Walddebatte

Wie groß darf die Holzentnahme sein? Streitgespräch im Käfertaler Wald

Bei einem Treffen vor Ort diskutieren Forstbetriebsleiter Frank Philipp und Waldwende-Aktivist Markus Schrade über Methoden des Waldumbaus und die Menge der Holzentnahme im Käfertaler Wald

Von 
Valerie Gerards
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Revierleiter Frank Philipp und Markus Schrade, Vegetationskundler des Aktionsbündnisses Waldwende, diskutieren über den Waldumbau im Käfertaler Wald. © Valerie Gerards

Mannheim. Gemeinsames Ziel ist ein klimatoleranter Wald, nur über die Methoden zur Zielerreichung herrscht Uneinigkeit: Das Aktionsbündnis Waldwende Mannheim kritisiert, dass die Holzentnahme der Waldeigentümerinnen im Käfertaler Wald unverhältnismäßig hoch sei. Die Vorgehensweise, wie gebietsfremde Baumarten, vor allem die invasive Spätblühende Traubenkirsche und die Robinie, entfernt werden, bezeichneten die Umweltschützer als einen schädigenden Eingriff in das Ökosystem.

Nach der Debatte um die Methoden des Waldumbaus hat der „MM“ Förster und Forstbetriebsleiter Frank Philipp, der für den Kollekturwald der Stiftung Schönau im Käfertaler Wald zuständig ist, und Markus Schrade, Aktivist des Aktionsbündnisses Waldwende Mannheim, zu einem Vor-Ort-Termin eingeladen, um über das Vorgehen zu diskutieren. Das Gespräch brachte einen überraschenden Vorschlag seitens Philipp hervor.

Herr Philipp, das Kiefernsterben begünstigt die Ausbreitung der Spätblühenden Traubenkirsche. Können Sie kurz erklären, warum das ein Problem ist und was Sie dagegen tun?

Philipp: Durch das Mehr an Licht in Verbindung mit dem Kiefernsterben kann sich dieser Neophyt hervorragend ausbreiten. Er wirft Schatten auf den Boden, so dass die heimischen Baumarten, die auf dieses Licht angewiesen sind, sich nicht mehr natürlich verjüngen können. Wir haben die Spätblühende Traubenkirsche komplett mit ihren Wurzeln entfernt und dort neue Bäume gepflanzt.

Herr Schrade, was kritisieren Sie konkret an dieser Vorgehensweise?

Schrade: Wir kritisieren, dass viele Traubenkirschen mit dem großen Bagger samt Wurzelballen entfernt worden sind. Die Methode ist im ökologischen Sinne nicht nachhaltig. Der Oberboden wurde komplett aufgewühlt, das ganze Bodengefüge mit den darin befindlichen anderen Wurzeln und Pilzen wurde geschädigt. Auch mehrere Bäume, die eigentlich hätten drin bleiben sollen, wurden herausgerissen oder geschädigt. Mit großem Gerät ist es schwierig, so kleinteilig vorzugehen.

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Wie wäre es aus Ihrer Sicht möglich, schonender vorzugehen?

Schrade: Die großen Traubenkirschen, die man bisher mit dem Bagger mit Wurzeln ausgerissen hat, sollte man so nicht entfernen. Die kleinen Exemplare sollte man manuell abschneiden. Die älteren Exemplare, die oftmals bereits abgängig sind, sollte man einfach stehenlassen.

Philipp: Ich denke nicht, dass wir es schaffen, den Kreislauf der Traubenkirsche zu unterbrechen, solange die alten Bäume jedes Jahr ihren Samen ausbringen können. Darum haben wir sie als Ganzes entfernt. Da wir unterschiedlicher Auffassung zum Vorgehen sind, schlage ich vor, dass wir ein Viertelhektar gemeinsam bearbeiten. Damit können wir die Diskussion versachlichen, und wir bekommen eine zusätzliche Erfahrung, ob das von Ihnen vorgeschlagene Verfahren eine Möglichkeit ist, die auf großer Fläche angewendet werden kann. Meines Erachtens ist das sehr schwierig, weil wir diese Arbeitskapazitäten nicht haben und auch die Schwere der Arbeit dagegen spricht.

Sie bezweifeln, dass es funktioniert, halten es aber für möglich?

Philipp: Ich halte es für begrenzt möglich, weil die Baumarten, die hier gepflanzt werden sollen, Lichtbaumarten sind und einen sehr hohen Lichtbedarf haben. Mit dem Vorgehen von Herrn Schrade habe ich bislang negative Erfahrungen gemacht.

Was halten Sie davon, Ihre vorgeschlagenen Maßnahmen auf einem Viertelhektar zu testen, Herr Schrade?

Schrade: Ich würde daran gern teilnehmen und bin an den Ergebnissen interessiert. Daraus kann man auf jeden Fall einiges lernen. Wir könnten dann hochrechnen, wie viel Fläche wir in welcher Zeit packen würden.

Gastbaumarten

  • Gebietsfremde Baumarten sind Arten, die in einheimischen Wäldern nicht natürlicherweise vorkommen, beispielsweise Edelkastanie, Walnussbaum, Platane, Douglasie und Roteiche.
  • Seit der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 verschleppten Bäume gelten als Neophyten, die bereits zuvor etablierten gebietsfremden Arten als Archäophyten.
  • Inwieweit sich diese Gastbaumarten negativ auf die einheimischen Waldökosysteme auswirken, wird derzeit kontrovers diskutiert.
  • Neun Baumarten werden laut Invasivitätseinstufung des Bundesamt für Naturschutz (BfN) als invasive Neophyten bezeichnet, darunter die Spätblühende Traubenkirsche, der Götterbaum und die Douglasie, die sich auch im Käfertaler Wald ausbreiten.
  • Invasive Neophyten, die in größeren Beständen auftreten, können einheimische Pflanzen zurückdrängen.
  • Die Spätblühende Traubenkirsche unterwandert den Kiefernbestand und verhindert die Naturverjüngung heimischer Baumarten.

Wir sprechen die ganze Zeit davon, wie man die Ausbreitung der invasiven Neophyten eindämmen kann. Ist es überhaupt zutreffend, dass der Wald aufgrund des Kiefernsterbens versteppen würde, wenn der Mensch nicht eingreift?

Schrade: Es würde definitiv keine Versteppung geben. Die Fläche würde natürlich anders aussehen als heute. Da können wir nur spekulieren. Es ist auch die Frage, ob wir von einem Zustand in zehn, 20 oder 100 Jahren reden. Die Spätblühende Traubenkirsche wird nicht alt, darum könnte sich das Problem in 50 oder 100 Jahren von allein erledigen.

Philipp: Ich bin der Auffassung, dass sich der Wald mit der prognostizierten Klimaerwärmung von 4,5 Grad bis 2100 so dermaßen verändern wird, dass die Baumarten, die heute auf dieser Fläche stocken, nicht mehr vorhanden sein werden. Wenn die abgängigen Kiefern verschwunden sind, wäre nur noch die Spätblühende Traubenkirsche da – es wären keine anderen Baumarten mehr auf der Fläche. Die Spätblühende Traubenkirsche hat in der Tat nur ein Altersspektrum bis 50 Jahre. Herrn Schrades Annahme aber würde voraussetzen, dass sie sich nicht weiter vermehren kann. Das sehe ich nicht. Sie hat sich in den vergangenen vier bis fünf Jahrzehnten immer weiter ausgebreitet. Mir fehlt die Perspektive, dass sich das von selbst erledigen würde.

Schrade: Auch wenn die Fläche im schlimmsten Fall voll von der Spätblühenden Traubenkirsche bewachsen wäre, wäre es keine Steppe. Es wäre trotzdem etwas, was man als eine Waldgesellschaft bezeichnen könnte.

Philipp: Eine Versteppung ist ein Vorgang, bei dem sich der Wald auflöst. Der Endzustand mag dann eine Steppe sein. Solange die Spätblühende Traubenkirsche da ist, wird es diesen Fall wohl nicht geben. Da stimme ich Ihnen zu. Aber der Wald, wie wir ihn heute noch kennen, wird sich auf diesem Standort auflösen.

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Ein Kritikpunkt des Aktionsbündnisses Waldwende ist auch, dass zu viel Holz geerntet wird.

Philipp: Wenn wir Holz ernten, entnehmen wir rund 80 Prozent der Biomasse von einem Baum, die dann von Balken bis Spanplatte oder als Papier Verwendung finden. Äste, Stammteile und Wurzeln bleiben auf der Fläche, und mit ihnen der überwiegende Anteil der Nährstoffe.

Schrade: Das ist nicht richtig. Ein Großteil der Nährstoffe ist in Stamm und Rinde gebunden. Je nach Baumart und Nährelement sind das zwischen 50 und 80 Prozent. Mit der Holzentnahme sind außerdem mehrere Faktoren verbunden. So erfüllt Totholz verschiedene Funktionen. Es hieß zwar, dass es ein Totholzkonzept gibt, und es wurden auch vereinzelt wieder Stämme auf die Fläche gelegt. Aber das ist viel zu wenig Biomasse für zukünftige Waldgenerationen.

Holz ist immerhin ein nachhaltiges Baumaterial …

Schrade: Natürlich ist Holz ein wichtiger Rohstoff, aber nicht per se ein nachhaltiger. Er ist dann nachhaltig, wenn er aus einem nachhaltig bewirtschafteten Wald stammt und das Holz in langlebige Produkte fließt. Dann ist auch der Kohlenstoff lange gebunden. Das Holz, das hier herausgeholt wurde, fließt mit Sicherheit nicht in langlebige Produkte, allein die Qualität gibt das nicht her. Das ist weder ökologisch noch nachhaltig. In Anbetracht dessen würde ich es auf den Umbauflächen als Totholz im Wald belassen.

Philipp: Aber anders hätten wir die Spätblühende Traubenkirsche nicht entfernen können. Wenn das Totholz auf der Fläche geblieben wäre, hätten wir sie und die Robinie (ein weiterer Neophyt im Käfertaler Wald, Anm. der Red.) überhaupt nicht entfernen können. Deshalb haben wir nach Abschluss der Maßnahme für die Humusanreicherung einen Teil der Stämme wieder auf die Fläche gebracht.

Schrade: Sie sagen, das ganze Stammholz muss erstmal rausgeschafft werden, um sich auf der Fläche bewegen zu können. Hätten Sie die Bäume stehenlassen, gäbe es gar keine Notwendigkeit, die Stämme rauszuräumen. Ganz einfach. Selbst wenn einige Bäume gefällt werden müssten, wäre es immer noch sinnvoller gewesen, wenn man den größten Anteil Totholz wieder auf die Fläche gebracht hätte anstatt nur ein wenig.

Was spricht dann dagegen, mehr Totholz zurück auf die Fläche zu bringen?

Philipp: Wir müssen auf der Fläche noch mehrmals nacharbeiten, weil die Neophyten schon wieder nachwachsen. Da deckt sich Ihre Einschätzung mit meiner, Herr Schrade: Wir werden noch viele Durchgänge brauchen, um die Spätblühende Traubenkirsche und die Robinie hier immer wieder zu entfernen. Wenn wir das Totholz auf der Fläche verteilen, wie sollen wir dann mit dem Freischneider arbeiten, um die Neophyten zurückzudrängen und die gepflanzten Baumarten zu fördern? Ich kann nachvollziehen, dass man mit extrem vielen Arbeitskräften über die Fläche kommen könnte. Diese Kapazitäten stehen aber schlicht und ergreifend nicht zur Verfügung.

Schrade: Keine Frage, dass das Nacharbeiten schwieriger wäre. Aber das heißt nicht, dass es unmöglich ist mit einem höheren Totholzanteil. Der Zeitaufwand wäre etwas größer.

Wofür wird das Holz mit minderer Qualität, wie es von dieser Umbaufläche entfernt wurde, denn verwendet?

Philipp: Speziell dieser Holzpolter vor uns mit den abgestorbenen Kiefern ist Energieholz, daraus werden vermutlich Holzhackschnitzel entstehen. Das ist besser, als auf Öl, Gas oder Atomkraft zu setzen. Damit haben wir immer noch eine CO2-Neutralität und einen Kreislauf. Auf diesen Flächen geht es aber nicht um eine planmäßige Bewirtschaftung, sondern um die Möglichkeit, einen Waldumbau zu realisieren und den Wald langfristig zu erhalten.

Schrade: Dass Holz im Vergleich zu fossilen Energieträgern wie Öl, Kohle oder Gas nachhaltiger oder klimafreundlicher ist, stimmt einfach nicht. Die Menge CO2, die beim Verbrennen auf einen Schlag freigesetzt wird, wird morgen nicht gebunden sein. Holz hat im Vergleich zu Kohle, Öl und Gas auf eine Kilowattstunde den höheren CO2-Ausstoß und ist keine adäquate Alternative zu fossilen Energieträgern.

Philipp: Ich stimme Herrn Schrade zu, wenn wir nur einen einzigen Baum hätten, der verbrannt wird und der hundert Jahre braucht, bis er wieder die Größe wie zuvor erreicht. Diese Betrachtung unterstellt, dass die gesamte weitere Waldfläche das CO2 nicht bindet. Aber der gesamte Wald wächst ständig weiter, bindet CO2 und setzt CO2 frei. Sei es durch Verbrennung oder langsames Verrotten.

Freie Autorin

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