Bürstadt. Beim Auftritt des Ersten Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer(!)-Kabaretts gaben alte Bekannte ihre Visitenkarte im Bürstädter Bürgerhaus ab. Hans-Joachim Greifenstein und Clajo Herrmann, ihres Zeichens evangelische Theologen und waschechte Hessen, gönnen dem Publikum seit nunmehr 27 Jahren einen Einblick in das Seelenleben zweier stets zweifelnder Kleriker.
In ihrem Programm „Mach Kain Stress“ beschäftigen sie sich mit aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen. Das Ergebnis: Clajo Herrmann ist beleidigt. Der Grund: Respekt lässt sich heutzutage anscheinend an der Anzahl der Feinde und digital vorgebrachten Beschimpfungen ablesen – und da sieht es eben mau aus. „Ich möchte endlich mal richtig beschimpft werden. Ich erwarte nichts weniger als eine grenzdebile Hassattacke“, gibt Herrmann seiner Hoffnung Ausdruck.
Greifenstein pflichtet ihm bei. Man habe alle beleidigt: Männer, Frauen, Dicke, Dünne, Buddhisten, Katholiken und Protestanten, trotzdem passiere nichts. In einer sich stets empörenden Welt, in der sich alle über alles aufregen und sogar Mitarbeiter des Roten Kreuzes bei Hilfseinsätzen verkloppt werden, möchte Herrmann als Nervensäge ernst genommen werden.
Elvis als Papst
„Im Zustand der Belanglosigkeit trete ich nicht zurück“, fasst er einen tollkühnen Plan: „Wir brauchen eine eigene Verschwörungstheorie.“ Schnell ist im Internet quasi die Bundesliga der Verschwörungstheorien ergoogelt und das Vorhaben gewinnt an Kontur. Die „Elpaki-Theorie“ soll es sein. Der noch immer lebende Elvis sitzt als Papst im Vatikan und versucht, die Kirche mit Mitteln der Unterhaltungsindustrie auszuhöhlen. Greifenstein ist vom Eifer des Kollegen überrascht, aber nach über 40 Jahren in der Kirche wundert ihn nichts mehr, außer dass er noch nicht vom Glauben abgefallen ist.
In einer Zeit voller „Hirnweichmacher“ gebe es zwar kein Geld für den Bau von Brunnen in Afrika, statt dessen aber einen „Gänseduldungszuschlag“ auf den Halligen und Soundingenieure, die sich damit beschäftigen, ob die Beifahrertür des neuen Automodells beim Schließen „popp“ oder „plopp“ macht.
Der Abend ist voller Erkenntnisse für die 200 Zuschauer im Saal. In der Gegenwart werde mehr in die plastische Chirurgie investiert als in die Erforschung von Alzheimer, folgerichtig wollten viele Zeitgenossen eher ins Fernsehen als in den Himmel. Ein echtes Problem für die Kirchen. Und selbst die Parteien hätten es nicht leicht. So hätten die Grünen Christian Lindner frei erfunden. In Wahrheit sei der lediglich ein arbeitsloses Unterwäschemodel, welches man auf die Liberalen angesetzt habe, um diesen Schaden zuzufügen.
Doch auch mit sich selbst geht Herrmann hart ins Gericht. Bei all den Schwurbeleien ortet er den Spitzenreiter in dieser dubiosen Kategorie: „Jedermann“. Denn jeder Mann und jede Frau betrügen sich mit ihren Alltagslügen und Ausreden täglich aufs Neue selbst.
Die beiden Theologen liefern in Bürstadt einmal mehr das Gesamtpaket, welches sie in der Region so populär gemacht hat, das Vorhalten des Spiegels gepaart mit bester Unterhaltung. Und einmal mehr werden sie dafür in der Währung entlohnt, die Künstler auf der Bühne am meisten lieben: dem donnernden Applaus des Publikums.
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