Mannheimer Ex-Oberbürgermeister

Wieso Peter Kurz ein Buch geschrieben hat und worum es darin geht

Am 14. August kommt "Gute Politik - was wir dafür brauchen" in den Handel. Geschrieben hat das Buch der langjährige Mannheimer SPD-Oberbürgermeister Peter Kurz. Im Interview erklärt er, was ihn dazu bewogen hat

Von 
Steffen Mack
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Peter Kurz mit seinem Buch. Der 61-Jährige sagt, es zu schreiben sei ihm ein Bedürfnis gewesen. © Bernhard Zinke

Mannheuim. Herr Dr. Kurz, was hat Sie bewogen, gleich nach Ihrer Amtszeit dieses Buch zu schreiben?

Peter Kurz: Das Ausscheiden aus dem Amt löst ja auch aus, dass man seine Erfahrungen resümiert. Und ich wollte mich nicht gleich wieder in etwas stürzen, das längerfristige Bindungen mit sich bringt. Anfangs dachte ich eher an ein Handbuch über Kommunalpolitik, aber dann habe ich mich für einen politischen Debattenbeitrag entschieden.

Abgesehen von Veröffentlichungen, die Sie als Oberbürgermeister herausgegeben haben, ist es Ihr erstes selbst geschriebenes Buch?

Kurz: Ja, abgesehen von meiner Dissertation.

Fiel Ihnen das Schreiben leicht?

Kurz: Oh ja, es hat großen Spaß gemacht.

Wie lang haben Sie für die Rohfassung von „Gute Politik“ gebraucht?

Kurz: Zehn Wochen. Es ist ja kein wissenschaftliches Werk mit Fußnoten, und ich hatte von meinen Reden natürlich schon einiges Material.

Beim Lesen hat man den Eindruck: Es war Ihnen ein Bedürfnis, das alles mal aufzuschreiben. Korrekt?

Kurz: Ja. Es geht ja um Dinge, an denen ich mich über Jahre, wenn nicht über Jahrzehnte abgearbeitet habe. In Vorgesprächen mit dem Verlag wurde dann klar, dass es dabei nicht nur um Punkte geht, die mich interessieren, sondern die auch für andere von Interesse sein könnten.

Buch von Peter Kurz - Im Handel ab 14. August

  • Peter Kurz, von 2007 bis 2023 Mannheimer SPD-Oberbürgermeister, hat sein erstes Buch geschrieben.
  • Der Titel ist: „Gute Politik – was wir dafür brauchen.“
  • Das Werk erscheint im Fischer-Verlag, hat 112 Seiten und kostet 20 Euro. Ab Mittwoch, 14. August, ist es im Buchhandel erhältlich.

Der Verlag bewirbt Ihr Buch damit, man könne von den Kommunen lernen, was für gute Politik erforderlich sei. Denn hier stießen die Gesetze auf die Realität.

Kurz: Es ist tatsächlich so, dass die in den Kommunen gesammelten praktischen Erfahrungen auf Bundesebene zu wenig berücksichtigt werden. Eine Idee für den Titel war dann auch „Hört auf die Städte“. Aber das hätte aus Sicht des Verlags zu sehr verengt, schließlich enthält das Buch ja zehn grundsätzliche Thesen zu unterschiedlichen Politikbereichen.

In der These über den zu geringen Einfluss der Kommunen beschreiben Sie, wie deren Spitzen vor einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in der Schweizer Botschaft zusammenkamen - also auf exterritorialem Gelände eines neutralen Staates. Symptomatisch?

Kurz: Ja, es zeigt, wie besonders die Situation war, dass die Bundesregierung überhaupt mit einer größeren Gruppe von Vertretern der Städte zusammenkommt.

Wie oft waren Sie in Ihrer 16-jährigen Amtszeit bei so etwas dabei?

Kurz: Auf Fachebene laufen immer wieder Gespräche mit Regierungsvertretern. Aber dass ich als Oberbürgermeister zu einem breiteren Dialog geladen war, gab es meiner Erinnerung nach nur vier Mal. Nur in besonderen Krisensituationen.

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In normalen Zeiten findet kein Austausch statt?

Kurz: In dieser Art nicht. Sehr interessant finde ich, dass jetzt der neue britische Premier Kier Starmer regelmäßige Konferenzen mit kommunalen Vertretern plant. Dort wurde offensichtlich erkannt, wie sinnvoll das sein kann.

Sie waren Präsident des Südwest-Städtetags. Haben Kommunen mehr Einfluss auf die Länder?

Kurz: Da gibt es zumindest strukturierte Formate. Verfassungsrechtlich vertreten die Länder ja auch die Interessen der Kommunen beim Bund. Das ist allerdings auch Teil des Problems.

In der Pandemie hat sich das föderale System als sehr sperrig erwiesen. Von den damals vielfach angemahnten Konsequenzen ist heute indes keine Rede mehr, oder?

Kurz: Das ist auch mein Eindruck. Ich finde aber, wir sollten nicht nur schauen, was schlecht gelaufen ist, sondern auch die positiven Elemente analysieren und aus ihnen lernen.

Zum Beispiel?

Kurz: Grundsätzlich: Lern- und korrekturbereit zu sein. Damals hat man uns Kommunen in einigen Phasen direkt in die Entscheidungsfindung einbezogen und auch auf uns gehört, etwa wenn wir darauf gedrängt haben, bestimmte Einschränkungen schneller aufzuheben, weil sie nicht mehr gerechtfertigt waren und die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht mehr gegeben war. Wir waren auch die Ersten, die auf erhebliche soziale Unterschiede hingewiesen haben, sowohl was die Ansteckung anderer als auch den eigenen Schutz angeht. Da haben wir dann gezielt gegengesteuert.

So mit Impfbussen, auf die Mannheim mit als erste Stadt setzte?

Kurz: Genau. Wir haben in sozial benachteiligten Quartieren niederschwellige Angebote geschaffen und dafür Unterstützung erhalten.

Zu den Vorreitern gehörte Mannheim auch bei der nächtlichen Ausgangssperre. War die im Nachhinein nicht übertrieben?

Kurz: Das war eine Grenzentscheidung. Aber man muss auch die Dramatik der damaligen Situation sehen. Wir hatten steigende Todeszahlen ungekannten Ausmaßes und wollten die steil steigende Kurve durch eine auf wenige Tage begrenzte nächtliche Ausgangssperre brechen. Es ging zum einen darum, den Ernst der Situation deutlich zu machen. Zum anderen war schlicht das Ziel, das nächtliche Partytreiben - und damit „Super-Spreader Events“ - einzuschränken. Inwieweit gerade diese Maßnahme wirksam war, ist - soweit ich sehe - noch nicht ausreichend evaluiert.

Zurück zum Buch. Eine weitere These ist, Politiker müssten zum Klimawandel Klartext reden. Geht der Trend nicht ins Gegenteil?

Kurz: Leider eindeutig ja. Bei dieser Europawahl hat sich gezeigt, dass die politische Konjunktur des Klimawandels deutlich zurückgegangen ist. Natürlich haben wir, unter anderem mit einem Krieg mitten in Europa, neue Herausforderungen. Doch können wir den fundamentalen Konsequenzen der ökologischen Krise nicht weiter ausweichen und müssen sie ehrlich ansprechen.

Was halten Sie von den Protesten der Letzten Generation?

Kurz: Die sind nicht nur strafbar und gefährlich, sondern auch schädlich. Denn es wird der Eindruck erweckt, der Klimawandel sei überwiegend eine Frage der persönlichen Lebensführung. So kommen wir gesellschaftspolitisch nicht voran, sondern verstärken Spaltung.

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In Ihrem Buch kritisieren Sie auch hohe Standards in vielen Bereichen, die es etwa beim Brandschutz an Schulen gibt.

Kurz: Ich kritisiere, dass wir über Standards statt über Ziele zu steuern versuchen. Und ich kritisiere, dass sich die Standards verselbstständigen und wir nicht über ihre Kosten nachdenken und darüber, ob das eigentliche Ziel längst erreicht ist . . .

Konkret: Seit Jahrzehnten ist niemand bei einem Schulbrand in Deutschland gestorben, doch müssen Städte 25 bis 35 Prozent Ihrer Investitionen im Bildungsbereich in den Brandschutz stecken …

Kurz: … und es fehlt Geld für die pädagogischen Ziele. Es handelt sich bei immer neuen und höher werdenden Standards in vielen Bereichen um eine Fehlsteuerung, die wir uns nicht mehr leisten können. Das führt zum breit diskutierten Phänomen „Wir haben viel zu viel Bürokratie, wir kommen nicht mehr nach.“

Sie haben das Buch Ihrer Frau und Ihren Kindern gewidmet, denen Sie auch im Nachwort danken. Als Oberbürgermeister waren Sie eher nicht dafür bekannt, Persönliches öffentlich zu machen . . .

Kurz: Das finden wir auch nach wie vor richtig. Zu danken ist für mich aber eine Selbstverständlichkeit. Ob beim Abschied aus dem Amt oder beim Buch, bei dem sie ja auch alle auf die eine oder andere Weise ihren Anteil hatten.

Können Sie sich vorstellen, weitere Bücher zu schreiben?

Kurz: Aktuell ist das nicht geplant, aber ich will es nicht ausschließen. Das hängt natürlich auch etwas davon ab, wie dieses Buch ankommt.

Angela Merkel sagt von sich, sie mache nur noch Wohlfühltermine. Sie dagegen sitzen für die Stadt unter anderem als Honorarberater noch in einer Arbeitsgruppe des Landes in Sachen Klinikum . . .

Kurz: Das mögen keine klassischen Wohlfühltermine sein. Aber ich habe die Freiheit, zumindest nichts zu tun, was ich nicht tun möchte.

Was machen Sie derzeit so alles?

Kurz: Es sind verschiedene Aktivitäten, eine Mischung aus bezahlter Arbeit und Engagement in den Feldern, die mich die letzten Jahre bewegt haben: die Rolle der Städte national und international, Demokratie und Zusammenhalt, nachhaltige Stadtentwicklung und Staats- bzw. Verwaltungsreform. Heute Morgen etwa habe ich für eine Institution, die mich darum gebeten hat, an einem Förderkonzept für neue Ansätze in der Verwaltung geschrieben.

Wollen Sie das weiter so halten, oder streben Sie mittelfristig wieder eine feste Tätigkeit an?

Kurz: Funktionen, die mich in der Sache interessieren würden, verlangen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Einsatz von weit mehr als 40 Stunden pro Woche, der auch noch weitgehend fremdbestimmt ist. Ich bin bewusst aus so einer Aufgabe raus, da will ich nicht wieder rein.

Ihr Abschied aus dem Amt ist jetzt rund ein Jahr her. Gibt es Momente, in denen Sie bereuen, kein weiteres Mal kandidiert zu haben.

Kurz: Nein. Die Entscheidung hatte ich mir nicht leicht gemacht. Jetzt bin ich froh und dankbar, dass ich sie nach wie vor als richtig empfinde.

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Geben Sie Ihrem Nachfolger Christian Specht ab und an Tipps, oder zieht er Sie manchmal zu Rate?

Kurz: Ich halte bewusst Distanz zur Lokalpolitik, da eine Einmischung in meiner Rolle auch nicht angemessen ist. Eine Ausnahme sind Themen der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Verfolgen Sie Gemeinderats- debatten vielleicht mal im Livestream?

Kurz: Bei einer habe ich tatsächlich mal vor etwa einem halben Jahr reingeschaltet. Nach kurzer Zeit bin ich wieder raus. Im Regelfall verfolge ich die Lokalpolitik als „MM“-Leser.

Beraten Sie noch Ihre SPD? Die hadert ja sehr damit, nur noch dritte Kraft im Gemeinderat zu sein.

Kurz: Machen wir uns nichts vor: Aktuelle kommunale Wahlergebnisse sind entscheidend von Bundestrends bestimmt. Ich habe nur eine Empfehlung an alle Parteien, die Kommunalpolitik verantwortlich gestalten: sich mehr auf qualifizierte Entwicklung von Ideen und Programmen konzentrieren und darauf, genau für diese Ideen selbst auch Zustimmung in der Bevölkerung zu bekommen. Das kann dann als Nebeneffekt auch die Chancen bei Wahlen erhöhen.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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