Mannheim. Der Jane-Jacobs-Walk, der im Mai im Stadtteil Rheinau stattfand, machte nun Station im Jungbusch. Eine Gruppe Mädchen vom Internationalen Mädchentreff im Alter von acht bis elf Jahren zeigte dabei den mitlaufenden Erwachsenen bestimmte Orte, an denen sie sich oft aufhalten. Dabei erläuterten sie zudem, was ihnen an den Orten gefällt und was nicht. Der Walk fand in Kooperation des Quartiermanagements Jungbusch mit dem Stadtjugendring statt.
Namensgeberin hatte Perspektive der Fußgängerinnen
Namensgeberin des speziellen Spaziergangs ist die kanadisch-amerikanische Architekturkritikerin Jane Jacobs (1916 bis 2006), die schon zu Beginn der 1960er Jahre neue Konzepte schuf, wie eine Stadt künftig aussehen könnte. „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ lautet ihre Arbeit aus dem Jahr 1961. Die Perspektive der Fußgänger ist dabei aus ihrer Sicht vorrangig. Autozentrierte Stadtkonzepte lehnte sie bereits damals ab. Die Nachbarschaftsspaziergänge namens Jane’s Walks gibt es schon seit 2007, der erste fand in Toronto (Kanada) statt.
Scherben auf Spielplätzen
„Die Mädchen setzen alle fünf Sinne ein und sagen uns, warum es hier schön ist oder nicht“, erklärte die Organisatorin Alice van Scoter. Auch Tobias Vahlpahl, Leiter der Koordinierungsstelle Quartiersmanagement, begleitete den Walk. Treffpunkt war der Internationale Mädchentreff in der Jungbuschstraße, von da aus ging es zuerst an den Spielplatz in der Beilstraße, der schon des Öfteren im Fokus von Kritik stand.
Zuerst das Positive: „Hier sind wir immer, man trifft Freundinnen und Freunde. Die Spielgeräte sind größtenteils gut, könnten aber mal sauber gemacht werden“, las Roza aus ihren gesammelten Notizen vor. Außerdem seien die Eltern oft in der Nähe und würden auf den Bänken im vorderen Bereich sitzen. Doch das Negative überwog trotz allem. „Hier wird oft gepinkelt, in das kleine Haus zum Beispiel, von kleinen Kindern oder auch von Obdachlosen“, las Gülcan weiter vor. Oft würden am Spielplatz Obdachlose sitzen, die Alkohol trinken, man finde leere Flaschen oder gar Scherben.
Oft von Männern angesprochen
Besonders beunruhigend war die Tatsache, dass die Mädchen oft von fremden Männern angesprochen werden, einer soll sogar ein Messer gehabt haben. „Jeder hat hier eine Geschichte“, las Gülcan vor. Das hört man selten von Mädchen im Alter von rund zehn Jahren. Die Verbesserungsvorschläge lauteten daher auch: eine öffentliche Toilette, Kameraüberwachung und ein Schild, dass man auf dem Spielplatz keinen Alkohol trinken und nicht pinkeln darf.
Der zweite Ort war der große Spielplatz in der Werftstraße, der zumindest baulich in einem sehr guten Zustand ist. Auch den Mädchen gefällt er, doch leider ist er zu weit von ihren jeweiligen Wohnungen weg, so dass sie nicht allein dort spielen dürfen. Bei Streit oder Belästigungen ist somit keine Hilfe in der Nähe, zum Beispiel ein Geschäft. Nebenan befindet sich die Jungbuschschule. Auch hierzu hatten die Mädchen haarsträubende Vorkommnisse zu berichten. So seien eine Zeit lang gebrauchte Spritzen über den Zaun geworfen worden. Die Erwachsenen, die am Walk teilnahmen, zeigten sich teils sprachlos. Der Bereich, in dem die Spritzen lagen, sei eine Weile abgesperrt worden, so die Mädchen weiter.
Station drei war dann das Neckarufer. Hier fühlen sich die Mädchen teilweise wohl, denn sie kommen mit ihren Familien oder mit dem Mädchentreff her. Ein Problem seien jedoch die zahlreichen Obdachlosen. „Sie sprechen die Mädchen oft an, sogar, wenn wir in Gruppen mit dem Mädchentreff laufen“, las Yasemin vor. Weitere Kritikpunkte am Neckarufer waren der viele Müll - unter anderem Glasflaschen - und freilaufende Hunde.
Alkoholverbot gefordert
Die schlimmsten Orte, bei denen der Namenspatronin Jane Jacobs wahrscheinlich nichts mehr eingefallen wäre, sind jedoch laut den jungen Führerinnen die Straßenbahnhaltestellen Rheinstraße und Dalbergstraße, letztere unterirdisch. Beide seien schmutzig und „riechen nach Alkohol und Pipi“, betonten die Mädchen.
Bei der Rheinstraße kommt noch die unübersichtliche Lage hinzu, da sie unter der Brücke nach Ludwigshafen liegt. Die Mädchen haben nach eigener Aussage Angst, dass aus jeder Ecke plötzlich jemand auf sie zustürzen könnte. Daher ist ihrer Meinung nach diese Haltestelle die schlimmere von beiden. Einer ihrer Verbesserungsvorschläge: ein Alkoholverbot in diesem Bereich.
Die letzte Station des Jane-Jacobs-Walks war schließlich die Yavuz Sultan Selim Moschee am Luisenring. Hier fühlen sich die Mädchen sicher, sie kommen mehrmals die Woche her. Es sei dort immer geöffnet, und es sei ruhig, so dass man gut runterkommen könne, betonen sie. In der kleinen Moschee gibt es auch ein Kinderprogramm. Der einzige Kritikpunkt, den sie haben, scheint im Vergleich zu den vorhergehenden eher harmlos: „Die Jungs sind manchmal frech und kommen in den Frauenbereich. Sie spielen dort Fangen.“
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