Serie zum neuen Gemeinderat

Worum es dem einzigen Mannheimer Einzelstadtrat Julien Ferrat geht

Als Julien Ferrat zwischen 2014 und 2019 im Mannheimer Gemeinderat saß, handelte er sich eine offizielle Rüge und eine Beleidigungsanzeige des Oberbürgemeisters ein. Was er sich für seine Rückkehr vorgenommen hat

Von 
Steffen Mack
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Das Nationaltheater nennt Julien Ferrat „ein Sinnbild für die Heuchelei“, dass kein Geld da sei. © Steffen Mack

Mannheim. Über den Treffpunkt muss Julien Ferrat nicht lange nachdenken. Das Nationaltheater soll es sein, mit der riesigen Baustelle drumherum. Um die immensen Sanierungskosten von insgesamt schon rund 320 Millionen Euro geht es dem Einzelstadtrat der Wählerinitiative „Die Mannheimer“ indes nur am Rande. Sondern vielmehr um die permanenten Kosten für den Betrieb. Mit einem jährlichen Minus von rund 50 Millionen Euro, das die Stadt zu zwei Dritteln ausgleichen müsse (der Rest kommt vom Land), sei das Theater „ein Sinnbild für die Heuchelei hinter der Aussage ,Geld ist keines da!’“.

Ferrat wirft den Verantwortlichen vor, zu sehr auf Hochkultur und zu wenig auf Massengeschmack zu setzen. „Das Angebot trifft auf keine ausreichende Nachfrage.“ Als positives Gegenbeispiel nennt er das Festspielhaus Baden-Baden, dass auch Jazz oder Gospel anbiete. Wenn dieses strukturelle Problem in Mannheim gelöst werde, könne man auch über die Sanierung reden. Das Theater einfach dichtmachen und auf die in umliegenden Städten verweisen, das ginge selbst Ferrat zu weit.

Julien Ferrat: „Was mit staatlichen Zwängen zu tun hat, ist mir ein Dorn im Auge.“

Als ihm zweitwichtigstes Thema nennt er verbindliche Ganztagsschulen, allerdings aus anderer Warte als viele berufstätige Eltern: Ferrat lehnt diese Schulen überall dort ab, wo es keine Alternativen mit Halbtagsunterricht gibt. Zur Begründung verweist er auf die Freiheit der Kinder und Jugendlichen sowie auf Nöte der Vereine, die nachmittags auf ihren Angeboten sitzenblieben.

Hat der 33-Jährige schlechte Erfahrungen mit einer Ganztagsschule gemacht? „Nein“, sagt er. Da gehe es um seine grundsätzliche Haltung: „Alles, was mit staatlichen Zwängen zu tun hat, ist mir ein Dorn im Auge.“

Neu im Gemeinderat

  • Nach der Kommunalwahl am 9. Juni sind 17 Männer und Frauen neu in den Gemeinderat eingezogen.
  • In dieser Serie stellen wir sie in loser Folge vor.
  • Dieser Text ist der zweite Teil der Serie.

Seine druckreifen, pointierten Aussagen zeigen auch, dass sich Ferrat auf dieses Gespräch vorbereitet hat. Das berichtet er gleich von sich aus. So hat er auch sein drittwichtigstes Thema direkt parat: „Die sogenannte Katzenschutzverordnung ist der größte Etikettenschwindel, den der Gemeinderat beschlossen hat.“ Jemals oder in der vergangenen Sitzungsperiode? Letzteres, sagt er.

Mit der Kastrationspflicht für Streuner handele es sich in Wirklichkeit um eine „Katzeneindämmungsverordnung“, statt etwa mit Impfungen vor Krankheiten zu schützen. Dass Katzenschützer die verschärfte Fassung massiv gefordert haben, ändert Ferrats Meinung nicht.

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Auch im Gemeinderat will er unabhängig bleiben und sich keiner Fraktionsdisziplin unterordnen. Entsprechende Gespräche habe es zwar gegeben, aber da sei das Interesse beiderseits schnell erloschen, so der gebürtige Mannheimer.

Wie man seinen Namen ausspreche, sei ihm einerlei, sagt Julien Ferrat

Seine Mutter ist Französin, wie er erzählt (damit erhöht sich der Migrantenanteil in dem 48-köpfigen Gremium auf sechs). Er hat beide Staatsangehörigkeiten. Auf die korrekte Aussprache „Ferra“ legt er keinen Wert. Auch nicht auf den „Schüüüljäääh“? Bevor man die französische Sprache verhunze, sei auch ein deutsches „Julien“ okay.

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Auf seine Muttersprache greift er an anderer Stelle zurück. „Je ne regrette rien“ (das berühmte „Ich bereue nichts“-Zitat der Sängerin Edith Piaf) sagt Ferrat über seine erste Zeit als Stadtrat 2014 bis 2019. Ohne ins Detail gehen zu wollen: Selbstgedrehte Videos brachten ihm unter anderem eine offizielle Rüge des Gemeinderats und eine Beleidigungsanzeige des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Peter Kurz ein.

Statt einer Geldstrafe habe er schließlich Sozialstunden leisten können, und die öffentliche Hand seine Rechtskosten übernommen, berichtet Ferrat. Neue Videos plane er nicht, wolle sie aber nicht ausschließen. Bei CDU-Oberbürgermeister Christian Specht sei er erstmal noch sehr gespannt, ob der sein Wahlkampfmotto „Mein Mannheim kann mehr“ umsetzen werde.

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Weil das grün-rot-rote Lager keine Mehrheit mehr hat und das bürgerlich-konservative nur eine, wenn die Stimmen der AfD und die von Specht hinzukommen, könnte Ferrats Votum mitunter wichtig sein. Dem Vernehmen nach spiegelt sich das in ungewohnter Aufmerksamkeit einiger Akteure. Der 33-Jährige, früher bei den Linken, will nach eigenem Bekunden seine Zustimmung stets nach dem Inhalt richten. Das gelte für alle Anträge, egal wer sie gestellt habe. Auch für die der AfD.

Sein Hobby? Eine Woche FKK-Swingerclub in Südfrankreich

Ferrat beansprucht das Gleiche für sich wie die Rechtspopulisten: Sprachrohr jener zu sein, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. So kritisiert er den Mannheimer Seniorenrat, weil der sich sich gerade für eine Sperrklausel auf lokaler Ebene ausgesprochen hat. Das sei ein durchsichtiges Manöver der Vorsitzenden Marianne Bade (SPD) und Konrad Schlichter (CDU), ihren Parteien unliebsame Konkurrenz vom Leib zu halten.

Seiner Wählerinitiative „Die Mannheimer“ reichten am 9. Juni für einen Sitz 1,3 Prozent. Vor fünf Jahren war der Vorgänger „Mannheimer Volkspartei“ mit 0,5 Prozent gescheitert. Ferrat nutzte die politische Auszeit unter anderem, um sein Studium der Sozialwissenschaften abzuschließen. Aktuell arbeite er als Geschäftsführer im Online-Handel mit Waren und Dienstleistungen, sagt der Vater dreier Kinder. Als Beispiel nennt er den Import und Verkauf amerikanischer Kaugummis.

Auch eine Antwort auf die etwaige Frage nach seinen Hobbys hat er dabei. „Nächste Woche mache ich mit meiner Partnerin Urlaub in einem FKK-Swingerclub in Südfrankreich.“ Im Wahlkampf verzichtete er diesmal auf Termine am FKK-Strand. Als das im „MM“ gestanden sei, habe sich jedoch direkt ein Leser bei ihm gemeldet. Daraufhin hätten sie sich zum gemeinsamen Nacktbaden getroffen. Sowas mache ja sicher nicht jeder Lokalpolitiker, weiß Ferrat.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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