Neckarau. Zuerst erklangen sanfte Indie-Pop-Lieder, zu Gehör gebracht von den Singer/Songwriterinnen Elaj und Juli Gilde. In der zweiten Hälfte vollzog sich auf der Segeldach-Bühne des Boatstock-Festivals, das sein zehnjähriges Jubiläum feierte, ein harter Stilwechsel. Im Kontrast zu den ersten beiden Acts stimmte die Alternative-Rock-Band Dewy Pines wuchtige Powerchords auf der E-Gitarre im Stile der frühen Foo Fighters an. Den Abschluss bildete, als die Sonne bereits untergegangen war, die deutschsprachige Rap-Combo Lauch Creme Gruppe mit einem genreübergreifenden Crossover-Gemisch.
Nach einer neunjährigen Pause fand das Boatstock-Festival erstmals wieder statt, auf dem idyllisch grünen Gelände der Kanu-Gesellschaft (KGN) im Stadtteil Neckarau. Das Umsonst&Draußen-Festival mit unabhängigem Do-it-Yourself-Geist ist eine Veranstaltung des Vereins Kulturkram.
Vier unterschiedlichen Künstleridentitäten beim Boatstock-Festival in Mannheim-Neckarau
Es ist ein menschliches Bedürfnis, sich zu versammeln, gemeinsam Live-Musik zu hören, bei kalten Getränken zu tanzen und zusammen eine gute Zeit zu erleben. Woraus bleibende Erinnerungen für das ganze Leben entstehen. Auf dem zurückgekehrten Boatstock-Festival feierten zahlreiche Besucher die vier unterschiedlichen Künstleridentitäten Elaj, Juli Gilde, Dewy Pines und Lauch Creme Gruppe. Danach legte das DJ-Duo Käfertal 65 wummernde Elektrobeats auf.
Zwar fand letztes Jahr an gleicher Stelle ebenfalls ein Boatstock-Festival statt – allerdings als private und nicht öffentliche Geburtstagsparty. Sozusagen als Generalprobe für das diesjährige Comeback. Im Eingangsbereich hingen farbenfrohe Konzertplakate aus der Vergangenheit des Boatstock-Festivals an einem Vereinsgebäude der Neckarauer Kanu-Gesellschaft (KGN). Zwischen dem veranstaltenden Verein Kulturkram und der Kanu-Gesellschaft kam der Kontakt durch Marvin Piekarek zustande, der zum Veranstaltungsteam gehört und gleichzeitig Mitglied in dem Sportverein ist. Als leidenschaftlicher Kanute und Surfer sucht Trainer Piekarek, der beruflich als Lehrer an einem Gymnasium die Fächer Sport und Geografie unterrichtet, in seiner Freizeit das Element Wasser.
Boatstock-Festival komm modernste Veranstaltungstechnik zum Einsatz
Für das Boatstock-Festival lieh sich das Organisationsteam modernste Veranstaltungstechnik beim Mannheimer Alternative-Rock-Tonstudio Rama und beim Equipment-Verleih MKM im hessischen Pfungstadt aus. Für einen druckvollen Boxensound. Vom städtischen Kulturamt erhielt das Open Air eine finanzielle Förderung. „Wir hoffen, mit dem Verkauf der Getränke und Speisen eine schwarze Null herauszubekommen“, gewährte Mitveranstalter Piekarek einen Einblick in die Buchhaltung.
Von den sechs Saiten ihrer E-Gitarre ließ Singer/Songwriterin Elaj, die in Heidelberg lebt, ruhige Akkorde tropfen, verbunden mit einem sirenenhaft säuselnden Gesang, der bisweilen Vergleiche mit Heather Nova zulässt. Inhaltlich handeln die melancholisch gefärbten Songtexte der Indie-Pop-Musikerin von schlaflosen Nächten. Unterdessen machten es sich auf der grünen Wiese manche Besucher, die ihre kleinen Kinder mitbrachten, auf Picknickdecken gemütlich.
„Ich spiele eine Rubber-Bridge-Gitarre. Durch verbaute Gummi-Elemente klingt dieses Instrument gedämpft“, erklärte Elaj am Rande der Freiluftveranstaltung. Als magischer Talisman trägt sie ein Mut-Armband um das Handgelenk, das Selbstvertrauen wecken soll. Solche Mut-Armbänder bietet die 24-Jährige als Merchandising-Artikel an. Im September wird die Heidelberger Künstlerin eine EP mit neuen Songs veröffentlichen, aus Kostengründen nur in digitaler Form.
Popsängerin Juli Gilde kommt extra aus Berlin, um in Mannheim spielen zu können
Beim folgenden Auftritt der Popsängerin Juli Gilde legte sich weißer Shownebel über die Bühne, noch bei Tageslicht. „Ich bin um 6.30 Uhr in Berlin in den Zug gestiegen, um hier sein zu können“, erläuterte die Indie-Popperin, die einen Song über sehnsuchtsvolle Fahrten mit der Bahn komponiert hat, vergleichbar mit dem Song „The Passenger“ von Punk-Ikone Iggy Pop.
Für die Alternative-Rock-Band Dewy Pines, die bereits das letzte Maifeld-Derby-Festival rocken durfte, war der Boatstock-Auftritt die erste Show mit ihrem neuen Bassisten Max König. Und Gitarrist Jonathan Frübis schüttelte im Headbanging seine kastanienbraune Mähne im Rhythmus der schroff verzerrten Songs. Beim Boatstock präsentierte das junge Quartett das neue Stück „Dreams“.
In der Dunkelheit der hereinbrechenden Sommernacht stürmte danach die Hip-Hop-Combo Lauch Creme Gruppe, die ein mit elektronischen Sounds verfeinertes Crossover-Gemisch im Deichkind-Style zum Besten gab, ins Scheinwerferlicht. „Schieb die Pizza rein, Dicker, mach den Ofen an!“, rappte die ungestüme Truppe, in der Miguel Durst Carrion, ein Mitglied des Veranstaltungsteams, als Sänger mitwirkt.
In den witzig gereimten Strophen der Lauch Creme Gruppe tauchen süße Candy-Pop-Naschereien wie Snickers und Eiscreme auf. Hin und wieder erklingt in diesem eklektischen Soundgebräu ein jazziges Saxofon, vergleichbar mit Scott Mueller, der bis 1997 ins Saxofon der Crossover-Helden Dog Eat Dog stieß. Somit lieferten die unterschiedlichen Musiker auf dem Boatstock-Festival eine stabile Leistung ab.
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