen hatte. Während des Workshops wurde Bryan quasi zum Lehrer: „Am ersten Tag gab es erst einmal eine Einführung in die Graffiti-Geschichte. Es gibt verschiedene Styles, zum Beispiel Bubble, Block und Wild Style. Das sind verschiedene Schriftarten.“ Auf der Wand gegenüber war für jeden Style ein Beispiel aufgesprüht worden.
Man kann seine Träume auf einer großen Wand verwirklichen
Die Teilnehmer durften sich einen eigenen Sprayer-Namen ausdenken und diesen auf eine kleine Fläche sprühen. Schließlich einigte sich die Gruppe auf verschiedene positive Begriffe, die an die Wände gesprüht werden sollten. Der Ort bekam den Namen „Traumplatz“, dazu kamen noch die drei Fs: „Freunde, Freedom und Family“. Etwa 20 Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren nahmen teil, diese trudelten laut Yasin im Lauf des Tages nacheinander ein. Die Jungs waren in der Überzahl.
Ganze sechs Stunden verbrachten die Veranstalter mit den Kids täglich auf dem Spielplatz. „Wenn etwas Spaß macht, spürt man die Zeit nicht“, meint Yasin. Die Teilnehmer hätten sich während des Workshops sehr gut verstanden, fügt Jan Hertel hinzu, die Harmonie habe gestimmt. „Wir haben eine 13-jährige Ukrainerin hier, sie spricht kein Deutsch. Jetzt hat sie begonnen, zu fotografieren. Man baut hier Barrieren ab“, so Yasin. „Ich spreche mit den Jugendlichen über ihre Zukunft und möchte sie zu kreativen Berufen motivieren. Mit der Zeit werden sie zugänglicher.“
„Mater“ Maria sprüht auch mit
Die Teilnehmer kommen aus verschiedenen Stadtvierteln, sogar aus Rheinland-Pfalz sind Leute dabei. Maria kommt aus Frankenthal und hat über eine Instagram-Story von dem Workshop erfahren. Auf die Frage, ob das Sprayer-Pseudonym ein Geheimnis ist, meint die Schülerin: „Das ist unterschiedlich. Illegale Sprayer halten es geheim. Mein Sprayer-Name ist Mater, da ich oft ,Mutter Maria‘ genannt werde. Ich habe das Wort Mutter in verschiedene Sprachen übersetzt und mich für die lateinische Version entschieden. Es sind sehr nette Leute hier, es gibt kein Konkurrenzdenken.“
Maria fährt von Frankenthal aus mit dem Zug nach Mannheim, Richard dagegen hat einen kürzeren Weg, er wohnt im Herzogenried: „Ich kenne Yasin von einem Projekt im letzten Jahr. Graffiti bedeutet für mich Freiheit, Spaß, Sich-Ausleben und Verewigen.“ Amani fügt hinzu: „Man kann seine Träume auf einer großen Wand verwirklichen.“
Zum Thema Verewigen, das sich bei Graffitis relativieren dürfte, meint Richard: „In der Sprayer-Community gibt es Regeln. Wenn ein Graffiti schön ist und man sieht, dass jemand sich Mühe gegeben hat, sprüht man nicht drüber.“ Als Beweisstücke gibt es im Herzogenried einige Graffitis, die sich schon lange an ihrem Platz befinden und noch wie neu sind.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-stadtteile-street-art-jugendliche-gestalten-spielplatz-in-mannheim-_arid,2323393.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-stadtteile-spielplatz-sonnengarten-sanierungsplaene-im-herzogenried-vorgestellt-_arid,2293031.html