"MM"-Interview

Wie könnte der Klinikverbund Mannheim-Heidelberg aussehen, Herr Lucha?

Universtätsklinikum, die eigene Partei und Cannabis. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha verrät, ob auch er kiffen wird und spricht über das schwache Ergebnis der Mannheimer Grünen bei der OB-Wahl

Von 
Florian Karlein und Marco Pecht
Lesedauer: 
Ist seit 2016 Minister für Gesundheit, Soziales und Integration in Baden-Württemberg: Der Grünen-Politiker Manne Lucha. © Christoph Blüthner

Mannheim. Über den Verbund der beiden Unikliniken in Mannheim und Heidelberg wird derzeit verhandelt. Im Interview mit dem „MM" spricht Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha darüber, ob der Zeitplan eingehalten werden kann, wie das künftige medizinische Profil Mannheims und die Trägerrolle des Landes aussehen könnte. Und er verrät, ob er die Cannabis-Freigabe nutzen wird.

Herr Lucha, die Klinikrefom aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist so gut wie fertig und soll bald Gesetz werden. Sie hatten sich zwischenzeitlich sehr kritisch dazu geäußert. Jetzt haben Sie eingelenkt. Warum?

Manne Lucha: Was uns als Länder zu Beginn vorgelegt wurde, war für uns nicht zu akzeptieren. Krankenhausplanung ist Ländersache, und es ist auch sinnvoll, dass wir die Angebote nach den jeweiligen Notwendigkeiten organisieren. Jetzt ist es so geplant, dass die inhaltliche Positionierung einer Klinik nicht mehr an das jeweilige Versorgungslevel des Hauses gekoppelt ist. Welche Behandlungen angeboten werden, hängt also nicht mehr von der Frage ab, ob ein Haus nach bundesweiten Kriterien als Maximalversorger eingestuft wurde oder nicht. Und das halte ich für richtig.

Eine Hauptbefürchtung ist, dass Patientinnen und Patienten gerade in ländlichen Regionen für bestimmte medizinische Leistungen lange Wege in Kauf nehmen müssen. Ist durch diese Art der Schwerpunktbildung nicht die wohnortnahe Versorgung in Gefahr?

Lucha: In Baden-Württemberg ist der so genannte ländliche Raum meistens in der Nähe eines gar nicht so kleinen Mittelzentrums. Wir haben überwiegend Regionen, in denen Wegstrecken zumutbar sind und auch bestimmte Fristen gut eingehalten werden können. Aber es geht ja in der Debatte nicht um irgendein medizinisches Angebot, sondern um eine qualitativ hochwertige Versorgung und um das richtige Angebot am richtigen Ort. Wenn wir Bürgerinnen und Bürger fragen, wird auch deutlich, dass eine qualitativ hochwertige Versorgung wichtiger ist als die Wohnortnähe.

Das ist Manne Lucha

  • Manfred Lucha – von allen Manne genannt – ist seit 2016 Minister für Soziales, Gesundheit und Integration der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg.
  • Geboren wurde Lucha in Oberbayern, lebt aber mittlerweile in Ravensburg. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und zwei Enkel.
  • Dort saß Lucha 22 Jahre für die Grünen im Gemeinderat, lange als Fraktionsvorsitzender. Von 1999 bis 2016 war er Kreistagsmitglied.
  • 2011 schaffte Lucha erstmals über ein Zweitmandat den Einzug in den baden-württembergischen Landtag. Bei der Wahl 2016 gewann Lucha dann das Direktmandat im Wahlkreis Ravensburg

Seit einiger Zeit laufen die Verhandlungen über den Verbund der beiden Universitätskliniken Mannheim und Heidelberg. Vor dem Hintergrund der Klinikreform: Muss man sich Sorgen machen, dass Mannheim nach dem Zusammenschluss kein Maximalversorger mehr sein wird?

Lucha: Nein. Aber diese Konstruktion, ein Universitätsklinikum einzurichten, das kein wirkliches Universitätsklinikum ist, war vom ersten Tag an ein Geburtsfehler, den man eines Tages büßen musste. Die Medizinische Fakultät Mannheim ist im Ranking immer herausragend, macht gute Arbeit. Aber gleichzeitig brauchen wir keine umfassenden Doppelangebote an beiden Standorten - das ist ressourcentechnisch nicht sinnvoll. Deswegen kommt uns die beschlossene Reform jetzt zugute. Es wird auch in Zukunft Doppelangebote in Mannheim und Heidelberg geben. Aber unser Weg, das Klinikum auch baulich nicht zu groß zu konzipieren, wird sich bewähren.

Mehr zum Thema

Soziales

Zwei Mannheimer Krankenhäuser sollen zusammengefasst werden

Veröffentlicht
Von
Till Börner
Mehr erfahren
Koalition

Manne Lucha: „Kann die Blockade von Lisa Paus verstehen“

Veröffentlicht
Von
Marco Pecht
Mehr erfahren

Gibt es also Bereiche, die am Mannheimer Klinikum zur Disposition stehen?

Lucha: Dazu kann ich momentan keine Aussage treffen.

Oder anders: Die Blinddarm-Operation würde bei den Barmherzigen Brüdern im Theresienkrankenhaus und im Diako gemacht werden, hochkomplexe Behandlungen in den Bereich des Klinikums fallen?

Lucha: Die Menschen suchen sich ihre Krankenhäuser schon jetzt gezielt aus, sind über medizinische Angebote und Spezialisten informiert. Große Traumata, Schlaganfälle, Herzkrankheiten - da sind die Profile der Leistungsanbieter klar. Und dann gibt es immer ein paar Spezialgebiete am oberen Rand der Verteilung wie Transplantationsmedizin. Das muss man dann zu gegebener Zeit klären. Konzentrationsprozesse verbessern ja die Angebotssicherheit.

Lucha hat die Pläne zur Legalisierung von Cannabis im Koalitionsvertrag der Ampel mit ausgehandelt. © Christoph Blüthner

Und der Zeitplan?

Lucha: Das Bundesgesetz zur Klinikreform wird Anfang 2024 kommen, 2025 ist dann das Konvergenzjahr und 2026 das Zähljahr. Der Klinikverbund zwischen Mannheim und Heidelberg soll spätestens im ersten Quartal 2024 stehen.

Mannheims neuer Oberbürgermeister Christian Specht rückt jetzt mit an den Verhandlungstisch. Haben Sie mit ihm schon mal Kontakt aufgenommen?

Lucha: Ich habe ihm gratuliert, beim Christopher Street Day haben wir uns getroffen. Aber wir sind noch nicht zum Thema Klinikverbund zusammengekommen, weil die Gespräche momentan noch auf Arbeits- und nicht auf Spitzenebene laufen. Mit seinem Vorgänger Peter Kurz habe ich sehr viel vorbereitet.

Christian Specht hat gesagt, viele Investitionen in Mannheim hängen vom Ergebnis der Verhandlungen über den Verbund ab. Nämlich: Wie viel Anteile am Klinikum übernimmt das Land über die Heidelberger Uniklinik?

Lucha: Wir haben gesagt, wir schauen uns das Bauprogramm an, wir konzentrieren uns auf das medizinische Konzept, und wir schauen, dass beide mit dem Verbund gut in die Zukunft gehen können. Auf Basis der Verbundlösung verständigen wir uns gemeinsam auf ein medizinisches Konzept. Und das ist die Grundlage für unsere Investitionsförderung.

Und trotzdem stellt sich die Frage, wer künftig die Defizite des Klinikums trägt.

Lucha: Das Ziel der Reform ist die schwarze Null. Wann die kommt, kann ich heute nicht sagen, dafür ist meine Glaskugel zu trüb.

Am 9. Juni 2024 finden in Baden-Württemberg die Kommunalwahlen statt. Lucha empfiehlt seinen Grünen, sich ins Zeug zu legen. © Christoph Blüthner

Sie sprechen über Investitionen, das Problem des Mannheimer Klinikums sind doch die jährlichen Verluste.

Lucha: Investitionen sind unsere Zuständigkeit. Die Stadt als Krankenhausträger ist für die Betriebsergebnisse zuständig, dafür verhandelt sie mit den Krankenkassen. Das Land hat dieses Jahr sehr verantwortungsbewusst entschieden, einen Verlustausgleich zur Verfügung zu stellen. Ziel ist aber, dass die Medizin so betrieben wird, dass sie auch auskömmlich ist. Klar ist aber: In einem Verbund lässt man sich nicht hängen.

Letzter Versuch: Welche Beteiligung des Landes am Mannheimer Klinikum - in Prozenten ausgedrückt - können Sie sich als Gesundheitsminister vorstellen?

Lucha: Wenn Bayern München Harry Kane verpflichtet, wird das auch nicht öffentlich verhandelt. Grundsatz ist: Wir wollen und müssen die Mannheimer Kompetenzen und Profile noch mal stärker definieren. Wo sind Alleinstellungsmerkmale für die Versorgungsregion? Gleichzeitig wollen wir den guten Ruf als medizinische Fakultät erhalten. Wir wollen am richtigen Ort das richtige Angebot, keine inhaltsgleichen Doppelstrukturen, die kannibalisieren. Mannheim soll im schönen Licht erstrahlen.

Jetzt müssen wir zu seinem anderen Thema kommen. Die Ampel ist mit den Plänen zur Legalisierung von Cannabis ein Stück weiter gekommen. Sie sind dafür.

Lucha: Ja, ich bin Befürworter. Ich habe diese Reformpläne in den Koalitionsverhandlungen mit verhandelt.

Jetzt kommen Sie ja gebürtig aus Bayern. Dort ist man sehr gegen eine Legalisierung. Können Sie die Kritik verstehen?

Lucha: Ich kann Ihnen sagen: In Bayern wird nicht weniger gekifft als anderswo in der Republik. Keiner derer, die die Legalisierung jetzt verteufeln, hat nachgewiesen, mit welchen politischen Maßnahmen der Konsum in den vergangenen 30 Jahren eingedämmt oder zumindest gesteuert wurde. Die Zahl der Konsumenten ist gestiegen in einer Zeit, in der der Konsum verboten war. Ich verharmlose Cannabis überhaupt nicht. Ich komme aus der Sozialpsychiatrie und habe viele Menschen gesehen, die wegen Drogen Psychosen entwickelt haben.

Es gibt Stimmen, die fürchten eine deutlich steigende Zahl an Drogenabhängigen.

Lucha: Das geplante Gesetz ist ja letztlich ein Cannabis-Kontrollgesetz und keine Freigabe. Aber ja, diesem Vorhaben liegt die Annahme zugrunde, dass es keine drogenfreie Gesellschaft gibt. Durch den kontrollierten Konsum können wir illegale Geschäfte eindämmen. Und dabei warnen wir dann intensiv auch vor den Gefahren von Cannabis, ähnlich wie bei den legalen Drogen wie Alkohol. Rauschmittel sind Rauschmittel. Wir müssen darauf achten, dass die Leute sehr genau wissen, was sie tun. Die beste Droge ist die, von der man die Finger lässt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat klargestellt, dass er die neuen Möglichkeiten nicht nutzen wird. Und Sie?

Lucha: Ich auch nicht, nein. Das brauch ich nicht.

Wir wollen mit Ihnen auch noch mal über die Grünen in Mannheim reden. Hatten Sie nach der Oberbürgermeisterwahl Kontakt mit Kandidat Raymond Fojkar?

Lucha: Ja, mit ihm habe ich gesprochen.

Wie beurteilen Sie sein Ergebnis von 13,8 Prozent?

Lucha: In der Konstellation mit Christian Specht als renommiertem Kommunalpolitiker und verlässlichem Fachbürgermeister war nicht viel mehr drin. Jetzt haben wir in der Gesellschaft gerade auch keinen Grünen-Hype. Mannheim ist die baden-württembergische Großstadt, die am wenigsten Putzi-Town ist, und das ist auch gut so. Ich hätte empfohlen, die Kräfte zu bündeln. Für die Kommunalwahl gibt es für uns Grüne viel zu tun, weil wir vor fünf Jahren überall überproportional stark waren.

Sie befürchten große Verluste für die Grünen bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg?

Lucha: Ich befürchte gar nichts. Ich sage, wir müssen uns ins Zeug legen.

Viel wurde auch über die geringe Wahlbeteiligung bei der Oberbürgermeistetwahl gesprochen. Was können Sie als Politiker tun, um bei der Kommunalwahl 2024 mehr Menschen an die Urnen zu bewegen?

Lucha: Wir müssen das Narrativ umdrehen: Was tun Politik und Verwaltungen eigentlich jeden Tag, damit unsere Gesellschaft funktioniert? Manche, die Ohnmachtsgefühle und Ängste haben, kennen natürlich Situationen, in denen der Staat aus ihrer Sicht nicht funktioniert. Ich bin seit 30 Jahren in einer NGO in Haiti tätig - dort sieht man wirklich, was das für Auswirkungen haben kann, wenn ein Staat nicht funktioniert. Schauen Sie als positives Beispiel nur auf Mannheim, das es finanzpolitisch nicht immer einfach hat. Aber die Stadt macht eine exzellente Stadtteilpolitik, sozialpolitisch ist sie ganz nah an den Menschen, da ist Mannheim wirklich eine Vorreiterstadt. Dazu gibt es hier ein sehr erfolgreiches kommunales Energieunternehmen. Das sind viele Pfunde.

Wann wird die Kretschmann-Nachfolge geregelt? Lucha hat eine klare Vorstellung. © Christoph Blüthner

Wie oft haben Sie eigentlich so Kontakt zu Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir? Er kommt ja auch aus Baden-Württemberg.

Lucha: Gesehen habe ich ihn tatsächlich das letzte Mal auf einem Parteitag. Bei anderen Themen schreiben wir uns schnell SMS. Richtig lange gesprochen haben wir im Oktober, als er in Ravensburg die Oberschwaben-Schau eröffnet hat.

Könnten Sie sich denn vorstellen, auch unter einem Ministerpräsidenten Cem Özdemir Minister in einer Regierung zu sein?

Lucha: (lacht) So läuft das ja nicht. Das Amt muss zum Manne kommen. Sie bewerben sich nicht auf solche Tätigkeiten. Aber jede Partei darf sich glücklich schätzen, wenn sie solche charismatischen und kompetenten Persönlichkeiten wie Cem Özdemir in den eigenen Reihen hat. Das ist ja eine sehr beruhigende Gewissheit

Winfried Kretschmann ist jetzt 75 Jahre alt. Die Nachfolgefrage …

Lucha: … stellt sich jetzt nicht.

Sie glauben also nicht, dass es vor der nächsten Landtagswahl einen Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten geben könnte?

Lucha: Nein … Winfried Kretschmann hat immer gesagt, dass er, wenn es die Gesundheit zulässt, bis zum Ende der Legislatur regiert. Geschäftsgrundlage dieses Bündnisses ist es, das Winfried Kretschmann Ministerpräsident ist.

Kennen Sie einen Zeitplan, wann die Nachfolge geregelt wird?

Lucha: Die Wahl wird im März 2026 sein. Im September davor haben wir Bundestagswahl. Ich denke, bis dahin sollte spätestens klar sein, wer Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat für die Nachfolge von Winfried Kretschmann wird.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

Redaktion Nachrichtenchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen