Wohnen

Wohnungsnot in Mannheim: SPD zeigt bei Rundgang Baulücken auf

Auch in Mannheim fehlen Wohnungen. Die SPD hat nun Interessierten bei einem Stadtspaziergang Stellen gezeigt, wo Abhilfe geschaffen werden könnte.

Von 
Roland Schmellenkamp
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Eine Baulücke am Clignetplatz wird gerade als Parkfläche genutzt. © Roland Schmellenkamp

Mannheim. Am Clignetplatz ist eine Baulücke zwischen zwei Wohnhäusern. Hier könnten sechs Familien wohnen, die sogar einen Spielplatz vor der Tür hätten. Aber bebaut wird sie seit Jahrzehnten nicht. Nur ein paar Schritte weiter in der Langen Rötterstraße 66 ein positives Beispiel: Ein Gebäude mit interessanter Architektur bietet eine Mischung aus Gewerbe und Wohnraum.

Das waren zwei Stationen beim von der SPD organisierten Stadtspaziergang mit dem Thema „Baulücken trotz Wohnungsnot – wie lässt sich das ändern?“. Stadtrat Reinhold Götz, zugleich Fraktionsvorsitzender für die SPD und Sprecher für Stadtentwicklung, Wohnen und Finanzen wies gemeinsam mit dem Architekten Dennis Ewert, der auch SPD-Ortsvereinsvorsitzender in Neckarstadt-Ost ist, auf viele Stellen hin, an denen Wohnraum geschaffen werden könnte.

Bis 2040 werden in Mannheim rund 17.000 Wohnungen gebraucht

Wieso das wichtig ist, erklärte Götz den rund 20 Teilnehmern zu Beginn des Rundgangs: „Bis 2040 werden 17.000 neue Wohnungen benötigt. Die Konversionsflächen haben bis 2030 noch Raum für 7.700 Wohnungen.“ Die SPD habe vor zwei Jahren den Antrag für ein Baulückenkataster im Gemeinderat gestellt. Diese seien alle erfasst worden.

Das Problem: „90 Prozent der Baulücken gehören Privatleuten. Wir haben so gut wie keine rechtliche Handhabe und können nur Überzeugungsarbeit leisten.“ Es gebe viele Gründe, wieso nicht gebaut werde: hoffen auf Spekulationsgewinne durch steigende Grundstückspreise, zu wenig Interesse, zerstrittene Erbengemeinschaften oder zu wenig Kapital.

Ein positives Beispiel: Der Neubau in der Lange Rötterstraße 66 mit Wohnungen und Gewerbeflächen. © Roland Schmellenkamp

Außerdem, so Götz, müsse Wohnen bezahlbar sein: Schon jetzt müssten die Menschen dafür durchschnittlich 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, manche sogar die Hälfte. Was das bedeutet, hat er als Kind erfahren: „Meine Familie war kurz vor der Obdachlosigkeit. Meine Eltern konnten die hohe Nebenkostenabrechnung nicht bezahlen, es gab eine Räumungsklage.“ Weil der Vater beim Benz gearbeitet habe, habe die Familie schließlich eine Wohnung auf der Vogelstang erhalten.

Nachverdichtung in der Mannheimer City hat mehrere Vorteile

Wie Dennis Ewert berichtet, habe die Verdichtung in den Innenstädten mehrere Vorteile. So werde weniger Fläche verbraucht: Bei einem Mehrfamilienhaus seien um die 130 Wohneinheiten pro Hektar der städtische Durchschnitt, bei Einfamilienhäusern nur 16 Wohneinheiten je Hektar. Im Innenbereich der Städte lägen bundesweit 120.000 bis 165.000 Hektar brach. Durch Nachverdichtung könnten 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen entstehen, rechnete er vor. Damit würde sich auch der Verkehr reduzieren, da die Menschen nicht aus den Randbereichen in die Citys pendeln müssten.

Der Rundgang führte die Teilnehmer auch auf das Gelände der Kaufmannsmühle im Jungbusch, wo nun endlich gebaut wird. Außerdem soll die Hafenkirche umgestaltet werden. Die christlichen Kirchen wollen rund ein Drittel der Gotteshäuser in der Stadt verkaufen. An dem Projekt im Jungbusch sind Bürger und die Montag-Stiftungen beteiligt. Direkt vor der Kirche gibt es Platz für ein zusätzliches Gebäude.

Das Gebäude der Pizzeria am Alten Messplatz ist nur einstöckig. Mit einem Neubau über fünf Etagen könnte Gewerbe im Erdgeschoss und Wohnen verbunden werden. © Roland Schmellenkamp

Ein weiteres Beispiel ist die Pizza Adria in der Neckarstadt, die nur einstöckig gebaut wurde. Bis zu den Zerstörungen im Krieg stand hier ein großes Gebäude. Es könnte wieder bis zu fünf Geschosse hoch gebaut werden. „Kein klassisches Spekulationsobjekt“, erklärte Götz, „aber der Eigentümer könnte mehr daraus machen.“

Zu Fällen wie der Baulücke am Clignetplatz verwies Ewert auf das Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet!“ Eine Enteignung sei laut Verfassung möglich. Das würde beispielsweise in Barcelona geschehen: Bei langem Leerstand kündige die Stadt an, ein Grundstück zu übernehmen. Wird dort trotz dieser Ankündigung nicht gebaut, übernimmt die Stadt das Grundstück, der Besitzer erhält den halben Marktwert.

Auf dem Felina-Areal in Mannheim entstehen Ein-Zimmer-Appartments

Eine weitere Station war das riesige Felina-Areal in der Langen Rötterstraße: Hier stehen die oberen Geschosse leer, in denen früher 500 Menschen gearbeitet haben. Nun sollen Wohnungen entstehen – allerdings laut Ewert fast nur Ein-Zimmer-Apartments. Im Quartier würden jedoch vor allem Familienwohnungen benötigt. Er zählt weitere Baulücken in der Innenstadt auf: in F 7, 18 oder in U 2 am Herschelbad. Das Grundstück in U 4, 8 wird derzeit als Parkplatz genutzt. Und das in R 4,7 ist nur einstöckig bebaut.

Als mögliche politische Werkzeuge nennt der Architekt städtebauliche Korrekturen, das Erbbaurecht, die Unterstützung gemeinwohlorientierter Wohnbauträger, eine Sozialquote bei entstehenden Wohnungen sowie eine Bodenbevorratung. Bei letzterem hat die Stadt reagiert: Götz nennt den 2020 beschlossenen Bodenfonds. Er stellt Geld zur Verfügung, um Grundstücke anzukaufen und damit sozial, stadtgestalterisch und ökologisch Einfluss nehmen zu können.

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Ein weiteres Problem sei der Leerstand. Laut Ewert stünden bundesweit zwei Millionen Wohnungen oder Häuser leer. Wohnraum werde oft auch anders genutzt, beispielsweise als Gewerberaum oder gewerbliche Ferienwohnung. In Mannheim gibt es deshalb eine Zweckentfremdungssatzung.

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