Verkehr

Fahrradstraße sorgt für Unmut in Mannheim-Feudenheim

Viele würden sich wohl über eine Fahrradstraße vor der Haustür freuen. Nicht so in der Spessartstraße in Mannheim-Feudenheim. Der Ärger bei den Anwohnern ist groß.

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Kai Plösser
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Die Spessartstraße im Mannheimer Stadtteil Feudenheim wird in eine Fahrradstraße umgewandelt. © Kai Plösser

Mannheim. Während die Bagger unaufhaltsam rollen, laufen die Anwohnerinnen und Anwohner in der Spessartstraße in Feudenheim Sturm. Der Auslöser: Ihre Straße wird derzeit als Teil des Radschnellwegs Mannheim – Heidelberg in eine Fahrradstraße umgebaut. Was anderswo mit Wohlwollen aufgenommen werden dürfte, sorgt in der Nachbarschaft im westlichen Teil der Spessartstraße, zwischen dem Unteren Kirchfeld und der Christian-Morgenstern-Straße, für großen Ärger.

Rund zehn Menschen sind da, als sich diese Redaktion mit den Anwohnern an der Baustelle trifft. Immer wieder kommen weitere hinzu. Zufällig laufen sie vorbei, schließen sich der Gruppe an oder bleiben kurz stehen und äußern ihren Unmut über die künftige Fahrradstraße. Die Planung und Umsetzung sei an der Lebensrealität der dort wohnenden Menschen vorbeigeführt worden, heißt es. Der Stadt werfen sie eine Verschwendung von Steuergeldern vor. Warum ihre Straße für rund 1,8 Millionen Euro umgebaut wird, können sie sich nur schwer bis gar nicht erklären.

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Bei zwei Maßnahmen, die während der Umwandlung umgesetzt werden, gehen die Anwohner noch mit: Bei der Neuordnung des Parkens, womit zugleich die vielen abgestellten Wohnmobile aus der Spessartstraße verbannt werden, und einer verbesserten Überquerungsmöglichkeit an der Brüder-Grimm-Grundschule. Beides soll die Sichtbarkeit der Schülerinnen und Schüler erhöhen und den Schulweg dadurch sicherer machen. Doch hätte es die Stadt bei diesen Maßnahmen belassen sollen. Alles andere gehe zu weit, so die Meinung in der Nachbarschaft, die sich in der Vergangenheit lange Zeit vergebens gegen den Bau der Fahrradstraße gewehrt hatte.

Im ursprünglichen Zustand sei in Spessartstraße bereits vieles gut gewesen, so die Sichtweise der Anwohner. Bis zum Baubeginn im Februar gab es jeweils auf beiden Straßenseiten einen Gehweg, daneben verliefen die jeweiligen Radwege. Die Autos fuhren bei erlaubten 30 Kilometern pro Stunde abgetrennt von den Fuß- und Radwegen neben den am Straßenrand geparkten Fahrzeugen entlang. So hätten bisher alle Verkehrsteilnehmer genug Platz gehabt, um sicher von A nach B zu kommen. Für die Umwandlung in eine Fahrradstraße habe es in den Augen der Anwohner keinen Grund gegeben, von einer kompletten Fehlplanung über ihre Köpfe hinweg ist die Rede.

Anwohner der Spessartstraße in Feudenheim fürchten um Verkehrssicherheit

Ändern können sie es aber nicht mehr. Künftig genießen Radfahrer in der Spessartstraße auf einer Fahrbahnbreite von 4,60 Meter Vorrang vor dem Autoverkehr, für den bei freier Fahrt weiterhin Tempo 30 erlaubt ist. Doch dass das wie von den Planern vorgesehen zu mehr Sicherheit in der Spessartstraße führen könnte, glauben die Anwohner nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Schon vor der Umgestaltung seien viele Radfahrer häufig rücksichtslos und viel zu schnell unterwegs gewesen. Sobald die Fahrradstraße vor ihrer Haustür fertiggestellt ist, befürchten die Anwohner Schlimmeres.

„Die Umgestaltung der Spessartstraße in eine Fahrradstraße ist Bestandteil des Pilotprojekts des Landes Baden-Württemberg zur Förderung des Radverkehrs und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit“, sagt dagegen Stadtsprecher Alexandre Hofen-Stein auf Anfrage. Bereits vor der Umgestaltung sei es erlaubt gewesen, dass sich Radfahrer die Fahrbahn mit den Autos teilen. „Die früheren Radwege, für die die Benutzungspflicht bereits vor Jahren aufgehoben wurde, bieten keine höhere Sicherheit“, betont Hofen-Stein. Denn parkende Fahrzeuge hätten bisher die Sichtbarkeit des Radverkehrs verdeckt. Die Rechts-vor-links-Regel an den Kreuzungen habe Radfahrende zudem zu nachrangigen Verkehrsteilnehmern gemacht, begründet er.

Der Abschnitt vor der Brüder-Grimm-Grundschule ist bereits fertiggestellt: Links und rechts werden die neu entsiegelten Flächen in der Spessartstraße noch begrünt, in der Mitte genießen Radfahrer künftig Vorrang vor Autos. © Kai Plösser

Doch nicht nur die Umgestaltung in eine Fahrradstraße an sich, sondern auch einzelne Maßnahmen, die im Zuge des Umbaus vollzogen werden, kommen bei den Anwohnern nicht gut an. Unverständlich sei etwa, dass die sich im guten Zustand befindliche Fahrbahn aufgerissen und ein neuer Belag verbaut wird. Unnötig und somit Geldverschwendung sei das, lieber solle die Stadt die mit Schlaglöchern versehenen Nebenstraßen in der Gegend sanieren, argumentieren sie.

„Der Belag der Spessartstraße schien durchaus in einem guten Zustand“, ist sich auch Hofen-Stein bewusst. Doch „durch die neuen Bordsteinanlagen und die Verengung des Straßenraums musste die Straße in ihren Höhen neu nivelliert werden“, erklärt der Stadtsprecher die Maßnahme. Eine reine Deckensanierung sei somit „leider nicht möglich“ gewesen. Zwar hätte der Stadtraumservice diese Lösung aus Kostengründen bevorzugt. „Jedoch erlaubte der Aufbau der Straße diese Option nicht, da auch der Untergrund in der Spessartstraße dafür nicht tragfähig genug war“, geht Hofen-Stein weiter ins Detail.

Beschwerden wegen neuer Grünflächen in der Spessartstraße

Zudem werden die alten Radwege der Spessartstraße zurückgebaut und in Grünflächen umgewandelt, wobei 15 neue Bäume gepflanzt werden, die entgegen der Befürchtung der Anwohner nicht von ihnen selbst, sondern vom Stadtraumservice gepflegt werden sollen. Doch trotzdem ist den Anwohnern das neue Grün ein Dorn im Auge. Feudenheim habe in dem Teil bereits genug Grünflächen, somit sei auch das nur herausgeschmissenes Geld.

Doch sollen die entsiegelten Flächen nicht nur zur Attraktivität und Aufenthaltsqualität, sondern vor allem zur Versickerung von Regenwasser beitragen. „Angesichts des Klimawandels, steigender Temperaturen und sinkender Grundwasserspiegel ist es entscheidend, den versiegelten Straßenraum zu minimieren und das Oberflächenwasser über entsiegelte und begrünte Flächen wieder dem lokalen Grundwasser zuzuführen, anstatt es in die Kanalisation zu leiten“, erläutert Hofen-Stein.

In Mannheim existieren bereits zahlreiche Fahrradstraßen, aus denen keine Probleme bekannt sind.“
Alexandre Hofen-Stein Sprecher der Stadt Mannheim

Noch voraussichtlich bis Mitte August müssen die Anwohner im westlichen Teil der Spessartstraße mit den derzeitigen Einschränkungen der Baustelle vor ihrer Haustür leben. Danach geht es östlich der Brüder-Grimm-Schule weiter, wo zwischen Hermann-Löns-Straße und Neckarstraße bis voraussichtlich Dezember die finalen Baumaßnahmen umgesetzt werden. Bereits fertiggestellt ist der Teil vor der Schule zwischen Unteres Kirchfeld und Hermann-Löns-Straße.

„Bei der Entscheidung zur Umgestaltung der Spessartstraße wurden unterschiedliche Interessen sorgfältig abgewogen“, betont Hofen-Stein: „Aus Sicht der Stadtverwaltung entstehen den Anwohnern durch die Einrichtung der Fahrradstraße keine Nachteile.“ Auch wenn einige mit dem Konzept einer Fahrradstraße vielleicht noch nicht vertraut seien, gehe er davon aus, dass sich die Anwohner schnell daran gewöhnen werden. „In Mannheim existieren bereits zahlreiche Fahrradstraßen in Nebenstraßen, die eine wichtige Rolle im Radverkehrsnetz spielen, und aus denen keine Probleme bekannt sind“, sagt der Stadtsprecher.

Redaktion

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