Mannheim. Überraschung in den Stadtbezirken Waldhof und Schönau: Dort wird es trotz starker Stimmenzugewinne vorerst keine AfD-Mitglieder in den Bezirksbeiräten geben. Der Partei fehlt in den Nordstadtteilen schlicht das Personal. Kreisvorsitzender Rüdiger Ernst bestätigte dies auf Nachfrage dieser Redaktion: „Im Mannheimer Norden ist es schwierig, in den südlichen Stadtteilen könnten wir mehr Leute in die Gremien entsenden.“
In den 17 Bezirksbeiräten mit je zwölf, stadtweit also insgesamt 204 Sitzen, die im Zusammenhang mit der Kommunalwahl vom 9. Juni neu besetzt wurden, kann die AfD als einzige Partei gerade etwas mehr als die Hälfte der ihr zustehenden 33 Mandate ausfüllen. Nur für 17 Sitze konnten bis zur konstituierenden Sitzung des Gemeinderats am 23. Juli Kandidaten vorgeschlagen werden - die vom Rat auch bestätigt wurden. 16 Sitze bleiben unbesetzt. Zum Vergleich: Auch die CDU konnte bis zu dem Termin kurz vor den Sommerferien einen der ihr stadtweit zustehenden 46 Sitze nicht besetzen (in Feudenheim), ebenso die Freien Wähler, die noch eins von stadtweit 17 Beiratsmitgliedern (in Seckenheim) nachmelden müssen.
In vier Stadtteilen kann die AfD ihre Mandate nur teils besetzen
Anders bei der AfD: Die Rechtsaußen-Partei kann nach jetzigem Stand niemanden in die Bezirksbeiräte Schönau (4 Sitze), Waldhof (3 Sitze), Neckarstadt-Ost, Lindenhof, Neuostheim/Neuhermsheim und Feudenheim (je einen Sitz) entsenden. Nur zwei von vier Mandaten kann die AfD im Stadtbezirk Vogelstang stellen, in Käfertal, Wallstadt und Friedrichsfeld wurden bislang nur je einer von je zwei AfD-Sitzen besetzt. Das dürften bei einer einzelnen Partei so viele nicht wahrgenommene Mandate wie noch nie sein. Allerdings hatten in der Vergangenheit auch andere Parteien Schwierigkeiten, die politischen Mandate in den Stadtteilen vom Start weg auszufüllen.
Tatsächlich gab es auch in zurückliegenden Wahlperioden einige leere Sitze in den Beiräten - auch von der AfD, aber nicht nur. Christina Grasnick von der Stadtverwaltung: „Zu Beginn der Wahlperiode 2014-2019 konnten 198 der 204 Bezirksbeiratsmandate unmittelbar besetzt werden“, es waren also zu dem Zeitpunkt stadtweit sechs Sitze noch unbesetzt. 2019 konnten 181 von 204 Plätzen direkt besetzt werden, fehlten also 23, fünf mehr als dieses Mal. Aber nicht nur zu Beginn der Wahlperiode, auch unter der Zeit gab es Vakanzen, die die Parteien nur teilweise neu besetzen konnten.
Wegzug, berufliche und/oder familiäre Belastung, Krankheit und Tod sind die Hauptgründe dafür, dass Aktive ein politisches Ehrenamt aufgeben. Das hat in der zurückliegenden Wahlperiode auch die AfD getroffen, deren 2022 verstorbenes Vorstandsmitglied Robert Schmidt bis zu seiner schweren Erkrankung Bezirksbeirat auf dem Lindenhof war. Für das Bezirksbeiratsmandat konnte bis heute kein Nachfolger gefunden werden. Genauso der Sitz von AfD-Bezirksbeirat Peter Liebenow (Schönau), der ebenfalls 2022 starb: kein Nachfolger bis heute.
Auch Rüdiger Ernst, der nach der Kommunalwahl 2019 Bezirksbeirat in der Neckarstadt-Ost wurde und als Nachrücker wenige Monate später in den Gemeinderat einzog, blieb im Stadtbezirk ohne dauerhaften Nachfolger. Für ihn war Angelika Bauer von März 2020 bis Oktober 2022 in dem Stadtteilgremium, seither ist der Sitz leer. Eine Reihe längere oder kürzere AfD-Vakanzen gab es in der Wahlperiode 2019-24 in Friedrichsfeld, in der Neckarstadt-West, in Neuostheim-Neuhermsheim, in Sandhofen, auf der Vogelstang und auf dem Waldhof.
Rüdiger Ernst will bis Oktober noch „einige Anwärter“ nachmelden, seine Partei wolle mit möglichen Kandidaten zunächst aber auch öffentliche Sitzungen besuchen, um den angehenden Ehrenamtlichen vor Augen zu führen, wie die Bezirksbeiräte funktionieren. Bei derzeit 166 Parteimitgliedern müsste jeder fünfte AfDler ein Mandat übernehmen - die sieben Stadträte der Partei nicht eingerechnet.
Gefragt nach den Gründen weist Rüdiger Ernst die Schuld den Arbeitgebern potentieller Mandatsträger zu sowie „denjenigen aus dem linken bis linksextremen Spektrum, die Druck auf die Arbeitgeber ausüben“. „Die Leute haben Angst, sie könnten Ärger am Arbeitsplatz bekommen, das ist im öffentlichen Dienst besonders schlimm“, meinte Ernst. Wer sich beruflich gerade um einen neuen Job bewerbe, habe Angst, als AfD-Funktionär keinen zu bekommen oder vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt zu werden, behauptet der AfD-Kreisvorsitzende.
Dass der Bewerbermangel für die politischen Ehrenämter auch mit der Einstufung der AfD von den Behörden als rechtsextremistischer Verdachtsfall zusammenhängen könnte, weist Ernst im selben Atemzug zurück: „Davon lassen sich unsere Unterstützer nicht abschrecken“, sagte er.
Christina Grasnick hat zum allgemeinen Bewerbermangel harte Fakten: „Bis einschließlich der im Jahr 2009 beginnenden Wahlperiode wurden die Mitglieder der Bezirksbeiräte erst nach der Sommerpause bestellt, so dass die vorschlagsberechtigten Parteien und Wählervereinigungen nach Feststehen der Sitzverteilung einen längeren Zeitraum nutzen konnten, um geeignete Personen anzusprechen“, sagt sie.
Reform der Bezirksbeiräte hat sich laut Stadt bewährt
Nach der Reform der Bezirksbeiratsarbeit wurde das Verfahren zur Kommunalwahl 2014 geändert. Seitdem werden die Beiräte bereits in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats noch vor der Sommerpause bestellt. Dieses neue Vorgehen habe sich bewährt, sagt sie. Und zwar, „weil so alle Gremien zum gleichen Zeitpunkt ihre Arbeit aufnehmen können und beispielsweise durch die Wahl bisheriger Bezirksbeiratsmitglieder in den Gemeinderat keine Lücken entstehen“.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bezirksbeiräte: Warum die AfD in einigen Mannheimer Stadtteilen blank dasteht