Krieg in der Ukraine

Zwölf Quadratmeter für 469 Euro: Kritik an Mannheimer Unterkunft für Geflüchtete

Die Stadt Mannheim weist die Kritik an den Bettenpreisen in der Geflüchtetenunterkunft auf Columbus zurück. Der Aufwand für den Betreiber sei höher als bei üblichen Mietverhältnissen. Ein Besuch vor Ort

Von 
Sebastian Koch
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In den früheren Kasernengebäuden auf Columbus will die Stadt bis zu 1000 Geflüchtete aus der Ukraine unterbringen. © Christoph Blüthner

Mannheim. Wirklich heimelig wirkt das Zimmer nicht, in dem die beiden 18 Jahre alten Ukrainer wohnen. Die Matratzen sind hart, die Metallbetten füllen mit dem Tisch und dem Schrank das Zimmer voll aus. „Hier wohnen wir“, begrüßt einer der Beiden Ende März den Redakteur. Wir nennen den jungen Mann Alexej, was aber nicht sein richtiger Name ist. Zusammen mit Sascha - auch das ist nicht der richtige Name - wohnt er in dem Raum mit geschätzt zwölf Quadratmetern, der wiederum Teil einer Wohneinheit mit zwei weiteren Zimmern ist.

775 Ukrainerinnen und Ukrainer wohnen auf Columbus

Neun Personen leben in dieser Wohnung. Die Männer und Frauen teilen sich Bad und Küche - vorher gekannt haben sich die wenigsten. Man denkt schnell an eine WG während der Studentenzeit. Die Wohnfläche dort würde aber wohl doch größer ausfallen als das Zimmer, das sich Alexej und Sascha teilen. Beide zahlen dafür jeweils 469 Euro. „Die dem jeweiligen Zimmer zugeordneten Bad- und WC-Anlagen sowie Küchen und Aufenthaltsräume sind nicht mitvermietet, aber zur gemeinschaftlichen Nutzung mit den übrigen Mietern überlassen“, heißt es in dem Mietvertrag, der keine genaue Quadratmeterzahl angibt.

Das Jobcenter überweist die Miete von 469 Euro pro Bett an PulsM. Die Stadt kooperiert mit dem privaten Dienstleister, der die Vermietung der Betten und die Betreuung der Bewohner übernimmt. „Hierfür zahlt PulsM an die Stadt eine Mindestmiete sowie, gestaffelt nach Belegungszahlen, eine Umsatzmiete“, hieß es dazu im November. Rund 775 Ukrainerinnen und Ukrainer wohnen auf Columbus, teilt die Verwaltung Ende März mit. 1000 sollen es maximal werden.

Stadträte besuchen Unterkunft

Zum Gedanken an die WG passt, dass die Wohnung an der einen oder anderen Stelle schmuddelig daherkommt. Die Wand zwischen Küche und einem der Zimmer ist dünn. Durch einen schmalen Spalt zwischen Armatur und Wand könnte man in das benachbarte Zimmer spähen. In dem von Alexej und Sascha gibt es Spritzer und Flecken an der Wand. „Wir haben versucht, das zu streichen“, sagt Alexej und zeigt auf eine braun-gelbe Fläche an der Decke. „Das geht aber nicht weg.“

Die Wohnung sei nicht gestrichen gewesen, sagt auch Kinga Schneider, die sich sich seit Beginn des Kriegs ehrenamtlich für Geflüchtete und die 18-Jährigen engagiert: Sie hilft ihnen beim Schriftverkehr mit Behörden, unternimmt mit ihnen was, besucht sie regelmäßig. Die beiden gehören zu den Ersten, die auf Columbus eingezogen sind. „Die Bewohner haben zwei Tage lang geputzt - vor allem Bad und Küche“, sagt Schneider. „Schon deshalb sind 469 Euro ziemlich teuer.“ Zudem hätten die Geflüchteten Utensilien zum Kochen und Materialien zum Streichen selbst besorgen müssen.

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Auch Volker Beisel (FDP/MfM) hat sich einen Eindruck vor Ort gemacht. Mit Vertretern der Fachbereiche Arbeit und Soziales und Immobilienmanagement habe er sich bei einem angemeldeten Besuch umgeschaut. „Angesichts der Not-Situation, in der sich die Stadt befindet, sind die Unterkünfte, die wir gesehen haben, absolut in Ordnung“, sagt der Stadtrat am Dienstag. Mit Blick auf die Unterbringung von Geflüchteten in der Lilli-Gräber-Halle und in der umstrittenen Unterkunft in der Bochumer Straße erklärt er: „Da hat das Wohnen auf Columbus schon ein ganz anderes Niveau.“ Aber auch Beisel kritisiert die Miete. 469 Euro für etwa zwölf Quadratmeter mache fast 40 Euro pro Quadratmeter. „Und das für eine Massen-WG“, sagt er. „Das ist Mietwucher in städtischen Gebäuden.“

Zuvor hatten Chris Rihm und Markus Sprengler (beide Grüne) Columbus besucht - unangemeldet. Die Zustände in oft „schmutzigen“ Wohnungen seien „ausbaufähig“, aber keinesfalls „unterirdisch“, sagt auch Rihm am Dienstag - „das Preis-Leistungs-Verhältnis ist aber absolut nicht in Ordnung, wenn man bedenkt, dass ein kleines Zimmer mit zwei Betten 940 Euro kostet“.

Laut Stadt darf der Preis nicht mit üblichen Mietverhältnissen verglichen werden. Der Betrieb auf Columbus ähnle vielmehr einem „gewerblichen Beherbergungsbetrieb“, teilt eine Sprecherin mit. Der Aufwand ist deshalb wesentlich höher.

Neben Dienstleistungen, dem Risiko der relativ hohen Fluktuation und dem möblierten Wohnraum - dazu zählen laut Stadt ein Bett, ein Schrank, ein Tisch und Bettzeug auf den Zimmern sowie ein Herd, Backofen, Waschmaschine, Kühlschrank und ein Tisch in den Gemeinschaftsküchen - fließen, anders als bei üblichen Mieten, Betriebs-, Heiz- und Stromkosten in den Preis ein. Auch habe es „eine Grundreinigung in allen Wohnungen“ gegeben. „Bislang haben die Stadtverwaltung keine Beschwerden zu möglichen Verschmutzungen im Bereich der Küche erreicht“, sagt die Sprecherin.

Hausmeisterstelle vakant

Im November hatte die Stadt erklärt, PulsM müsse neben der Erstausstattung auch für die Hausverwaltung sorgen. Alexej und Sascha sagen, ihnen seien weder Verwaltung noch Hausmeister bekannt. Die Sprecherin der Stadt erklärt, es gebe ein Büro mit ukrainisch- und russischsprechendem Personal - auch Beisel berichtet davon. Zudem habe es bislang einen Hausmeister gegeben, sagt die Sprecherin. „Allerdings gibt es hier aktuell eine personelle Veränderung.“ Nach Rücksprache mit PulsM sei man zuversichtlich, dass „in Kürze wieder ein Hausmeister gefunden sein wird“. Die Auswahlgespräche hierzu liefen bereits.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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