Mannheim. Rund 50 Menschen sind zur Kundgebung auf dem Paradeplatz gekommen. Den allermeisten fällt der Mann mit dem kleinen dunklen Rucksack nicht auf, der mit einigem Abstand seitlich hinter ihnen vorbeiläuft. Christian Specht geht zusammen mit seinem Büroleiter Frank Streif durch einen Nebeneingang ins Stadthaus. Die Demonstration hat auch nur indirekt mit dem Mannheimer CDU-Oberbürgermeister zu tun. Auf Plakaten steht etwa „Wegen gegen AfD heute nicht am Badesee“ und „Kein Handshake mit der AfD“.
Ihr Protest richte sich angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse im neuen Gemeinderat gegen jedwede Bestrebung, mit den Stimmen jener Partei „irgendwie herumzutricksen“, sagt Heiner Ritter vom Bündnis Mannheim gegen Rechts. Angesprochen fühlen darf sich da das bürgerlich-konservative Lager. Von dem ist niemand zur Kundgebung gekommen, aber einige von den Grünen, der SPD sowie von der LTK, der neuen Fraktion aus Linken, Tierschutzpartei und Klimaliste.
Oberbürgermeister Christian Specht äußert sich zu AfD-Stimmen eher ausweichend
Die Gretchenfrage für die Demonstranten, wie man es mit den AfD-Stimmen hält, bekommt Specht vor dem Ratssaal von Journalisten gestellt. Er antwortet etwas ausweichend, nach der Kommunalwahl vor fünf Jahren habe es auch schon Proteste gegen diese Partei gegeben. Und angesichts der immensen Herausforderungen - konkret erwähnt der Oberbürgermeister das Klinikum - setze er auf möglichst große Geschlossenheit im Gemeinderat.
Darin ist seine CDU räumlich nicht näher an die AfD gerückt, sondern in die Mitte. Dort saß bislang, weil es eine rot-grün-rote Mehrheit gab, die LI.PAR.Tie. Deren Nachfolgerin LTK hat jetzt zwischen Grünen und SPD ihre Plätze. Somit markiert der Mittelgang im Ratssaal nun quasi eine Links/Rechts-Grenze, wobei sich Einzelstadtrat Julien Ferrat keinem Lager zuordnen lassen will.
Mit Ausnahme von Egon Jüttner sind alle bei der Premiere dabei
Bis auf den unter gesundheitlichen Problemen leidenden Egon Jüttner (der langjährige CDU- und jetzige Mittelstand-für-Mannheim-Stadtrat hat sich der FDP-Fraktion angeschlossen) sind augenscheinlich alle am 9. Juni Gewählten zur konstituierenden Sitzung gekommen.
Bevor es losgeht, moniert Specht nach Hinweisen aus der CDU noch ein Plakat auf der Besucherempore. Carmen Fontagnier, Grünen-Bezirksbeirätin in der Neckarstadt-Ost, hat es von der Demonstration mit nach oben gebracht. Darauf steht: „Lebe stets so, dass die AfD etwas dagegen hat.“ Derartige Meinungsbekundungen seien während einer Sitzung untersagt, erklärt der Oberbürgermeister.
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Dann beginnt die offizielle Verpflichtung. 28 Männer und 19 Frauen erheben sich und sprechen Specht gemeinsam die in der baden-württembergischen Gemeindeordnung festgelegten Worte nach: „Ich gelobe Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten. Insbesondere gelobe ich, die Rechte der Gemeinde gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern.“
Alle Ausschüsse und sonstige Gremien müssen neu bestückt werden
Anschließend sind von den Ausschüssen bis zu den Aufsichtsräten der städtischen Töchter sämtliche Gremien neu zu besetzen. Traditionell werden alle Personalwünsche der Fraktionen durchgewinkt.
Danach kündigt der Oberbürgermeister den ersten inhaltlichen Beschluss an: Zur Feudenheimer Kerwe sollen am Sonntag, 21. Oktober, die Geschäfte in der Hauptstraße wieder ab 13 Uhr öffnen dürfen. Als Premiere passe dieses Thema prima, witzelt Specht. Er habe in der Zeitung gelesen, dass aus Feudenheim die meisten Gemeinderatsmitglieder kämen (gleichauf mit Neckarau).
Die Grünen haben doch auch jemanden mit Migrationshintergrund in ihrer Fraktion
In zwei anderen Punkten war jener „MM“-Artikel indes bedauerlicherweise nicht korrekt. Ein Leser schreibt, dass die FDP-Stadträtin Kathrin Kölbl keinen Doktortitel habe. Darauf angesprochen, lacht die Wirtschaftsprofessorin: „Ich kann mir schon denken, wer das war.“ Der Mann habe Recht. Damit verringert sich die „Dr.“-Quote in ihrer Fraktion von 75 auf 50 Prozent.
Und die Grünen machen darauf aufmerksam, dass auch bei ihnen jemand einen Migrationshintergrund habe: Der Vater von Mia Helbig, mit 18 Jahren die Jüngste im neuen Gemeinderat, stamme aus Serbien. Somit haben, sofern keine weiteren Erkenntnisse über ausländische Elternteile folgen, insgesamt sechs Mitglieder einen Migrationshintergrund. Also weniger als aus Feudenheim kommen (acht) oder einen Doktortitel tragen (neun).
Die ersten beiden inhaltlichen Beschlüsse ergehen einstimmig
Derweil geht es heiter weiter. Der verkaufsoffene Sonntag in Feudenheim wird ebenso einstimmig beschlossen wie der zur Seckenheimer Kerwe, ebenfalls am 20. Oktober. Specht lobt schmunzelnd die Gemeinderatsmitglieder, das hätten sie „ganz hervorragend gemacht“.
Am Ende gibt es doch noch eine kurze Kontroverse. Zu einem Thema, das schon oft und ausführlich diskutiert wurde: den neuen Straßennamen auf der Rheinau. Nun geht es nur noch um die Aufwandsentschädigung für die Betroffenen.
Holger Schmid, Fraktionschef der Mannheimer Liste (ML), nennt die vorgesehen 500 Euro speziell für Selbstständige einen „Scherz“. Damit sich die Neuen dazu eine Meinung bilden könnten, rege er an, das Ganze in den Oktober zu vertagen. Ins gleiche Horn stößt sein AfD-Kollege Jörg Finkler. Der ergänzt noch, wenn es nach ihm und seiner Partei gegangen wäre, hätte es diese Umbenennung nie gegeben.
Specht hält dagegen, er wolle nicht bis Oktober warten. Die pauschalen 500 Euro sollten möglichst schnell fließen. Falls jemandem viel höhere Unkosten entstünden, könne man darüber - mit entsprechenden Nachweisen - später noch reden. Bis auf ML und AfD stimmen alle Fraktionen der Vorlage zu.
Danach verabschiedet der Oberbürgermeister die neuen Gemeinderatsmitglieder in die Sommerpause. Er beglückwünscht sie, ihre erste Sitzung in einer halben Stunde bewältigt zu haben. Allerdings werde ihnen das erfahrungsgemäß kaum ein weiteres Mal gelingen. In der Tat.
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