Mannheim. Der Grundstein? Wenn es einen gab, ist er verschollen. Aber die Baupläne und sogar einige große Bauteile gibt es noch, und die alten Glocken läuten bis heute, wenn auch an ganz anderer Stelle. Und im Herzen, im Gedächtnis vieler Mannheimer ist das Alte Kaufhaus in N 1 bis heute. Am 24. März wäre sein 300. Geburtstag – würde nicht seit 1991 anstelle des prächtigen Barockbaus ein nüchterner Betonbau stehen.
Es ist der 24. März 1724, als Kurfürst Carl Philipp den Befehl zum Bau des Kaufhauses gibt – dieses Datum gilt als Geburtsstunde, weil den genauen Baubeginn keiner kennt. Vier Jahre zuvor hat der Kurfürst Heidelberg den Rücken gekehrt, am 2. Juli 1720 den Grundstein für das Schloss gelegt. Mannheim soll zu einer barocken Residenzstadt werden, aber nicht nur. Carl Philipp, einer der bedeutendsten Reichsfürsten seiner Zeit, will mehr. Mannheim wünscht er sich als blühenden Wirtschaftsstandort, als Zentrum des Handels wie die Messestädte Frankfurt, Leipzig oder Nürnberg.
Die Stadt Mannheim verschleppt den Bau des Kaufhauses in N 1, der sich 22 Jahre hinzieht
Daher erlässt der Regent die nötigen Regelungen, von der Religionsfreiheit für fremde Kaufleute bis zur Wechselordnung oder Vorrechten für in der Kurpfalz hergestellte Waren. Und er weist den Stadtrat an, ein Lager- und Kaufhaus zu errichten. In Absprache mit Ingenieur-Oberst Friedrich von Fremelle, dem Festungsdirektor, wird als Standort das freie Quadrat im Herzen der Stadt ausgewählt und im August 1724 der Bauplatz aufgeteilt.
Auf dem zum Paradeplatz (damals „Alarmplatz“) hin gelegenen Drittel soll das Kaufhaus entstehen. Den Rest des Grundstücks erhalten – unentgeltlich – Privatleute, allerdings mit der Auflage, nach einem einheitlichen Fassadenmodell zu bauen.
Was wird künftig aus N 1?
- Kurz vor Ende seiner Amtszeit legte Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vor, wonach die beste Lösung ein Umbau von N 1 zum Rathaus wäre. Denn obwohl eine Sanierung „nicht wirtschaftlich und zweckmäßig“ sei, so die Stadtverwaltung 2021, scheidet ein Abriss aus, seit das Landesamt für Denkmalschutz N 1 als Denkmal eingestuft hat. Mischnutzungen hätten sich nicht bewährt, ein Hotel und Einzelhandel machten keinen Sinn.
- Allerdings biete es sich an einer so zentralen Stelle an, ein Rathaus einzurichten – denn auch bis zum Zweiten Weltkrieg saß die Hauptverwaltung in N 1. Erst danach zog sie nach E 5, aber diese Räume sind längst zu klein. Die Verwaltung hat zahlreiche Immobilien in den Quadraten angemietet. In N 1 könnten der Oberbürgermeister, drei Bürgermeister (zwei weitere sitzen im neuen Technischen Rathaus) und zentrale Fachbereiche sowie die Büros der Fraktionen angesiedelt werden. Die Sitzungssäle sind ja ohnehin in N 1.
- Aber ohne Umbauten ginge das nicht. Ob und welche Umbauten statisch und denkmalrechtlichmöglich wären und ob das wirtschaftlich vertretbar umgesetzt werden könne, muss noch geprüft werden. Da ein Umbau ohnehin erst möglich ist, wenn die Stadtbibliothek in den Neubau N 2 gezogen ist, drängt die Zeit nicht – daher wird das Thema nicht mit Priorität bearbeitet.
Von Fremelles Untergebenem, Ingenieur-Hauptmann Johann Georg Baumgratz, stammt der erste Plan. „Darin ist bereits die Paradeplatzseite so zu erkennen, wie sie ausgeführt wurde, mit Mittelturm und anschließenden Verkaufsgewölben, von Arkaden umgeben“, so Volker Keller, Zweiter Vorsitzender des Vereins Stadtbild und bester Kenner der Stadthaus-Geschichte.
Mit dem Bau beauftragt worden seien „die besten Architekten und Künstler“ ihrer Zeit, so Keller, die alle auch am Schloss mitwirken. Architekt und Baumeister Guillaume d’Hauberat, die Künstler Alessandro Galli da Bibiena und Paul Egell zeichnen für den Bau, die prachtvolle Fassade und den bildhauerischen Schmuck verantwortlich.
Allerdings zieht sich der Bau 22 Jahre hin. Nach ersten Fundamentierungsarbeiten geht es nur zögerlich voran. „Die Stadt übte sich im Verschleppen“, sagt Volker Keller. Sie sei nicht in der Lage, „dergleichen pretioses Kauf- und Lagerhaus in der Geschwinde aufbauen zu können“, verweisen die Stadtväter gegenüber dem Kurfürsten auf knappe Kassen. Sie wagen sich sogar, anzuzweifeln, „was die Stadt für einen Nutzen aus solchem Gebäu haben solle“. „Einheimischer Krämersinn“ sei der Grund für die Verzögerungstaktik, nimmt Keller an, dass Handel und Zünfte Konkurrenz fürchten.
Der Kurfürst wird daher zunehmend ungeduldiger. Schon 1725 schickt er Soldaten, damit sie beim Erdaushub für die Fundamente mithelfen. Aber da der öffentliche Teil – im Gegensatz zum Bau auf den privaten Grundstücken – nicht vorangeht, platzt dem Regenten 1733 der Kragen. Er entzieht der Stadt einen Teil ihres Etats, überträgt ihn an die kurfürstlichen Behörden und beauftragt sie, den Bau fertigzustellen.
Allerdings stürzt 1737 das Kellergewölbe unter dem Turm ein. Schuld sollen der Maurer Johannes Schick, schlechter Mörtel und der Zeitdruck gewesen sein. Schick soll sich deswegen von der Baustelle hinabgestürzt haben, sagt eine Überlieferung. Es gibt aber auch die Deutung, er sei vor Schreck hinabgefallen, als er einen Baufehler entdeckt – es gibt jedenfalls auf der östlichen Längsseite 24 Rundbögen, auf der westlichen nur 23. Jedenfalls erinnert bis zum Abriß des Turms ein Kreuz an der Westseite an den nie ganz aufgeklärten Todesfall.
Wegen Zweifeln an der Standfestigkeit erhält der Turmbalkon einen Unterbau. Fertig ist das Kaufhaus erst 1741 – bis auf den Turm. Allerdings ziehen, vom Erdgeschoss abgesehen, überwiegend Behörden ein. Der Kurfürst, der den Bau befohlen hat, erlebt seine Fertigstellung nicht mehr. Carl Philipp stirbt 1742. Erst sein Nachfolger Carl Theodor kann Ende 1746 die Vollendung feiern. Lange findet der Maimarkt in den Arkaden statt.
Mannheimer Kaufhaus in N 1 - ein Buchtipp
Das Haus dient als Mehlwaage, Lager, Komödienhaus, für Geschäfte, Gerichte und Behörden sowie ab 1891 der Berufsfeuerwehr. Ab 1902 wird das Kaufhaus zum Rathaus umgebaut, aber im Erdgeschoss bleiben viele Läden. Im Zweiten Weltkrieg wird das Gebäude 1943 zwar stark, doch nicht ganz zerstört. Turm und Arkaden werden aber 1965 abgerissen.
Mannheimer Verein Stadtbild hofft weiter auf historische Rekonstruktion des Kaufhauses in N 1
Erhalten geblieben sind die beiden barocken Glocken von 1746, die noch 1938 Zuwachs bekommen hatten. Da lassen die Nationalsozialisten eine „Rheinlandbefreiungsglocke“ gießen, die Adolf Hitler huldigt. Sie entgehen der Einschmelzung und werden nach dem Krieg erst im Zeughaus, dann im Rathaus E 5 gelagert.
1949 entscheidet die Stadt, sie leihweise der Liebfrauenkirche im Jungbusch zu überlassen. NS-Embleme und -Schriften werden entfernt. Laut Unterlagen des Marchivums muss die Kirche der Stadt zunächst 50 D-Mark Leihgebühr jährlich zahlen, was 1959 auf fünf Mark reduziert wird. Ohne Kündigung verlängert sich der Leihvertrag um jeweils ein Jahr – und das bis heute.
Der Verein Stadtbild hofft weiter, dass in N 1 eine historische Rekonstruktion des Kaufhauses entstehen könnte. Sie würde Mannheim „etwas von der Weltoffenheit und Schönheit des Barock zurückbringen“, hofft Volker Keller.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Spinelli-Öffnung in Mannheim: Eine vernünftige Lösung