Rhein-Neckar. Es war ein Rekord. Aus dem Stand. 6700 Helferinnen und Helfer haben in 80 Kommunen bei 312 Projekten mit angepackt. Damals am 20. September 2008. Gerechnet haben die Initiatoren nicht mit einem solchen Erfolg – aus dem Stand. Es war eine Riesenüberraschung. Gabriele Hartmann, bei der Walldorfer Softwareschmiede SAP für das soziale Engagement in Deutschland zuständig, erinnert sich noch genau. Die Mannheimerin war von Anfang an bei der guten Sache mit dabei. Und das nicht nur aus beruflichen Gründen.
Die SAP gab seinerzeit die Initialzündung für den Freiwilligentag, der an diesem Samstag zum neunten Mal über die Bühne geht und erstmals auf zehn Tage ausgeweitet wird. Bis zum 30. September wird auf vielfältige Weise geschafft. Ein Blick zurück auf die Anfänge.
Das damalige SAP-Vorstandsmitglied Claus Heinrich ist von 2007 bis 2009 auch Vorstandsvorsitzender des Vereins Zukunft Metropolregion (ZMRN). Heinrichs Amtszeit ist getragen von der Idee, die Wirtschaft und die Wissenschaft zusammenzubringen. Aber nicht nur das. Es geht auch darum, dieses noch junge künstliche Gebilde namens Metropolregion Rhein-Neckar für die Menschen erlebbar zu machen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die gemeinsame Region emotional spüren.
Dazu haben die Akteure der Metropolregion ein Bürgermonitoring in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Es gibt einen sehr hohen Anteil von ehrenamtlich engagierten Menschen hier: 42 Prozent. Der Bundesdurchschnitt beträgt deutlich weniger, nur 36 Prozent. Und 31 Prozent sagen, sie würden mit anpacken, wenn sich irgendwie für einzelne Projekte die Gelegenheit dazu ergäbe.
Freiwilligentage: In den USA ein festes Ereignis im Jahreskalender
Da kommen die SAP- und ZMRN-Verantwortlichen ziemlich schnell auf die Volunteering Days, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter international leisten. In den USA beispielsweise gehören solche Freiwilligentage zum festen Ereignis im Jahreskalender. Es wird von den Bürgerinnen und Bürgern dort sogar regelrecht erwartet, praktische Nachbarschaftshilfe zu leisten.
Also passte die Region das Konzept für Rhein-Neckar-Verhältnisse an. Das Ziel: das Wir-Gefühl der Metropolregion stärken und zugleich den Vereinen der Region die Chance zu geben, ihre Aktivitäten zu präsentieren und möglicherweise Mitglieder zu gewinnen. „Die Vereine haben das durchaus skeptisch gesehen“, erinnert sich Gabriele Hartmann. Einen Tag mit anpacken sei noch kein Ehrenamt, wenden die Kritiker ein und bleiben zurückhaltend. „Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert.“ Die Vereine haben die Chance des Freiwilligentags erkannt – nämlich zu zeigen, dass es sie überhaupt gibt. „Das ist heute noch viel wichtiger als damals“, so Hartmann. Für das Motto, das bis heute gilt, hat sich die Metropolregion seinerzeit von einer Textzeile aus der Feder von Xavier Naidoo inspirieren lassen. Der veröffentlicht 2005 – noch fern von kruden Verschwörungstheorien – das Lied „Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen“. Das „schaffen“ wird der Schlüsselbegriff für die neue regionale Marke.
Zum Erfolg trägt sicher auch eine Marketing-Kampagne bei: Riesige blaue Würfel stehen an jedem größeren Stadteingang, Plakataktionen und große Werbekampagnen erreichen die Menschen überall zwischen Bergstraße und Weinstraße.
Positive Energie auf einem Schulhof in Ludwigshafen
6700 folgen am Ende dem Ruf, rund 2000 mehr als noch am Vortag erwartet. Viele haben sich gar nicht angemeldet, sie stoßen spontan zu den Hilfsaktionen. Gabriele Hartmann erinnert sich noch an die Situation im Hof einer Kita in Ludwigshafen. Willi Kuhn, der Präsident der IHK Pfalz, hatte einen Bagger mitgebracht und bewegte die Erdhaufen – und die Helferinnen und Helfer. Plötzlich sei in diesem Hof eine positive Energie entstanden, dass die Menschen am Ende mehr geschafft hatten als geplant war.
Dieses Phänomen hat sie seitdem immer wieder erlebt. Man fragt sich am Morgen des Freiwilligentags: Warum tust du dir das an? Stehst früh auf und könntest doch noch liegen bleiben. Vielleicht noch im Auto wabern diese Zweifel durch den Kopf. Spätestens am Einsatzort ist der innere Schweinehund verschwunden, buchstäblich aufgefressen.
Und ganz nebenbei, erklärt Hartmann, tut man noch was für seinen eigenen Bildungshorizont. Vor zwei Jahren, beim jüngsten Freiwilligentag, packte sie im Hardtwald bei Sandhausen mit an. Eine große Truppe, zusammengetrommelt vom Verein Pro Wald, machte der Amerikanischen Kermesbeere den Garaus. Die eingewanderte Pflanze macht immer mehr einheimischen Gewächsen in den Wäldern das (Über-)Leben schwer. „Ich wusste vorher weder was von Kermesbeeren noch von invasiven Arten überhaupt“, erinnert sich Gabriele Hartmann. Man lerne also auch was fürs Leben an den Freiwilligentagen. „Jetzt gehe ich viel bewusster mit dem Thema um“.
Wer auch was fürs Leben lernen will: An diesem Samstag gibt es hundertfach die Möglichkeit dazu. Und wenn es heute nicht – es gibt weitere neun Gelegenheiten in den kommenden Tagen. Die Freiwilligentage dauern bis zum 30. September.
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