Mannheim. Egal, ob auf dem Balkon, im Garten oder auf öffentlichen Plätzen: Stadttauben sind oft ein Ärgernis und gelten häufig als Belästigung. Wie in vielen Städten ist auch in Mannheim das Stadtbild von den Vögeln geprägt. Gefühlt werden es immer mehr, und sie rücken dem Menschen dabei immer mehr auf die Pelle. Die Stadt weiß um die Situation: „Der Taubenbestand in Mannheim stellt ein Problem dar“, sagt Sprecherin Désirée Leisner auf Anfrage.
Beschwerden an die Stadt wegen des hohen Taubenaufkommens bleiben nicht aus. Diese würden sich überwiegend auf das unerlaubte Füttern und auf Kotablagerungen beziehen, so Leisner. Doch es kann auch schlimmer kommen, denn die Vögel machen sich mitunter auch an ungünstigen Stellen breit. So habe der Infektionsschutz im Jahr 2023 vier Dachböden in der Innenstadt reinigen und schließen müssen, weil sich dort Tauben eingenistet hatten.
Tauben-Hotspots in Innenstadt/Jungbusch und Neckarstadt-Ost
Die Tiere aber können wenig für ihr Verhalten und somit auch für ihren schlechten Ruf. „Die Menschen sind schuld, dass Tauben existieren“, sagt Tabea Neisen, Vorsitzende des Stadttaubenprojekts Rhein-Neckar, im Gespräch mit dieser Redaktion. Vor mehr als 6000 Jahren hat der Mensch mit der Domestikation der Vögel vom Wild- zum Haus- und Nutztier begonnen. Das Fleisch lieferte Nahrung, der Kot wurde als Düngemittel benutzt, Brieftauben dienten lange als Kommunikationsmittel. Wegen ihrer Vielseitigkeit wurden Tauben gezielt gezüchtet, und somit auch ihre Eigenschaften.
Doch haben die Vögel als Nutz- und Haustier längst ausgedient. So landeten sie im Laufe der Zeit auf der Straße, weshalb sie nun ihr trauriges Dasein als Stadttauben führen. Auch in Mannheim sind laut Sprecherin Leisner überwiegend verwilderte Haustauben unterwegs. Ende 2021 kam das Stadttaubenprojekt bei einer Zählung hochgerechnet auf 5100 Tauben in Mannheim. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. „Aber es sind inzwischen viel mehr“, ist sich die Vorsitzende Neisen sicher.
Die Stadt geht, basierend auf den damaligen Zahlen des Stadttaubenprojekts, davon aus, dass sich in den Stadtteilen Innenstadt/Jungbusch (2150 Tauben) sowie in der Neckarstadt-Ost (850) die größten Populationen befinden. Doch egal wo, den Tauben gehe es oft sehr schlecht, sagt Neisen. Neben Tierquälerei durch Taubenhasser oder nicht tierschutzgerechten Vergrämungsmaßnahmen - wie etwa Netzen oder Abwehr-Spikes - verhungern die Vögel in vielen Fällen, betont Neisen. Dass die Tiere oft leiden, langsam und qualvoll sterben, bliebe häufig unerkannt. „Stadttauben haben keinen Schmerzschrei, so dass es keiner mitbekommt“, erklärt die Rechtsanwaltsfachangestellte, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich für den Taubenschutz einsetzt.
Stadttaubenprojekt
- Der Verein setzt sich aktiv für den Schutz von Stadttauben ein, macht auf das Thema aufmerksam und klärt darüber auf.
- Der Verein ist auf Freiwillige angewiesen. Man kann etwa beim Aufpäppeln der Tauben helfen oder eine Patenschaft übernehmen. Auch wird ein Platz für eine Voliere gesucht.
- Hilfe beim Eiertausch sowie Meldung von Tauben-Notfällen und Brutplätzen: per Anruf, WhatsApp, Telegram, Signal unter 0151/45 70 77 62. Wenn möglich, mit Bild.
- Weitere Infos: stadttaubenprojekt-rhein-neckar.org
Mit dem Stadttaubenprojekt will sie das Aufkommen der Vögel auf tierschutzgerechte Weise verringern. Plädiert wird für das sogenannte Augsburger Modell. Das sieht vor, dass in betreuten Taubenschlägen genügend Futter und Wasser sowie ausreichend Nist- und Sitzplätze bereitstehen. Das soll die standorttreuen Tiere an den Schlag binden, so dass sie nicht mehr in der Stadt herumlungern müssen. Zentrales Element, um die Population einzudämmen, ist der Eiertausch. Hierbei werden die in den Schlägen gelegten Eier durch Ei-Attrappen ersetzt, so dass der Nachwuchs gar nicht erst schlüpfen kann.
Standorte für Taubenschläge in Mannheim gesucht
„Wir arbeiten daran, dass in Mannheim mehr Taubenschläge entstehen können“, sagt Neisen. Lange habe die Stadt zu wenig für den Taubenschutz getan. „Aber es tut sich was“, betont die 27-Jährige. Denn die Stadt will die Sache künftig gezielt angehen, wie Sprecherin Leisner bestätigt. Zwar werde das Augsburger Modell in Mannheim bereits seit Jahren angewandt, sagt sie. Jedoch gibt es derzeit nur einen vom Tierschutzverein betreuten Taubenschlag im Quadrat S 1. „Pro Woche werden durchschnittlich, je nach Jahreszeit, circa 50 Taubeneier entfernt und durch künstliche Eier ersetzt“, geht Leisner ins Detail.
Die Erfahrungen mit dem Augsburger Modell seien bisher positiv, betont sie. Hochgerechnet könnten pro Schlag - in dem 200 Tauben Platz finden sollten, um die Population eindämmen zu können - pro Jahr durch getauschte Eier ein Zuwachs von 500 bis 700 Tauben vermieden werden, rechnet Leisner vor. Die Fortpflanzungskette werde somit bezogen auf die Lebenserwartung um 7500 bis 10 500 Nachkommen reduziert. Auch lande durch den Eiertausch deutlich weniger Taubenkot auf den Straßen: schätzungsweise zwischen 2,5 und 3,5 Tonnen.
Die Stadt wolle nun zunächst in den besonders betroffenen Gebieten weitere betreute Taubenschläge errichten. Doch das Vorhaben gestaltet sich schwierig: Trotz öffentlichen Aufrufs hätten sich bisher weder in der Innenstadt noch im Jungbusch oder in der Neckarstadt Hauseigentümer finden lassen, die bereit wären, auf geeigneten Dachböden, Flachdächern oder Freiflächen einen Taubenschlag einrichten zu lassen, erklärt Leisner. Auf der Vogelstang, wo ebenso Bedarf bestehe, werde dagegen eine Planung und Realisierung vorangetrieben. Pro Taubenschlag rechnet die Stadt jährlich mit Kosten in Höhe von 21 400 Euro. „Für das Haushaltsjahr 2024 wurden 65 000 Euro eingestellt“, betont Leisner.
„Ein Riesenerfolg“ sei das zwar, sagt Neisen. Doch reiche es bei Weitem nicht aus, sich nur auf das Augsburger Modell zu verlassen. Auch die Bürgerinnen und Bürger sieht sie in der Verantwortung. Sie sollten vor allem brütende Tauben nicht vergrämen und gelegte Eier nicht ohne Tausch entnehmen. Das habe Nachteile für Mensch und Tier. Denn die Taube legt entgegen ihres natürlichen Verhaltens schon kurz darauf die nächsten Eier, was gesundheitliche Risiken für sie birgt. Kann sie ihre Eier zudem nicht an derselben Stelle wie gewohnt legen, verlagere sich das Problem nur, wie etwa auf die bereits erwähnten Dachböden in der Innenstadt.
„Eiertausch kann jeder, egal wie man zu Tauben steht“
„Eiertausch kann jeder, egal wie man zu Tauben steht“, sagt Neisen. Die Eier sollten sobald wie möglich, aber erst, nachdem das zweite Ei gelegt wurde, ausgetauscht werden. Dabei dauert es bis zu 48 Stunden, bis die Taube das zweite Ei produziert hat, erklärt Neisen. Entsorgt werden können die echten Eier im Restmüll. Tauben brüten höchstens 28 Tage auf den Attrappen. Das Stadttaubenprojekt steht beim Eiertausch unterstützend zur Seite. So liefert oder verschickt es etwa Ei-Attrappen und bietet ein Notfalltelefon an.
„Wir sehen, dass sich etwas ändert. Wir bekommen immer mehr Meldungen zum Eiertausch“, sagt Neisen. Das Stadttaubenprojekt habe zwischen März und Dezember 2023 in der Region 895 Eier getauscht. In 2024 sind es bereits 627. Das Ziel in diesem Jahr: mindestens 1000 Eier. „Dazu brauchen wir die Bürger“, appelliert Neisen, Brutplätze zu melden. Nicht nur zum Wohle des Tieres, sondern auch der Nerven der verärgerten Menschen wegen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Tauben-Problematik in Mannheim: Mehr Anreize für Eiertausch schaffen