Mannheim. Wilhelmine schaut den Betrachter direkt an. Sie ist schmutzig und steht in einem Transporter, zusammengepfercht mit anderen. Wilhelmine war ein Schwein, transportiert am 8. November 2005 in den Niederlanden. Auch Max erlitt dasselbe Schicksal: Das Küken wurde am 27. Februar 2017 in Katar transportiert.
Beim Anschauen der Schwarz-Weiß-Bilder, die Wilhelmine und Max zeigen, könnte der Betrachter ein mulmiges Gefühl bekommen. Immerhin haben die Tiere eine lange Reise unter schlechten Bedingungen hinter sich, ehe sie geschlachtet wurden.
Ausstellung gegen Tierleid in Mannheim: Emotionale Portraits von Tieren
Die Porträts von Wilhelmine und Max sollen beispielhaft für etwa 3,8 Millionen Tiere stehen, die allein in der EU täglich über lange Strecken transportiert werden, so der Verein Animals’ Angels auf seiner Webseite. Animals’ Angels ist eine Tierschutzorganisation, welche sich auf den Schutz von Nutztieren während des Transports - meist zum Schlachthof - fokussiert. Laut Verein finden solche Transporte aus wirtschaftlichen Gründen oftmals über viele Tage und Ländergrenzen hinweg statt. Auch die Bedingungen seien in vielen Fällen nicht zumutbar. Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen, fotografiert die Organisation die Nutztiere während des Transports und veröffentlicht die Bilder.
Vor diesem Hintergrund reist Animals’ Angels aktuell mit der Fotoausstellung „Würde“ zu verschiedenen Universitäten - und so auch nach Mannheim. Denn neben den Bildern von Wilhelmine und Max werden in der Uni Mannheim aktuell zehn weitere Porträtfotos von Tieren ausgestellt.
Darauf zu sehen sind unter anderem Kamele, Gänse und Pferde. Jedes fotografierte Tier bekommt darüber hinaus als Zeichen seines „unveräußerlichen Werts“ einen Namen, so Animals’ Angels. Interessierte können die Fotoausstellung noch bis zum 15. März im ersten Obergeschoss des Ehrenhof Ost besuchen.
Besucher der Ausstellung "Würde": „Lebensinhalt sind Tierrechte“
Er lebe seit seinem 14. Lebensjahr vegetarisch und seit 20 Jahren vegan, sagt der ehemalige Tierarzt Michael Hoffmann, der mit seiner Frau aus Altrip nach Mannheim kam, um die Fotosammlung zu betrachten. Beide setzen sich sehr für Tiere ein und engagieren sich auch in Tierschutzvereinen. „Unser Lebensinhalt sind Tierrechte“, so Hoffmann.
Auch Andreas Parmentier, der Stadtrat der Partei Mensch Umwelt Tierschutz, ist zur Veranstaltung gekommen, denn er finde es, wie er sagt, wichtig, auf Tierleid hinzuweisen: Menschen könnten etwas sagen, Tiere hingegen nicht. Und auch die 25-jährige Studentin Antonia findet das Thema der Bilderausstellung relevant: „Es ist wichtig, ein Bewusstsein zu entwickeln, welches Fleisch und wie viel man isst“, sagt sie.
Vegane Menüs in der Mannheimer Uni-Mensa gefragt
Im Rahmen der Ausstellung hat zusätzlich eine Vorlesung zum Thema „Tierschutz als Pflicht des Staates: traurige Wirklichkeit vor hohem Anspruch - Gedanken einer Philosophin und eines Strafrechtswissenschaftlers“ stattgefunden. Eröffnet hat diese der Rektor der Universität Mannheim Thomas Puhl. Er findet es gut, dass die Betrachter den Tieren direkt in die Augen sehen können und nicht nur Fleisch gezeigt wird. Außerdem schaut er zuversichtlich in die Zukunft: In der Mensa der Uni sei die Schlange an der Ausgabe des veganen Menüs jetzt schon deutlich länger als die der anderen Gerichte.
Zu Besuch im Schloss war zudem Ariane Désirée Kari, die erste Bundestierschutzbeauftragte. „Ich bin davon überzeugt, dass Wissen Tiere schützt und Unwissenheit zu Tierleid führt.“ Deswegen möchte Kari in ihrem Amt vor allem aufklären und für Bewusstsein sorgen. Außerdem will sie sich für bessere Gesetze und Verordnungen einsetzen: So hätten beispielsweise Tiertransporte trotz hoher Hitze stattgefunden, die nicht strafrechtlich verfolgt wurden. Mit ihrer emotionalen Rede stößt Kari bei den etwa 90 Zuhörern, die entweder im Vorlesungssaal oder online anwesend sind, auf viel Zustimmung.
Mannheimer Strafrechtler Jens Bülte erklärt Gesetzeslage
So auch bei Tierschutzstrafrechtler Jens Bülte, der im Anschluss die rechtliche Sicht des Tierschutzes erläutert. Laut Artikel 20a des Grundgesetzes sollen alle Organe des Staates Tiere schützen. Außerdem besagt das Tierschutzgesetz, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Tierquälerei kann deshalb in Deutschland mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Jedoch gäbe es nach Bültes Wissensstand seit 1972 nur zwei Fälle, bei denen wegen Tierquälerei im Agrarbereich Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt wurden.
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Am Ende der Veranstaltung teilt auch Tierethikerin und Seniorprofessorin Ursula Wolf ihre Gedanken mit dem Publikum. Hierbei diskutiert sie unter anderem, was denn mit dem vernünftigen Grund, der im Tierschutzgesetz genannt wird, gemeint sein könnte. Außerdem sei es offen, ob zum Tierschutz auch der Schutz des Tierlebens gehöre. So ist im deutschen Tierschutzgesetz vom Schutz des Lebens und Wohlbefindens eines Tieres die Rede, während in der Schweiz die Würde und das Wohlergehen geschützt werden soll, jedoch nicht das Leben.
Nach dem Vortrag äußert Besucher Hoffmann noch einen großen Wunsch: „Ich hoffe, dass andere die Tiere in Ruhe lassen, einfach existieren lassen´.“
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