Mannheim. Während Europa weiter um einen gemeinsamen Kurs in der Migrationspolitik ringt, Deutschland wieder stärker auf Grenzkontrollen setzt und auf dem Mittelmeer Menschen – nicht selten von kriminellen Schlepperbanden in Boote gelockt – um ihr Leben kämpfen, wirkt die Frage nach einem Dach über dem Kopf inmitten all dieser Komplexität beinahe banal. Doch am Ende jeder Flucht steht nun mal ein Ort, an dem Menschen ankommen müssen. Einer, an dem aus Ausnahme Alltag werden soll. Ein Ort, den weder Ministerien noch EU-Gremien, sondern die oft sowieso klammen Kommunen stellen müssen – zusätzlich zur Infrastruktur für die Integration.
„Wir merken, dass wir kommunal zunehmend unter Druck geraten“, sagt Thorsten Riehle, der als Sozialdezernent für die Unterbringung von Geflüchteten in Mannheim verantwortlich ist. Wenn Mittel zur Integration, etwa für Sprachkurse, immer weiter reduziert würden, brauche man sich nicht wundern, „wenn Dinge nicht mehr funktionieren oder falsch laufen“, kritisiert der SPD-Politiker „absurde“ Kürzungen des Bundes. „Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wie schlimm alles ist und dass sich Menschen nicht integrieren, und auf der anderen Seite aber nichts dafür tun, dass sich etwas verbessert.“ Neben engagierten Ehrenamtlichen brauche es dafür gefestigte Strukturen.
Gefestigte Strukturen möchte die Stadt Geflüchteten künftig unter anderem in der Edisonstraße in Käfertal bieten. Dort plant die Stadt, Menschen in Modulbauten unterzubringen. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um Gebäude, die im Baukastenprinzip entstehen. Die Bauteile werden vorfabriziert und müssen vor Ort nur noch montiert werden. Das Gelände wird derzeit geräumt und vorbereitet. Nach dem Baustart im Juli sollen die fünf Gebäude bis Mitte Oktober stehen und im ersten Quartal 2026 bezugsfertig sein, heißt es.
Insgesamt bringt die Stadt derzeit Geflüchtete an 17 Orten unter
Die Verwaltung setzt große Hoffnungen in das Konzept, mit dem sie neue Wege gehen will. Sie wird den Standort selbst betreiben und will dort auch die soziale Betreuung sicherstellen. Man will, sagt Riehle, eine aktive Hausgemeinschaft entwickeln, in der verschiedene Gruppen miteinander leben. Er spricht von einem Konzept, das an anderen Standorten im Land erprobt sei und „im Sinne einer gelebten Nachbarschaft die Integration von Menschen unterstützt“.
Wir merken, dass wir kommunal zunehmend unter Druck geraten
In den Wohnungen mit Bad und Küche sollen vier bis zwölf Personen unterkommen, insgesamt soll Platz für etwa 230 Personen sein. Ein Gemeinschaftsraum und zwischen den Häusern eine Begegnungsfläche sollen den Austausch fördern. Geht es nach Riehle und dem städtischen Beauftragten für die Unterbringung vulnerabler Gruppen, Klaus-Jürgen Ammer, soll eine Unterkunft entstehen, die auch anderen Gruppen hilft, Wohnraum zu finden: Studentinnen und Studenten, Auszubildende oder sozial Schlechtergestellte. Mit flexiblen Grundrissen will die Stadt auf unterschiedliche Anforderungen reagieren können. „Wir wollen mit dem Projekt in die Zukunft denken und Strukturen auch für andere Gruppen außer Geflüchteten schaffen, die Bedarf haben und diesen nicht anders befriedigt bekommen“, sagt Riehle.
Der Plan für die Zukunft ist vor allem auch der Not der Gegenwart geschuldet. „Wir haben noch immer großen Druck, Kapazitäten und Bestand aufzubauen“, sagt Ammer mit Blick auf die Unterbringung von Geflüchteten. Das liegt auch, aber nicht nur daran, dass die Weltpolitik täglich neue Krisen, die Fluchtbewegungen auslösen, befürchten lässt.
Neben den 2000 Geflüchteten, die die Stadt derzeit beherbergt, muss Mannheim zudem Platz für 700 weitere schaffen. Die hatte das für die Verteilung zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe der Stadt zuletzt gestundet – vereinfacht gesagt: Die Zuweisung wurde aufgeschoben. Zum anderen sorgt der anhaltende Krieg in der Ukraine noch immer dafür, dass die Zahlen auf vergleichsweise hohem Niveau sind. Gleichzeitig ist der Wohnungsmarkt knapp und teuer.
Wir müssen die Menschen, die uns zugewiesen werden, ja unterbringen
Aber auch das Projekt in der Edisonstraße hat seinen Preis. Etwa 13 Millionen Euro muss die Stadt für Bau und Ausstattung der Gebäude berappen – in Zeiten klammer Haushaltskassen. Das Projekt sei „ausfinanziert“, sagt Ammer. „Wir müssen die Menschen, die uns zugewiesen werden, ja unterbringen.“
Nach wie vor verfolgt die Stadt das Ziel, Unterkünfte in Hallen oder Zelten zu vermeiden. Die gelten als wenig integrationsfreundlich und – wie Hotels – äußerst kostenintensiv. In Hallen und Zelten gibt es kaum Privatsphäre oder Möglichkeiten, Mahlzeiten selbst zuzubereiten. Das sorgt für Konfliktpotenzial. Zudem werden Hallen für Vereine und Schulsport blockiert. So wie 2023, als die Stadt Menschen in der Friedrichsfelder Lilli-Gräber-Halle unterbringen musste. Unterbringung und Betrieb der Halle hat die Stadt damals für etwa ein halbes Jahr laut Ammer rund 2,5 Millionen Euro gekostet.
Und auch wenn sich die Kosten letztlich nicht ganz eins zu eins vergleichen ließen, zeige die Erfahrung, wie teuer und wenig nachhaltig eine Unterbringung in Hallen im Vergleich zu den Kosten in Käfertal sei. Dort soll laut Riehle Wohnraum für die nächsten 20 Jahre entstehen. Am 5. Juni lädt die Stadt um 18 Uhr Interessierte zu einer Informationsveranstaltung in die Adventistische Kirchengemeinde ein.
Die Verwaltung beherbergt derzeit Geflüchtete an 17 Standorten im ganzen Stadtgebiet. Auch auf Columbus sollen neue Unterkünfte entstehen. Das Gelände wird derzeit für die Erschließung von mobilen Wohnanlagen – vergleichbar mit Containern – vorbereitet. Eine Ausschreibung gibt es noch nicht, die Kostenprognose sei deshalb „schwierig“, sagt Ammer. Die Container sollen für maximal drei Jahre nutzbar und im Leistungsverhältnis zum Projekt in Käfertal wohl teurer sein. Zuletzt sind zudem erste Geflüchtete in eine Unterkunft in der Spreewaldallee eingezogen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-wie-die-stadt-mannheim-gefluechtete-unterbringen-will-_arid,2305347.html