Mannheim/Berlin. Freitag, 13. September, 17 Uhr. Berlin. Bürgerfest des Bundespräsidenten im Park von dessen Amtssitz Schloss Bellevue. Unter den geladenen Gästen: der Mannheimer Philipp Meder. Dort trifft der 28-Jährige das Staatsoberhaupt. Und ist einer von nur ganz wenigen der 4300 Teilnehmenden, die auf der Website des Bundespräsidialamtes vorgestellt werden.
Dienstag, 17. September, 9.30 Uhr. Mannheim, Stadtteil Neckarstadt-Ost. Verlegung eines Stolpersteins für den 1944 hingerichteten Friedrich Char. Wieder ist Philipp Meder dabei, als Mitglied des ehrenamtlichen Arbeitskreises Stolpersteine Mannheim/Ludwigshafen.
Zwei Tage, zwei Ereignisse im Leben des Philipp Meder. Sie zeugen von seinem Engagement, aber auch von dessen jüngster Würdigung.
Der Geschichte - ihr widmet er sich in vielfältiger Weise, vor allem im Studium an der Uni Mannheim. Dort auch als Mitglied der Initiative „Junge Regionalforschung“, einem Zusammenschluss von Studierenden des Lehrstuhls Hiram Kümper, die sich historischen Themen auf örtlicher Ebene widmen. Aber eben auch ehrenamtlich, vor allem in der KZ-Gedenkstätte Sandhofen.
Wie er dazu kommt? Eines Tages erhält er die Info, dass dort eine Guide-Schulung angeboten wird. Er macht mit. Und bereits Anfang 2023 leitet er dort seine erste Führung.
KZ-Gedenkstätte Sandhofen erinnert an Leid der Zwangsarbeiter
Eingerichtet ist die Gedenkstätte seit 1990 im Untergeschoss der Gustav-Wiederkehr-Schule. Im Ortskern von Sandhofen gelegen, ist diese von September 1944 bis März 1945 Außenstelle eines Konzentrationslagers, Natzweiler-Struthof. Kein Vernichtungslager wie Auschwitz, aber dennoch Ort unermesslichen Leidens und Sterbens. Mehr als tausend Menschen sind damals in dem Gebäude interniert, Jungen und Männer aus Polen, ihrer Heimat und ihren Lieben willkürlich entrissen, um im Benz-Werk unter unmenschlichen Bedingungen zu schuften.
Heute ist hier eine Gedenkstätte - und mit ihren Führungen bedeutender Bestandteil der Mannheimer Erinnerungskultur. Besucher sind vor allem Schüler, zumeist der 8. bis 10. Klassen, aber auch andere Gruppen oder interessierte Einzelpersonen.
Regelmäßig leitet Meder nun Führungen, manchmal sogar zwei an einem Tag, im Sommer dagegen nur alle zwei Wochen eine: „Da sind Schulferien, und auch die Erwachsenen haben anderes im Sinn, als eine Gedenkstätte zu besuchen.“ Seit einem Jahr ist Meder aber auch Mitglied des Arbeitskreises zur Neukonzeption dieser Ausstellung.
Trotz dieses starken Engagements kommt die Einladung zum Bürgerfest für ihn überraschend. „Irgendwie habe ich mich gar nicht getraut, das Briefcouvert zu öffnen“, schmunzelt er unter Hinweis auf den goldfarben gestanzten Bundesadler auf der Rückseite. Er holt seine Freundin Finni Jo Erdmann dazu. Beide lesen, dass sich „Der Bundespräsident und Frau Elke Büdenbender“ beehren, ihn mit Begleitung zu ihrem Fest nach Berlin einzuladen.
Und das ist ein gesellschaftliches Highlight. Ort: der Park von Schloss Bellevue. Gelegenheit, Spitzen der Politik persönlich zu treffen. Dazu Live-Musik sowie erlesene Speisen und Getränke kostenfrei, als kleines Dankeschön für die Ehrenamtlichen, und zwar ausschließlich für sie. Eingeladen wird man nämlich nur auf Empfehlung von Persönlichkeiten und Institutionen, die Ehrenamtliches bewerten können.
Besuch bei Steinmeier: Meder weiß erst nicht, wer ihnm vorgeschlagen hat
Am Anfang weiß Meder gar nicht, wer ihn vorgeschlagen hat. Auf Nachfrage erfährt er vom Bundespräsidialamt: Es ist das Staatsministerium Baden-Württemberg. „Das kommt daher, weil ich im vergangenen Jahr an einer Schulung der Landeszentrale für politische Bildung für Guides teilgenommen habe.“
Und natürlich freut er sich riesig. Fährt sogar ein paar Tage früher in die Hauptstadt. In der hiesigen Außenstelle des Bundesarchivs recherchiert er für seine Masterarbeit. Thema: „Anwendung japanischer Produktionsmethoden bei Volkswagen in den 1980er und 1990er Jahren.“ Die soll Ende des Jahres fertig sein. Danach möchte er promovieren.
Welche Erwartung hat er an das Fest, lautet unsere Frage im Vorfeld? „Eigentlich keine“, sagt er, um sich dann doch zu korrigieren: Er hat sich Steinmeiers Buch „Wir“ gekauft, und das würde er sich gerne von ihm signieren lassen. Den Bundespräsidenten hat er zwar schon mehrmals gesehen. Bei der Leipziger Buchmesse und beim Historikertag, bei der Buga-Eröffnung in Mannheim und beim Gedenken für den getöteten Polizisten auf dem Marktplatz. „Aber das war natürlich nicht die Gelegenheit, ihn deswegen anzusprechen.“
So beginnt Meder den großen Tag aufgeregt. Er und seine Freundin wohnen in Berlin in einer Pension in Tempelhof (wo er im Supermarkt zufällig Kevin Kühnert beim Einkaufen trifft), eigentlich nur 50 Minuten von Bellevue entfernt. Doch wie es der Teufel will: An diesem Tag fällt die U-Bahn aus. Die beiden müssen den Bus nehmen, drei Mal umsteigen. Und kommen daher gerade noch rechtzeitig. Eine Stunde stehen sie in der Schlange vor dem Schloss. Denn die Sicherheitskontrollen sind noch strenger als sonst. Zumal ein hoher Staatsgast anwesend ist. Partnerland des Festes ist diesmal nämlich Kenia, und so ist dessen Präsident William Ruto mit dabei.
Auf der Bühne im Park spielt derweil die BigBand der Bundeswehr. Dann, kurz nach 17 Uhr, verkündet Moderator Cherno Jobatey: „Meine Damen und Herren, der Bundespräsident und Frau Elke Büdenbender und der Präsident der Republik Kenia und Frau Rachel Ruto“. Die Präsidentenpaare betreten die Terrasse zum Park hin, alle Anwesenden erheben sich. Die Flagge Kenias wird gehisst, seine Nationalhymne und das Deutschlandlied erklingen. Eine Atmosphäre, die auch Philipp Meder nicht unbeeindruckt lässt.
Vor allem jedoch beeindruckt ihn die Rede des Bundespräsidenten. „Wir haben in diesem Land lange über die Wutbürger gesprochen“, ruft Steinmeier aus: „Lassen Sie uns jetzt wieder mehr über die Mutbürger sprechen!“ Stürmischer Beifall der Anwesenden ist ihm sicher. Denn damit sind sie hier gemeint. Und unter ihnen Philipp Meder.
An den Bodyguards vorbei zum Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier
Danach unternimmt Steinmeier mit seinem Staatsgast den Rundgang durch den Park, umringt von einem Dutzend Bodyguards, groß wie Kleiderschränke. Und um sie herum Trauben von Selfie-Jägern. Und irgendwo mittendrin Philipp Meder mit seinem Buch. Doch er hat Glück.
Meder gelingt es, durch den Kordon von Bodyguards und Selfie-Jägern zu Steinmeier vorzustoßen, ihm sein Buch zu übergeben, das dieser gerne unterschreibt. Doch als er es Meder zurückgeben will, da ist der bereits wieder fast abgedrängt von den Bodyguards. Wie auch seine Freundin, die den eigentlichen Akt der Signierung daher nicht mit dem Smartphone festhalten kann. Doch Meder gelingt es, sich wieder vorzuarbeiten: „Ich will nur mein Buch holen“, versichert er der Security.
Welch eine Aufregung! An anderer Stelle sind Karl Lauterbach und Nancy Faeser ebenfalls gefragt, auch Margot Friedländer ist da. Aber die Holocaust-Überlebende zieht sich bald zurück. Verständlicherweise. Für die 102-Jährige ist der Trubel zu viel. „Sie hätte ich gerne noch getroffen“, bekennt Historiker Meder.
Doch auch so genießt er den Abend: „Er ging viel zu schnell vorbei“, schwärmt er: „Ein Super-Erlebnis!“ Und verdiente Anerkennung. Aber auch ohne diese würde er sich engagieren. Doch mit ihr erst recht. Schon vier Tage danach. Bei der Stolperstein-Verlegung in Mannheim.
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