Jubiläum

Mannheim feiert 120 Jahre Liebfrauenkirche im Jungbusch

Mit dem 120-jährigen Bestehen der Liebfrauenkirche in Mannheimer Stadtteil Jungbusch feiert die Stadt nicht nur Geschichte - sondern auch das bundesweit erste Projekt "offene Moschee und offene Kirche"

Von 
Sylvia Osthues
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Grußworte beim Empfang auf der Freitreppe: Gemeindesprecher Niklas-Elija Kremer (v.l.), Helen Heberer, Volker Hemmerich, Oliver Wintzek, Enes Altunkaja und Oymak Hizir (Vorsitzender Yavuz-Sultan-Selim-Moschee). © Sylvia Osthues

Mannheim. Seit 120 Jahren prägt der sogenannte „Jungbuschdom“ den gleichnamigen Stadtteil mit seiner wechselvollen Geschichte, die beleuchtet wurde von Kunsthistorikerin Sara Brück in einem Festvortrag im Rahmen des Patroziniums. Nach der festlichen Eucharistiefeier am Sonntag gab es zunächst einen Empfang auf der Freitreppe. Stadträtin Helen Heberer (SPD), Volker Hemmerich vom Vorstand des Caritasverbandes Mannheim e.V., Enes Altunkaja, Jugendsprecher der benachbarten Yavuz-Sultan-Selim-Moschee, und Dekan Karl Jung (sein Grußwort wurde vorgelesen von Pfarrer Oliver Wintzek) gratulierten zum 120-jährigen Bestehen dieser in der Mannheimer Stadtgeschichte so bedeutsamen Kirche.

Heimat für mehr als 8000 Katholiken

Sie war einst größte Pfarrei in Mannheim mit 8025 Katholiken. „120 Jahre Liebfrauenkirche im Jungbusch. Ein Kirchenbau und sein Stadtteil“ war der Titel des Festvortrages von Sara Brück. „Das Innere der Liebfrauenkirche ist sehr stimmungsvoll, aber sie ist auch ein Kind ihrer Zeit“, erklärte die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stadtmuseum Kaiserslautern, die ab nächstem Semester eine Gastprofessur in Berlin im Fachbereich Bauen und Gestalten antritt. Das liege an der Zeit und dem Wandel, den das Gotteshaus mitgemacht habe.

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Infolge der Industrialisierung seien viele Menschen in die Stadt geströmt, die dafür einfach zu klein war. Es gab viele neue Stadtteilgründungen, wie Schwetzingerstadt und Jungbusch. Der Jungbusch, in dem einst Reeder, Kapitäne und Kaufleute lebten, wandelte sich seit der Industrialisierung in ein Arbeiterviertel. Katholiken fanden eine neue Heimat in der Liebfrauenkirche, die ab 1900 auf dem früheren Pesthügel, um 1666/1667 Friedhof für Tausende Opfer der Pest, erbaut wurde.

Kirche wurde acht Jahre lang gebaut

Die Kirche wurde nach einem Entwurf von Johannes Schroth im neugotischen Stil errichtet, mit Spitzbögen, Netzgewölbe und großen Fenstern. Liebfrauen ist eine Basilika mit einem Mittel- und zwei Seitenschiffen. Die malerische Wirkung außen wird durch den Kontrast von ruhigen Putzflächen mit Architekturteilen in Sandstein erzeugt. 1903 wurde die Kirche einer provisorisch gottesdienstlichen Bestimmung übergeben. Die bischöfliche Weihe wurde 1905 durch Weihbischof Friedrich Justus Knecht vollzogen.

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Der Turm mit der filigranen Galerie, der aus städtebaulichen Gründen seitlich an der Fassade direkt an die Kreuzung zweier wichtiger Verkehrsstraßen errichtet wurde, wurde erst 1908 fertig. „Er ist heute eines der großen Wahrzeichen, das schon von Ferne zu sehen ist“, erklärte Brück. Durch den Haupteingang unter der Orgel durch auf den Altar zulaufend zu sehen sind rechts und links Heiligenfiguren - 1922 von Josef Dettlinger erschaffen. „Man hat den Eindruck, sie seien aus Sandstein, doch sie sind aus Lindenholz und wurden nur dem Zeitgeschmack entsprechend steinern gefasst“, berichtete Brück. Wenn die Farbe wieder runter wäre, würden sie zum Kreuzweg passen - 1920 gestaltet von Thomas Buscher, der auch den Hauptaltar geschaffen hat.

Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt

„Die 20er Jahre waren bewegend für die Kirche“, sagte Brück. Den Ersten Weltkrieg habe sie noch sehr gut überstanden. Gravierender waren die Schäden durch die Explosion in der Düngemittelfabrik in Oppau 1921, bei der 559 Menschen den Tod fanden. Dabei gingen die Scheiben der großen Fenster mit ihren großen Motiven und Zierranken zu Bruch. Der größte Schaden aber entstand durch Bomben- und Artillerieangriffe 1945, bei der das Gewölbe zerstört wurde. Bis 1956 dauerten die Reparaturarbeiten.

Beispielhafte Zusammenarbeit

In der Zeit des Wirtschaftswunders kamen viele Menschen in den Jungbusch, erst Italiener und Türken. Mit dem Niedergang der Binnenschifffahrt in den 70er Jahren wandelte sich der Jungbusch zum Rotlichtbezirk. Seit vielen Jahren versucht die Stadt Mannheim, den Jungbusch mit allen baulichen und sozialen Maßnahmen aufzuwerten. Heute gilt der Jungbusch als Multi-Kulti-Viertel mit Potenzial.

„Die Liebfrauenkirche“ ist heute katholischer Marker in unserer multikulturellen und multireligiösen Stadt als Pfarr-, Dialog- und Kulturkirche“, so Heberer. Durch die fast 30 Jahre währende Zusammenarbeit mit der 1995 ganz in der Nähe der Liebfrauen errichteten Yavuz-Sultan-Selim-Moschee mit einem intensiven christlich-islamischen Dialog sei dies zudem das bundesweit erste Projekt „offene Moschee und offene Kirche“.

Freie Autorin

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