Forschung

Zehn Jahre Fraunhofer-Projektgruppe: „Die Zukunft operiert in Mannheim“

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Dr. Jens Langejuergen Frauenhofer Institut, hier mit Christine Ullrich Foto Thomas Troester © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Mannheim. „Leuchtturm für die Medizin-Technik“ titelte der „MM“, als der Stuttgarter Landtag „grünes Licht“ für eine Fraunhofer-Projektgruppe auf dem Campus der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) gab und dafür insgesamt 9,3 Millionen Euro zur Verfügung stellte. Das ist zehn Jahre her. Und mehr als sechseinhalb Jahrzehnte liegt zurück, dass die Fraunhofer-Gesellschaft in Mannheim, nämlich in der „Grün‘schen Villa“ (Mollstraße 40), ihr deutschlandweit erstes Forschungsinstitut etablierte - für angewandte Mikroskopie. Ein Blick zurück und nach vorn.

Das später nach Karlsruhe verlegte und schließlich aufgelöste Mikroskopie- Pionierinstitut war fast vergessen, als Stadt und Medizin-Fakultät den Vorstoß unternahmen, Mannheims Schwerpunktforschung Medizintechnologie mit einer Fraunhofer-Projektgruppe zu adeln. „Da mussten dicke Bretter gebohrt werden“, blickt der einstige Dekan Klaus van Ackern zurück, der mit dem ehemaligen Hochschul-Rektor Dietmar von Hoyningen-Huene in der Landeshauptstadt für das Projekt warb.

Die Fraunhofer-Projektgruppe

  • Die 2011 in Mannheim gestartete Fraunhofer-Projektgruppe hat als Alleinstellungsmerkmal den Schwerpunkt, Automatisierungspotenziale in der Medizin und Biotechnologie zu erschließen. Sie forscht auf dem Campus der Universitätsmedizin in den Cubex-Gebäuden.
  • Der seit 2021 als Leiter wirkende Physiker Jens Langejürgen (geboren 1981 in Ostwestfalen) hat sich in seiner Diplomarbeit mit Wärmefluss-Sensoren zu Bestimmung der Körperkerntemperatur beschäftigt. Seine Doktorarbeit in Elektro- und Messtechnik bekam einen Förderpreis für herausragendes wissenschaftliches Arbeiten.
  • Die 1949 gegründete Fraunhofer-Gesellschaft mit Sitz in München ist in Europa die größte Organisation für angewandte Forschungen und Entwicklungsdienstleitungen. In Deutschland gibt es 75 Institute und Einrichtungen.
  • Namensgeber Joseph von Fraunhofer (1787–1826) war deutscher Optiker und Physiker, der das Spektroskop erfand und den wissenschaftlichen Bau von Fernrohren begründete. Er hat Forschungserkenntnisse und praktische Anwendung innovativ verbunden. wam

 

2011 war es soweit - die Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie, kurz PAMB, startete. Aufgebaut hat sie der Maschinenbauer Jan Stallkamp, Spezialist für roboterassistierte Systeme. Als eine Abordnung der in München residierenden Fraunhofer-Gesellschaft 2017 „PAMB “ besuchte, zeigte sich diese von dem Hybrid-Operationssaal zur Erprobung neuer Hightech-Verfahren beeindruckt. Motto: „Die Zukunft operiert in Mannheim“. Beispielsweise mit „Guidoo“ , einem Roboter-Assistenzsystem für punktgenaue Entnahme von Gewebeproben (Biopsien).

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Noch steht bei der Projektgrupe, die an das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) angedockt ist, der Sprung zur selbständigen Einrichtung unter dem Dach der Forschungsgesellschaft aus. An dem angepeilten Ziel hat sich jedoch nichts geändert. Dass im Jubiläumsjahr so einiges in Bewegung gekommen ist, davon kündet der veränderte Name: „Klinische Gesundheitstechnologien“ löst die etwas sperrige Bezeichnung „Projektgruppe Automatisierung in Medizin und Biotechnologie“ ab. Der neue Leiter Jens Langejürgen sieht sich als Pragmatiker mit Visionen: „Technik zu erleben, hat mich schon im Studium fasziniert“, erzählt der promovierte Physiker, der vor fünf Jahren nach Mannheim kam und den Bereich Biomedizinische Sensoren und Mikrosysteme übernahm. Mit Kollegen entwickelte er ein Miniatur-Mahlwerk, das einzelne Zellen aus Gewebeproben herauslöst - „auf mechanischem Weg“, wie Langejürgen betont. Denn üblicherweise eingesetzte Enzyme haben den Nachteil, dass sie beim Isoliervorgang Spuren auf der Zelloberfläche hinterlassen, die später Analysen verfälschen können. Hingegen gewinnt der Gewebe-Spalter Einzelzellen unversehrt - um an diesen beispielsweise testen zu können, auf welches Medikament der Organismus bei einer bestimmten Krankheit gut, mäßig oder überhaupt nicht reagiert. Schließlich ist die genetische Ausstattung eines Menschen so einzigartig wie sein Fingerabdruck. Der sogenannte „Tissue-Grinder“ soll als Fraunhofer-Ausgründung vermarktet werden.

Dr. Jens Langejuergen Frauenhofer Institut, hier mit Johannes Hemm, Masterstudent Foto Thomas Troester © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Zu den laufenden Projekten gehört auch autonomes Katheter-Navigieren: Wenn beispielsweise bei einem Gefäßverschluss ein dünner biegsamer Schlauch schnell und sicher zur Verengung vorgeschoben werden soll. Dass bei künstlicher Beatmung die zuverlässige Messung der Gasmenge, die mit jedem Atemzug zugeführt und wieder ausgeatmet wird, eine zentrale Rolle spielt, ahnen selbst Laien. Jener Gasfluss-Sensor, an dem eine Mannheimer Fraunhofer-Gruppe arbeitet, soll auch dann zuverlässig messen, wenn sich Wassertröpfchen als Kondensat feuchten Atems auf dem Instrument ablagern.

„Ich wünsche mir, dass unsere Arbeit am Schluss dazu führt, dass mehr Zeit und Ressourcen für die individuelle Patientenversorgung bleiben“, unterstreicht der Mannheimer Fraunhofer-Chef Jens Langejürgen, dass er Medizintechnologie keineswegs als Selbstzweck sieht. Es gelte das Potenzial der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu erkennen - „wir müssen aber sicherstellen, dass es keine Insellösungen, sondern durchgängige Systeme gibt.“

Freie Autorin

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