Jungbusch - Öffentliches Tischgespräch im Kunstzentrum Zeitraumexit diskutiert über Partylärm, steigende Mieten und urbane Gestaltungsmöglichkeiten

Kondome und Spritzen auf Spielplätzen - Mannheimer Jungbusch "verliert seine Seele"

Von 
Christian Hoffmann
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Während einer Vorstellungsrunde begegnen sich die Teilnehmer bei grundlegenden Fragen auf Augenhöhe. © Christian Hoffmann

Mannheim. Wo kann ich mich in die Stadtgestaltung einbringen? Was fehlt in der Stadt? Und wem gehört Mannheim überhaupt? Mit diesen Fragen beschäftigte sich ein öffentliches Tischgespräch des Kunstzentrums Zeitraumexit in der Kantine im Hinterhof der Kauffmannmühle im Stadtteil Jungbusch, an dem Bewohner und Akteure teilnahmen, um miteinander in eine konstruktive Diskussion einzusteigen. Mit einer Glocke in der Hand läutete Moderatorin und Zeitraumexit-Stadtteilarbeiterin Nina Lenz den Debattenbeginn bei vegetarischem Essen ein. Am Tischgespräch nahmen Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen teil.

In einer Vorstellungsrunde verteilten sich die Teilnehmer, darunter Veranstalter Hermann Rütermann vom soziokulturellen Zentrum Kulturbrücken, Theaterpädagogin Lisa Massetti und Anwohnerin Stefanie Sabani, im Stehen um einen langen Gruppentisch herum, um sich auf Augenhöhe einander vorzustellen. Das brachte den Geist in Schwung, lockerte die Zunge und baute mögliche Hemmungen und Berührungsängste ab. Danach nahmen die Teilnehmer wieder auf ihren Stühlen Platz. Zusammen mit einem Freund erschien VWL-Studentin Elisabeth Woronowicz, die aus Dresden stammt und Volkswirtschaft an der Mannheimer Universität studiert, in der Zeitraumexit-Kantine. „Es fehlen mehr Orte für ein Zusammenkommen und zum Verweilen“, bemängelte die 21-Jährige. „Außerdem ist mir der Straßenverkehr in den Quadraten zu stark.

Anwohnerin: "Fühle mich nicht mehr wohl"

Ich wünsche mir eine Verkehrsberuhigung“, legte Woronowicz dar. Auf die Frage, in wessen Besitz sich die Quadratestadt befindet, gab die VWL-Studentin eine analytische Antwort: In ihrer Wahrnehmung setze sich diesbezüglich die Realität aus zwei Ebenen zusammen. „Die Stadt besteht aus den Menschen, die in ihr leben. Die Stadt gehört jedoch den Unternehmen, die Geld investieren und Immobilien kaufen. Die Firmen haben großen Einfluss“, erläuterte Elisabeth Woronowicz. Die Macht bündele sich dort, wo das Kapital mit all seinen Möglichkeiten liege.

Einen nüchternen Blick auf die Entwicklung des multikulturellen Viertels Jungbusch, das über die Stadtgrenzen hinaus als Party-, Studenten- und Künstler-Milieu bekannt ist, hat Bewohnerin Stefanie Sabani, die in der Beilstraße wohnt. „Ich fühle mich hier nicht mehr wohl, obwohl ich den Jungbusch liebe“, bedauerte sie. Besonders an Wochenenden sorgt die jugendliche Partymeute, die abends in die Bars in der Jungbuschstraße einkehrt, für Lärm und mit achtlos auf den Bürgersteig geworfenen Glasflaschen für Unmut bei den Anwohnern, die sich um den Schlaf gebracht fühlen. In den Gassen verteilter Urin und Erbrochenes würden stinken. Nicht zuletzt steigende Mieten drücken den Menschen auf das Gemüt.

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„Ich bin traurig und sauer, denn der Jungbusch hat seine Seele verloren“, kritisierte Theaterpädagogin Lisa Massetti. Regelmäßig führten Jugendliche auf den Spielplätzen die sich dort tummelnden Kinder in Versuchung, Alkohol zu trinken und Drogen zu probieren. Sobald die Dunkelheit einbricht, komme es zu Geschlechtsverkehr zwischen jungen Erwachsenen in den Spielplatzhäuschen, hinterher lägen überall gebrauchte Kondome auf dem Platz. „Wir haben dort schon alles gefunden, auch Heroinspritzen“, zeigte sich Bewohnerin Stefanie Sabani besorgt. Statt ständig Party zu machen, sollten sich die Studenten für das Gemeinwohl einsetzen, etwa ehrenamtlich in Vereinen, lautete ein Fazit des Tischgesprächs. Um auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen, zum Beispiel nach Ruhe zur nächtlichen Schlafenszeit, veranstaltete die Zeitraumexit-Gruppe einen Flashmob am Samstag.

Termin für öffenes Treffen am 18. Juli

Am Samstag, 18. Juli, findet von 15 bis 17 Uhr ein offenes Treffen für Bewohner und Akteure mit der Überschrift „Unser Jungbusch: Offen und zugänglich für alle?“ auf dem Quartiersplatz statt, mit einem Baukulturbericht von Architekt Dennis Ewert und Live-Musik. Veranstalter des Treffens sind die Vereine Kulturbrücken, Zeitraumexit und der Bewohnerverein.

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