Mannheim. Der Wasserturm hat, wie das Plakat zeigt, nur ein Notdach. Weite Teile der Stadt liegen noch in Trümmern, und der Rosengarten ist lediglich notdürftig geflickt worden. Aber dort wird mit dem Titel „Was bringt der Gabentisch?“ am 28. November vor 75 Jahren der erste Weihnachtsmarkt Mannheims nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet. Zwar ist die Bundesrepublik noch nicht gegründet, aber seit Juli 1948 die D-Mark eingeführt – und damit der Grundstein für den Aufschwung gelegt.
Das Sagen hat indes noch der amerikanische Standortkommandant. Seit Mai 1948 ist das Hugh Mair. Sein Grußwort steht ganz am Beginn des – im Original erhalten gebliebenen – Katalogs, noch vor dem des Oberbürgermeisters. Mair rühmt den „Unternehmergeist der Hersteller und die Geschicklichkeit der Arbeiter“. Er hofft, dass der Weihnachtsmarkt „ein weiterer Ansporn und Anreiz zu fleißiger Arbeit ist, so dass sich alle eines erhöhten Lebensstandards erfreuen können“.
Oberbürgermeister Fritz Cahn-Garnier macht dann eher deutlich, dass die Ausstellung im Rosengarten „ein Notbehelf“ sei. Schließlich sei Mannheim „zu drei Vierteln zerstört“. Und viele Firmen hätten in ihren Läden und Schaufenstern, „soweit sie überhaupt schon wieder über solche verfügen“, wie er anmerkt, gar nicht genug Platz.
Heizung im Mannheimer Rosengarten installiert
Denn Waren gibt es wieder, das zeigt der knapp 100-seitige Katalog. Der Handel wolle damit „seinen Beitrag zum Aufbauwerk leisten“, schreibt Stadtrat Karl Barber, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes, in seinem „Mit Initiative und Leistungswillen aufwärts“ überschriebenen Grußwort.
Sein Geschäftsführer Josef Gümbel ergänzt, dass man auf Käufer aus der Pfalz hofft. Schließlich seien „die Zonengrenzen gefallen“ und man könne wieder „ohne Pass die Rheinbrücke passieren“. Die war vorher nämlich als Grenze zwischen der französischen und der amerikanischen Besatzungszone gesperrt. Nun kann man an den Bahnhöfen der Region vergünstigte Eintrittskarten kaufen.
Organisiert wird der erste Weihnachtsmarkt von einer Freiburger Firma „Haus für Wiederaufbau und Wirtschaftswerbung“, als deren örtlicher Ausstellungsleiter Fritz Glunk fungiert – der später noch mal wichtig wird für Mannheim. Aber zunächst müssen Arbeiter der Stadt den Rosengarten so herstellen, dass der Weihnachtsmarkt dort stattfinden kann. Der im Krieg stark zerstörte Musensaal und die Wandelhalle (heute Foyer des Altbaus) werden hergerichtet, zerstörte Mauern aufgebaut, ein neuer Holzboden verlegt, eine Warmluftheizung installiert und das Dach ausgebessert.
Bekannte Ausstellernamen beim Weihnachtsmarkt
So ist dann Platz für 135 Ausstellungsstände, darunter einige bis zu 60 Quadratmeter groß. Dort dürften „die ausgestellten Waren ohne Kaufzwang besichtigt werden“, wie die Ausstellungsleitung betont. Man dürfe aber bitte nicht erwarten, „dass heute noch knappe Waren“ angeboten würden, heißt es auch. So sei etwa „die Textilwirtschaft durch die Rohstofflage noch zu stark beeinflusst“ – sprich es gibt zu wenig.
Aber Pelze sind im Angebot, Radiogeräte und Kühlschränke werden angepriesen, Motorräder und Fahrräder, Polstermöbel und Ölgemälde sind im Angebot zu finden, Schlittschuhe und Rollschuhe, Fotoapparate, Sportgeräte und Bücher, Spielwaren und Kosmetikartikel, Uhren und „Briefmarken mit Sammlerwert“, wie es eigens heißt, sogar mit Sonderpoststempel. „Seitens der Bausparinstitute wird der Bauspar- und Wohnsparvertrag als geeignetes Weihnachtsgeschenk angeboten“, so eine Werbung. Man sieht – der damalige Weihnachtsmarkt ist völlig anders als heute. Als Neuheit macht eine „Schulrechenmaschine“ Schlagzeilen, von der Firma Heinrich Ihrig als „Alleinhersteller“.
Im Ausstellerverzeichnis steht zwischen „A“ für Antiquitäten (Firma Wendt aus Feudenheim) bis zur Polsterei Zahn aus dem Jungbusch mancher noch heute bekannte Firmenname. Die Buchhandlungen Kober und Löffler (in Thalia aufgegangen) sind zu entdecken, bis heute existent sind die Bunte Mappe Lesezirkel, das Fahrradgeschäft Pfaffenhuber, Kühl-Spezialist Rütgers und der Eissalon Fontanella, während Eckrich + Schwarz Eisenwaren 2000 und Ilse Munz Herrenmoden erst 2011 geschlossen worden ist.
Die Firma Wilhelm Müller (damals Anbieter von „Fanta-Erfrischungstränken“) gibt es noch als Stiftung und Vermieterin des Areals auf der Vogelstang, das inzwischen direkt von der Coca-Cola-Gruppe genutzt wird. Andere Firmennamen kennen nur noch alte Mannheimer – Bazlen für Haushaltswaren etwa, das Café Kossenhaschen, das Pelzhaus Kunze oder Spielwaren Komes.
Weihnachtsmarkt mit besonderer Werbung
Herrlich ist auch ein Blick auf die Anzeigen. So offeriert die Städtische Sparkasse „Zum Weihnachtsfest schenkt Sparkassenbücher“. Eine „Portrait- oder Kinderaufnahme“ wird von einem Fotogeschäft als „Festgeschenk, das immer Freude bereitet“ bezeichnet, das Seifenhaus Böck empfiehlt für den Gabentisch neben Parfüm auch „praktische Artikel für den Haushalt wie Bohnerwachs, Besen und Bürstenwaren“, und ein Baustoffgeschäft offeriert alles, was nötig ist, um ein neues Heim zu errichten. Und die „Interessengemeinschaft Wegmann-Menger“ kündigt an, dass es seine Schreibwaren ab Frühjahr in der Passage Plankenhof verkauft – wo das Geschäft über 60 Jahre bleibt.
Auch Gastronomen empfehlen sich, der legendäre „Palmbräu-Automat“ in K 1 etwa, das Hotel-Restaurant Schlossbunker oder die Brauerei in Seckenheim („Bleib heimattreu, trink Pfister-Bräu“). Das Haus der Liedertafel in K 2 bezeichnet sich als „das schöne Konzert-Café“, und im Capitol in der Neckarstadt wird der Film „Der Graf von Monte Christo“ gezeigt. Wichtig: „Das Theater ist beheizt!“, heißt es.
„Alles in allem kann man sagen, dass die Ausstellung dank der Erfahrung und des Geschickes der Ausstellungsleitung und der beteiligten Firmen ein Erfolg ist“, steht schon nach einer Woche im „Mannheimer Morgen“. Und als der Weihnachtsmarkt am 14. Dezember schließt, sind immerhin 62 000 – zahlende! – Besucher gezählt worden.
Der spätere Maimarkt-Macher
Bis 1950 ist der Rosengarten Schauplatz eines Weihnachtsmarktes. Dann geht es erst 1972 auf dem Paradeplatz weiter, worauf 1978 ein Umzug an den Wasserturm folgt. Veranstalter ab 1972 ist die als Maimarkt-Ausrichter bekannte Mannheimer Ausstellungsgesellschaft der Familie Langer. Und da schließt sich der Kreis zu Fritz Glunk, dem Ausstellungsleiter des Weihnachtsmarktes 1948. Glunk, der in der Nachkriegszeit viele hauswirtschaftliche Ausstellungen oder Fachmessen durchführt, vertraut die Stadt bereits 1959 den Maimarkt an – es wird eine absolut gelungene Privatisierung. Anfangs Teilhaber von Glunk, trägt Kurt Langer ab Ende der 1960er Jahre alleine die Verantwortung. Daraus geht die heute von seiner Tochter Stephany Goschmann und von Jan Goschmann geführte Mannheimer Ausstellungsgesellschaft (MAG) hervor, die Maimarkt und Weihnachtsmarkt ausrichtet.
1990 entsteht durch das Modehaus Engelhorn auf den Kapuzinerplanken eine zweite derartige Veranstaltung, seit 2003 von der städtischen Gesellschaft Event & Promotion Mannheim (EPM) ausgerichtet. 2012 kommt der schöne Märchenwald auf dem Paradeplatz von den Schaustellerfamilien Rick und Rick-Schmidt dazu.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-wie-vor-75-jahren-der-erste-mannheimer-weihnachtsmarkt-nach-dem-krieg-aussah-_arid,2150693.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/feudenheim.html