Mannheim. Fast 170 Jahre prägt die Spiegelfabrik St. Gobain nicht nur den Norden, sondern ganz Mannheim als Industriestadt. Das Aus auf dem Luzenberg kommt 2020: „Bis Anfang Oktober 2020 wurde hier noch Gussglas produziert.
Die Glashütte hatte zuletzt Verluste geschrieben, neue Investitionen wären zudem nötig gewesen. 140 Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren und es endete ein bedeutendes Kapitel Mannheimer Industriekultur“, sagt Klaus Schillinger. Der Luzenberg-Experte ist Mitglied des Spiegelvereins vor Ort. Er kennt die Sorgen der Menschen im Quartier angesichts der unklaren Zukunft des Geländes.
Der Luzenberg war ein „vergessener Stadtteil“
Der Vorort, der zum Bezirk Waldhof gehört, hat lange keinen guten Ruf. War mitunter sogar „ein vergessener Stadtteil“, erinnert Schillinger an so manche Bausünde, beispielsweise als zur Bundesgartenschau 1975 ein ganzes Viertel dort abgerissen wird, in dem es alles gibt, was die Menschen zur Nahversorgung brauchen. „So wollte man breitere Zufahrtswege zur Schau bekommen, auch zu den großen Firmen. Dann entstand zeitgleich die westliche Riedbahn. Das war der Niedergang des Luzenbergs.“
Mit dem Projekt „Joy - Wohnen am Wasser“ an der Diffené-Brücke sei vor einigen Jahren ein Anfang gemacht worden: „Ich hoffe, dass mit vernünftiger Planung der Luzenberg wieder an Ansehen gewinnt.“ Auch Waltraud Esser findet: „Ein Miteinander von Waldhof und Luzenberg, das wäre toll“, sagt die engagierte Luzenbergerin, die in der Spiegelsiedlung aufgewachsen ist - und meint die Verbindung zwischen den Stadtteilen, die durch einen Weg entstehen könnte.
Rodungen lösen Aufschrei aus
Doch das größte Problem der Menschen vor Ort: „Wir wissen nicht, wie es weitergeht auf dem Luzenberg“, fasst Klaus Schillinger zusammen. Die Stadt Mannheim habe mehrere Varianten aufgezeigt, was auf dem Gelände der Spiegelfabrik möglich sei: „Wohnbebauung mit Einzelhandel, Kindergarten und so weiter, alles ist im Gespräch. Aber die Spiegelfabrik hat noch nicht verkauft“, so Schillinger. Auf einem Teil der Fläche, die bereits verkauft wurde, finden im Februar 2020 Rodungen statt, die für einen Aufschrei unter der Bevölkerung sorgen.
Die Stadt Mannheim teilt auf Anfrage mit, dass sich durch das Aus der Spiegelfabrik „neue Chancen für die Stadtteilentwicklung“ bieten. Die ersten Schritte hierfür seien bereits geschaffen worden: „Im April 2020 wurden eine Vorkaufsrechtssatzung und die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen sowie vorbereitende Untersuchungen eingeleitet“, erklärt die Pressestelle.
Mit dem Erlass der Sanierungssatzung im Frühjahr 2021 habe die Stadt Mannheim nun „ein umfangreiches Instrumentenset nach dem Baugesetzbuch zur Verfügung, um die zukünftige Nutzung steuern zu können“. Der Abschlussbericht über die vorbereitenden Untersuchungen werde derzeit „finalisiert“.
Grünflächen für Bevölkerung zugänglich machen
Für das Gebiet hat die Stadt bereits einige Ideen: „Das große, bisher abgeschlossene Industrieareal könnte als Wohn- und Arbeitsstandort neu belebt werden.“ Gleichzeitig sollen Grün- und Freiflächen erhalten und für die Bevölkerung zugänglich gemacht werden. „Hierfür erarbeitet die Stadt ein städtebauliches Konzept unter Einbeziehung der Bürgerschaft (https://mannheim-gemeinsam-gestalten.de/spiegelfabrik)“, teilt die Pressestelle mit.
Sie strebt auf dem Gelände eine „Nutzungsmischung“ an: aus Wohnen, Gewerbe und Wald beziehungsweise Grünflächen. „Ein Park könnte die beiden Stadtteile miteinander verbinden und damit die Insellage des Areals aufbrechen“, erklärt die Pressestelle zu der von Bürgerinnen und Bürgern gewünschten Verbindung zwischen Waldhof-West und -Ost.
Gebäude unter Denkmalschutz?
Wie die Stadt erklärt, habe das Landesamt für Denkmalpflege die Gebäude auf dem Areal identifiziert, die den Kriterien des Denkmalschutzes entsprechen. „Es handelt sich um insgesamt vier Gebäudegruppen auf dem Gebiet der ehemaligen Fabrik, unter anderem um den Wasserturm. Die Stadt wird sich für den Erhalt dieser Gebäude und deren nachhaltige Nutzung einsetzen.“
Klaus Schillinger erläutert, dass neben dem Wasserturm drei Hallen gemeint sind. Zudem auch das Spiegelschlössl. Jedoch könne sich Spiegel-Werksdirektor Ralf Kramer „nur bei den Dächern zweier Hallen einen Gebäudeschutz vorstellen“, weiß Schillinger. Grund sei, dass der Turm nur im unteren Bereich ein altes Fundament habe. „Für Kramer ist nur der Anbau des alten Pferdestalls ein Projekt, das sich lohnen würde, als Leuchtturm zu fungieren“, so Schillinger.
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Ob sich die Stadt ein Stadion auf dem Spiegel-Areal vorstellen kann? „Das Ziel der Stadt Mannheim ist es, den Profifußball in Mannheim langfristig zu sichern. Daher werden aktuell, neben dem stadteigenen Carl-Benz-Stadion, noch andere Standorte ergebnisoffen überprüft.“ Der stadteigene Großparkplatz P20 am Maimarktgelände und die Spiegelfabrik auf dem Luzenberg würden hierbei als „bedingt geeignete Standorte weiter vertieft“. Grund: Die Entscheidung für ein Stadion auf dem Gelände der ehemaligen Spiegelfabrik hätte „erhebliche Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeiten der restlichen Fläche“, so die Stadt. „Eine Entscheidung trifft letztendlich der Gemeinderat.“
Keine konkreten Aussagen möglich
Angaben zu einem Zeitplan könne die Stadt derzeit nicht treffen: Die Fläche befinde sich schließlich im Eigentum der Firma Saint Gobain, mit der die Verwaltung Gespräche über die künftige Entwicklung und den möglichen Erwerb des Areals führe: „Konkrete Aussagen, wann mit der Entwicklung des Gebietes begonnen werden kann, sind derzeit nicht möglich“, so die Pressestelle.
Der Spiegelverein Luzenberg ruft die Bürgerschaft im Rahmen eines Infogespräches am Donnerstag, 20. April, dazu auf, ihre Ideen für den Stadtteil und das Spiegelgelände einzubringen: Beginn ist um 19 Uhr im Gemeindesaal griechisch-orthodoxen Gemeinde (Spiegelstraße 2).
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